Amazon Fire TV 4 (Test)

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Was Apple seit Jahren versucht, hat Amazon jetzt realisiert: Mit der Amazon Fire TV-4-Serie hat man seine ersten eigenen Fernseher auf den Markt gebracht. Wenig überraschend steht bei ihm Streaming im Fokus.

Erhältlich sind die Flachmänner des weltbekannten Online-Händlers in den Größen 43, 50 und 55 Zoll – die unverbindlichen Preisempfehlungen liegen zwischen 500 und 700 Euro, doch zum Testzeitpunkt waren alle Apparate stark reduziert. So bot Amazon den von uns getesteten Fire TV 4 in 55 Zoll für 500 statt 700 Euro an.

Mit einer Tiefe von 9 Zentimeter fällt der Apparat mit Metallrückwand für einen modernen Flat-TV eher dick aus. Der Rahmen besteht aus Kunststoff, dies trifft auch auf die beiden Füße zu. Wer in dieser Preisklasse stöbert, sucht in der Regel aber keinen superflachen Design-Boliden. Das Display mit Direct-LED-Technik arbeitet nur bis 60 Hertz, als Maximalhelligkeit gibt Amazon 300 Candela an. Unsere Messungen ergaben jedoch höhere Helligkeiten.

Ausstattung & Praxis
Auch wenn bei diesem Fernseher Streaming-Portale Priorität genießen: Natürlich empfängt der 55-Zöller auch klassisches lineares Fernsehen über Single-Tuner für Kabel, Satellit und DVB-T2 (siehe Kasten). Aufnahmen auf USB-Festplatte sind nicht möglich. An Bord befinden sich vier HDMI-Ports – Variable Refresh Rate (VRR), eARC und der Auto Low Latency Mode (ALLM) werden unterstützt, die 4K-Wiedergabe mit 120 Hertz ist aufgrund des 60-Hertz-Panels natürlich nicht realisierbar. Mau sieht es beim Thema HDR aus: Hier kooperiert der Amazon-Fernseher lediglich mit HLG und HDR10, die dynamischen High-Dynamic-Range-Formate Dolby Vision und HDR10+ stehen hingegen nicht auf der Agenda.

Funktional: Mit der Amazon-Fernbedienung kommt man schnell zurecht. Der kompakte Steuerstab liegt gut in der Hand, auf Alexa hat man wie auf Prime Video, Netflix und Disney+ direkten Zugriff. Die Zifferntasten fallen recht klein aus, allerdings braucht man diese in der Regel auch nur selten.

Die Benutzeroberfläche von Fire TV OS kennen alle, die schon mal einen Fire-TV-Stick oder einen Grundig-Fernseher mit Fire-TV-Oberfläche wie den 55 GOB9099 (Test in Ausgabe 3-2020) in Betrieb hatten. Die Startseite lässt sich mit Apps individualisieren, außerdem können unterschiedliche Nutzerprofile eingerichtet werden. Die App-Auswahl ist gigantisch, nicht nur für Streamer, die sich unter anderem über Prime Video, Netflix, Disney+, WOW, Joyn, Paramount+, DAZN, Magenta TV, Zattoo, RTL+ und Apple TV+, sondern auch über zahlreiche Spiele freuen dürfen (siehe auch App-Vergleich auf Seite 50). Hinzu kommt Amazons umfangreicher Cloud-Gaming-Dienst Luna. Praktisch: Hat man kein Kabel für TV-Empfang angeschlossen, listet der 55-Zöller in den „Prime Video Channels“ alle Kanäle auf, die online per Live-Stream zu empfangen sind. Nützlich ist hier die Spulfunktion, um laufende Sendungen von vorne zu schauen.

App-Dominanz: Fire TV OS setzt ganz klar auf Streaming. Alle wichtigen Dienste sind an Bord. Aber auch klassisches Fernsehen empfängt der 55-Zöller.

Ausstattung mit Lücken: Der Amazon-Fernseher verfügt über vier HDMI-2.0-Anschlüsse, entsprechend lassen sich Signale mit 4K und 120 Hz nicht zuspielen.

Wer nicht nur streamt, sondern auch gerne Öffentlich-Rechtliche und Private schaut, kommt mit dem Amazon Fire TV 4 ebenfalls auf seine Kosten. Im Menüpunkt „Live-TV-Quellen“ hat man die Auswahl zwischen den Sendern, die per Kabel, Satellit und DVB-T2 empfangen werden, sowie zwischen den 39 Prime Video Channels, wobei es sich hier abgesehen von Welt HD um öffentlich-rechtliche HD-Kanäle handelt. Sender lassen sich verschieben, ausblenden und in Favoritenlisten anlegen. Beim Channel-Hopping benötigt man Geduld: Bis zu vier Sekunden können vergehen, ehe sich der Fire TV 4 zu einem Programmwechsel durchringt.

Informativ: Schaut man auf dem Amazon-Fernseher Live-TV-Sender über das Internet, so lassen sich auch parallel Inhalte anderer Programme einblenden.

Der Fire TV 4 reagiert sehr flott. Die Steuerung erfolgt über eine handliche Fernbedienung, die Zifferntasten sind jedoch etwas klein ausgefallen. Alexa hilft dabei, per Sprachbefehl das Streaming-Angebot zu durchstöbern, den Fernseher zu steuern oder Informationen aus dem Internet zu erhalten. Neben Bluetooth und Chromecast kommt der Flat-TV auch mit AirPlay 2 zurecht.

Bild- und Tonqualität
Eine zentrale Sitzposition vorausgesetzt – denn von der Seite bleichen die Farben des 55-Zöllers schnell aus, der Kontrast geht flöten – überzeugt der Fire TV 4 im „Standard“-Modus mit natürlichen Farben und schöner Schärfe. Das Studio von Markus Lanz erscheint angenehm plastisch, Konturen sind sauber gezeichnet und Hautfarben gesund. Auch bei hochauflösenden Naturdokus via YouTube punktet der Flachmann mit guter Detailtreue und sauberen Farbübergängen. Flüssige Bewegungen gelingen ihm deutlich besser als erwartet, trotz 60-Hertz-Technik. Dazu muss allerdings „Natural Cinema“ deaktiviert und „Action Smoothing“ auf einen hohen Wert nahe der „10“ angehoben werden. Im Netflix-Streifen „Berlin und Brandenburg von oben“ zeigt der Amazon-TV ruhige Über- und Vorbeiflüge.

Respekt: Im SDR-Farbraum kann der Amazon Fire TV 4 locker mit deutlich teureren Fernsehern mithalten, farblich liefert er einen überzeugenden Auftritt.

Am Limit: Bei HDR-Darstellungen ist der 55-Zöller schlichtweg überfordert. Das DCI-P3-Spektrum füllt der Flachmann nur teilweise aus.

Wenig überraschend: Richtig sattes Schwarz bleibt auf dem 55-Zöller eine Wunschvorstellung, das Edge-LED-Display erzielt auch im besten Modus „Film dunkel“ lediglich – oder besser formuliert: in dieser Preisklasse immerhin – ein sehr dunkles Grau, was bei seitlicher Betrachtung etwas heller wird. Positiv: Auf störende Lichthöfe beispielsweise um weiße Schriften verzichtet der Fire TV nahezu vollständig, und die Homogenität der Ausleuchtung ist sehr ordentlich. Der gefürchtete Kuhfl ecken-Look bleibt aus. Bei HDR-Titeln verpufft die zusätzliche Dynamik weitgehend, wenn überhaupt spürt man im „Lebhaft“-Modus ein wenig mehr Brillanz. In diesem Setting erreicht der Amazon-Fernseher 372 Candela. Im Standard-Modus sind es sogar 400 Candela, deutlich mehr als von Amazon angegeben, und in „Film dunkel“ 326. Die Leuchtkraft bleibt in jedem Setting konstant, egal, wie groß der Weißanteil ausfällt. Überraschung: Der ANSI-Kontrast erreicht einen durchaus akzeptablen Wert von 1.280:1.

Akustisch merkt man dem 55-Zöller seinen niedrigen Preis an. Der 16 Watt starke Lautsprecher klingt ein wenig zugeschnürt, für eine bessere Sprachverständlichkeit sollte man den „Dialogverstärker“ einschalten. Die tonale Räumlichkeit ist gar nicht mal so schlecht, es mangelt dem Flachmann allerdings an Präzision. Musik ist bei Zimmerlautstärke noch akzeptabel, bei höheren Pegeln gerät der Amazon-TV jedoch aus dem Tritt.

Der Testbericht Amazon Fire TV 4 (Gesamtwertung: 67, Preis/UVP: 700 Euro) ist in audiovision Ausgabe 7-2023 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

67 Befriedigend

Beim App- und Streaming-Angebot ist der Amazon Fire TV 4 spitze. Im TV-Alltag reichen Bild- und Tonqualität aus. Für echtes Heimkino-Feeling fehlt es jedoch an Maximalhelligkeit und sattem Schwarz, speziell Dolby Vision und HDR 10+ vermissen wir in der Ausstattungstabelle.

Jochen Wieloch

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