Bisher mussten sich 3D-Sound-Freunde für vollen 11.1-Sound mit mindestens 2 externen Verstärkern aushelfen, doch damit ist jetzt Schluss. Denn Pioneers neues Top-Modell SC-LX901 hat 11 Verstärkereinheiten an Bord, der Vorgänger SC-LX89 brachte es nur auf 9. Das Plus an Leistung gibt es allerdings nicht für lau, gegenüber dem Vorgänger hat sich der Preis um 300 Euro auf nunmehr 3.000 Euro erhöht. Dafür ist neben Dolby Atmos auch DTS:X bereits bei Auslieferung an Bord, Auro 3D bleibt hingegen weiterhin den Mitbewerber-Modellen von Denon und Marantz vorbehalten.
Zur optimierten Ausstattung des neuen Flaggschiffs SC-LX901 gehört neben einer verbesserten Menüführung und einer neuen Fernbedienung auch das Wireless-Multi-room-System „FireConnect“, dessen Integration per Firmware-Update allerdings noch bis Ende des Jahres auf sich warten lässt. Selbiges gilt für Google Cast sowie einige weitere Musik-Streaming-Dienste.
Äußere und innere Werte
In Sachen Optik gleicht der Neue seinem Vorgänger wie ein Ei dem anderen, das ist aber nicht negativ gemeint – ganz im Gegenteil: Denn die Verarbeitung mit Alu-Front, rund und geschmeidig laufenden Drehreglern sowie stabilem Gehäuserahmen zählte schon immer zu den Pioneer-Highlights.
Auch unter der Haube hat sich im Vergleich zum SC-LX89 nicht übermäßig viel getan, die nun 11 Direct-Energie-Endstufen für maxi-male Leistungsausbeute bei geringer Wärmeentwicklung und niedrigem Stromverbrauch sitzen gekapselt in einem Metallkäfig an der Unterseite des Rahmens. Ein nicht immer ganz geräuschloser Lüfter schaufelt die Warmluft aus dem Gehäuse.
Blickt man auf die Rückseite, fallen allerdings deutlichere Veränderungen auf, die vermutlich auf den Firmenzusammenschluss mit Onkyo zurückzuführen sind. So bietet der Pio-neer nur 2 statt 3 HDMI-Ausgänge, auch der FBAS-Output sowie der analoge 7.1-Cinch-Eingang fehlen. Zudem wurde der asynchrone USB-DAC des SC-LX89 gestrichen, woran Freunde der High-End-Musikwiedergabe Anstoß nehmen könnten. Ferner fiel der Toslink-Ausgang dem Rotstift zum Opfer, weshalb man den SC-LX901 nicht mehr als AD-Wandler nutzen kann. Dafür gibt es nun 3 satt vormals 2 Toslink-Eingänge. Ferner sind 2 koaxiale Digitalbuchsen an Bord.
Ausstattung & Praxis
Wie schon erwähnt kann man ein 7.2.4-Boxen-setup ohne externe Verstärker verwirklichen; Front-Wide-Kanäle sind entgegen dem SC-LX89 aber nicht mehr möglich. Weiterhin hält der Pioneer 11.2-Vorverstärkerausgänge bereit, zudem sind Pre-outs für Zone 2 und 3 vorhanden. Wer nicht alle Endstufen für 3D-Sound nutzt, kann diese auch für die Beschallung von ein bis zwei Nebenräumen verwenden. Alternativ ist Bi-Amping möglich.
Bei der Boxenkonfiguration für 3D-Sound gibt es keine Einschränkungen, egal ob man 2 oder 4 Höhenboxen verwendet. Ob Height-, Top-, Top-Middle- oder Dolby-Enabled-Speaker, praktisch an jeder Position lassen sich Deckenboxen positionieren (siehe Kasten „Die Lautsprecher-Setups“). Noch wichtiger: Dolby Atmos und DTS:X funktionieren mit demselben Boxen-Setup. Für optimalen 3D-Sound empfehlen sich übrigens Height-Lautsprecher, denn bei Konfiguration von Top- und Aufsatzboxen übersprechen Toninformationen der Höhenboxen bisweilen auf die Front- bzw. Rear-Speaker. Die beiden Decoder verstehen nur ihre jeweils nativen Formate, weshalb sich Dolby-Signale nicht mit dem Neural:X-Upmixer wiedergeben lassen – und umgekehrt. Dafür sind die 9 Raumklangprogramme mit Neural:X und Dolby-Surround kombiniert. Auf eine THX-Lizenzierung verzichtet Pioneer, geblieben ist die Klangabstimmung in Zusammenarbeit mit den Toningenieuren der Londoner „Air Studios“ (siehe Kasten „True to the Studio Master“).
Das Einmess-System „MCACC Pro“ des Pioneer optimiert den Klang auch anhand stehender Wellen und des Raumnachhalls. Die Schaltungen „Full Band Phase Control“ und „Phase Control+“ korrigieren die Gruppenlaufzeiten aller Lautsprecher und sorgen zudem für zeitoptimierte Bässe. Der „Reflex Optimizer“ soll – analog zu Onkyos „Accu Reflex“-Schaltung – die Phase von Aufsatzboxen für Dolby Atmos den restlichen Boxen angleichen und damit für eine verbesserte Klangharmonie sorgen. Das hervorragende 6-stufige „X-Curve“-Filter zur Absenkung spitzer Höhen bei Filmton wurde durch einen schlichteren „Theaterfilter“ ersetzt. Wer lieber selbst Hand an die Boxenkonfiguration legt, der kann Pegel in 0,5-dB-Schritten und Distanzen in 1-Zentimeter-Stufen justieren; bei Einsatz der „Präzisonsabstand“-Messung auch unter 1 Zentimeter. So haben wir das gern. Als suboptimal empfinden wir dagegen die Justage der Crossover-Frequenzen (50 bis 200 Hertz in 5 Schritten), die sich nur einmal global für alle Boxen definieren lassen, was bei kleinen Decken- oder Aufsatzboxen zu Problemen führen kann. Der Equalizer mit 3 separaten Speicherbänken regelt in 9 Bändern von etwas hohen 63 Hz bis 16 kHz, die beiden Subwoofer können separat und 4-bandig zwischen 31 Hz und 250 Hz manipuliert werden.
Die Bedienung wurde dank der neuen und aufgehübschten Menüs etwas erleichtert, ist für unseren Geschmack aber zum Teil noch immer zu verschaltet. Besser lesbar und verständlicher als früher präsentiert sich das Schnellmenü mit den An/Aus-Optionen zu den Klang- bzw. EQ-Filtern; darunter etwa die Digitalfilter-Typen („Slow“, „Sharp“ und „Fast“) zur subtilen Änderung der Klangausrichtung, das Lip-Synch (-100 msec bis +500 msec) und die Dynamikreduktion (DRC).
Die neue Fernbedienung geriet übersichtlicher, verzichtet aber auf einige Direkt-Tasten (z.B. Pegel), auch hätten wir uns bei einem Preis von 3.000 Euro eine Beleuchtung gewünscht. Alternativ kann man den Receiver mit Pioneers „iControlAV5“-App steuern.
Video und Multimedia
Das Videoboard mit HDMI-2.0a-Buchsen unterstützt Auflösungen bis 4K/60p, HDR, BT.2020, den 4:4:4-Farbraum sowie den HDCP-2.2-Kopierschutz an 5 Eingängen. 1080p-Signale skaliert der SC-LX901 auf 4K-Auflösung, niedriger aufglöstes Material schleift er hingegen nur durch. Lediglich bei aktiver Skalierung greift die „Super Auflösung“ zum Aufpäppeln der Feinzeichnung. Für sich genommen ist das okay, allerdings hatte der Video-Equalizer des Vorgängers mehr zu bieten.
Musik nimmt die Soundzentrale via WLAN, DLNA, AirPlay und Bluetooth (SBC, AAC) entgegen. Zum tuneIn-Webradio gesellt sich Spotify, Deezer und Tidal sollen per Firmware-Update folgen. Der Media-Player liest von USB-Stiften (FAT32, NTFS) auch hochauflösende Dateien (192kHz/24Bit) in den Formaten ALAC, AIFF, FLAC und WAV sowie DSD-Streams bis 11.2 MHz. 5.1-Dateien spielt der SC-LX901 konträr zum SC-LX89 aber nicht mehr ab.
„Mit der Einführung unkomprimierter, digitaler Tonformate wurde immer deutlicher, dass nur die Kombination aus Raumakustik, Verstärker und Lautsprecher zu einem akustischen Ergebnis wie bei der Originalaufnahme führen würde. Wir mussten also an den Ursprung, zur Entstehung der Toninformation reisen – dort, wo es gespielt, aufgenommen und abgemischt wurde. Die Profis der legendären Londoner Air-Studios gehören zu den renommiertesten Toningenieuren der Welt. Sie waren von unserer Idee begeistert, Produkte gemeinsam zu entwickeln, die den akustischen Ansprüchen von Profis entsprechen. So entstanden Ende der 90er-Jahre zunächst die Idee zur Einmess-Automatik MCACC und seit 2000 auch viele ausgezeichnete Produkte wie die Verstärker VSA-AX10 und der Susano, aber auch audiophile Blu-ray-Spieler wie der BDP-LX91. In der Praxis bedeutet dies aufwändige Hörvergleiche im Prototypen-Stadium direkt vor Ort in London. Hier bieten sich ideale akustische Voraussetzungen: Wir hören Studio-Master gemeinsam mit dem Tonmeister und nähern unsere Prototypen immer mehr diesem Original an. Dabei kommt unseren erfahrenen japanischen Ingenieuren vor Ort eine besondere Rolle zu. Sie müssen die akustischen Erfahrungen sowie die beschriebenen Kritikpunkte in Änderungen am technischen Produkt-design umsetzen und diese implementieren. Für diesen Prozess benötigen wir stets mehrere Tage. Das Logo der Air-Studios dürfen nur Produkte tragen, die so exakt „true to the studio master“ spielen, dass sie von den Tontechnikern im täglichen Arbeitsprozess auch als Abhörmonitore verwendet werden können.“
Tonqualität
Mit knapp 1.100 Watt im 7-Kanalbetrieb (4 Ohm) bietet der SC-LX901 in etwa so viel Leistung wie sein Vorgänger. Dank Digital-Endstufen liegt der durchschnittliche Stromverbrauch bei geringen 101 Watt und rutscht somit nur ganz knapp an unserem Stromsparer-Logo vorbei.
Wie von Pioneer-Receivern gewohnt, legte der SC-LX901 mit einem schlackenfreien und hochauflösenden Sound los, der auch bei Pegeln jenseits von Gut und Böse nie anstrengend klingt. So preschte der Dolby-Atmos-Sound auf Metallicas Blu-ray „Through the Never“ ungeheuer dynamisch und mit faszinierender Räumlichkeit. Das Schlagzeug drückte mit dem nötigen Volumen und dem richtigen Punch, dazu schmetterten die Gitarren wuchtig und körperhaft. Grundsätzlich setzte der Pioneer Musik wie Filmton überaus dynamisch und geradezu lässig in Schall um.
Die Einmessung mit MCACC Pro dauerte zwar eine gefühlte Ewigkeit, überzeugte aber mit plausibel gesetzten Boxen-Parametern, 3 EQ-Kurven sowie einem ganzen Arsenal an klangverbessernden Filtern. Hierbei überzeugte uns besonders die „Phase Control“-Schaltung mit einem hörbaren Zuwachs an Volumen und Bass. Die 3 ermittelten EQ-Kurven hatten dagegen nur messtechnisch relevante Auswirkungen auf den Klang – das hatten wir vom SC-LX89 noch anders in Erinnerung (im gleichem Testraum und mit denselben Boxen wohlgemerkt). Tadellos dagegen die locker-luftige Räumlichkeit der Darbietung, die lückenlos auch die letzte Ecke unseres Hörraums füllte. Dolby Atmos-Material wie „Mad Max: Fury Road“ oder Dolbys „Amaze“-Trailer schallten ungemein authentisch und mitreißend, die Wassertank-Szene im DTS:X-Democlip zu „Divergent“ sorgte mit um und über uns herum blubbernden Wassermassen fast für Atemnot.
Auch im Stereo-Betrieb zeigte sich der Pioneer als ganz Großer und brachte die Dynamik von Beethovens drittem Satz der „Mondscheinsonate“ grob- wie feindynamisch präzise zu Gehör. Auch audiophil aufgenommene Singer-Songwriter-Musik à la Kari Bremnes baute sich körperhaft zwischen den Boxen auf und verströmte zudem die richtige Portion musikalischen Schmelz – Klasse! ao
Der Testbericht Pioneer SC-LX901 (Gesamtwertung: 93, Preis/UVP: 3000 Euro) ist in audiovision Ausgabe 11-2016 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
Pioneers neues Receiver-Topmodell überzeugt mit 11 Endstufen, Dolby Atmos und DTS:X, einer ausgefeilten Einmess-Automatik und Spitzenklang. Dank HDR und HDCP 2.2 blickt der Bolide zudem sicher in die Video-Zukunft. Lediglich Auro 3D könnte manch einer vermissen.