Mit der neuen Reference-Serie will Canton einmal mehr zeigen, was beim Lautsprecherbau geht. Das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
Sich und sein Unternehmen neu zu erfinden, ist immer ein Kraftakt. Vor allem, wenn dabei auch Traditionen und Firmenhistorie nicht auf der Strecke bleiben sollen. Genau das ist Canton in den letzten Jahren einmal mehr gelungen: Nicht nur haben Frank Goebl und sein Entwicklerteam über Jahre hinweg die technischen Voraussetzungen für ein modernes, marktgerechtes Portfolio geschaffen, auch hat der hessische Hersteller das fünfzigjährige Firmenjubiläum zum Anlass genommen, sein Erscheinungsbild zu modernisieren. Um das festzustellen, muss man nur einen Blick auf den Internet-Auftritt werfen. Und wenn mitten in einer solchen Anstrengung, oder wahrscheinlich eher als integraler Teil davon, Cantons Reference-Lautsprecherserie, nicht weniger als das Aushängeschild der Hessen, eine grundlegende Neugestaltung verpasst bekommt, dann darf man mehr als gespannt sein, was dabei herauskommt.
Schon optisch ist der Relaunch unmittelbar erkennbar: War die alte Baureihe Reference K noch eher kantig-wuchtig mit seitlichen Stufen in der Schallwand, um diese für den Mittel-Hochtonbereich schmaler werden zu lassen, präsentiert sich die 2023er-Ausgabe deutlich eleganter – mit Schallwand und Rückseite komplett verrundeten Gehäusen. Dadurch wirken sie schlanker und gefälliger. Die Fertigung wird dadurch aber keineswegs einfacher, denn derartige Rundungen lassen sich nur mit Einsatz von aufwändigen MDF-Laminaten realisieren, die zudem noch mit großen Hitze-Pressen in die gewünschte Form gebracht werden müssen. Das reproduzierbar hinzubekommen ist vor allem eines: teuer. Einer der wichtigsten Vorteile einer solchen Bauweise ist, dass das Gehäuse ungemein stabil wird und die Gehäusewände kaum mitschwingen. Das gilt erst recht, weil Canton große Materialstärken verwendet – die Dicke der Schallwände übersteigen an einigen Stellen 40 Millimeter. Nicht zuletzt versteift Canton die Gehäuse innen noch aufwändig durch zusätzliche Platten.
Dabei setzt der Hersteller aus Essen gar nicht mal auf fette Klemmen mit viel Metall, sondern auf ein höchst durchdachtes Konzept, das nur so viel Kupfer verwendet, wie für die mechanische Stabilität und Kontaktsicherheit nötig ist. Diesen Metallkern umspritzt WBT dann mit geeigneten Kunststoffen, um eine sichere Befestigung in der Grundplatte und ein sauberes Arbeiten der Schraubklemme sicherzustellen. Sogar über das korrekte Anzugs-Drehmoment der Klemmschraube hat sich WBT Gedanken gemacht: Die Klemme signalisiert mit Klickgeräuschen, wann das korrekte Drehmoment erreicht ist.
Für die Reference-Terminals beließ es Canton nicht dabei, sondern integrierte in dessen Grundplatte – wiederum aus POM hergestellt – auch noch eine Pegelanpassung, die die Höhen – bei der Reference 5 sogar auch noch die unteren Mitten – um 1,5 Dezibel anheben oder absenken kann. Dazu muss der Anwender von Klemmschrauben befestigte Kontaktbrücken umsetzen.
Technik
Etwas Besonderes ließ sich Frank Goebl auch in Sachen Bassreflexöffnungen einfallen: Diese verlegte er nicht nur wieder einmal in den Gehäuseboden, sondern ließ das übliche, ins Gehäuseinnere ragende Rohr schlicht weg. Zur Tieftonabstimmung nutzt er stattdessen den Platz zwischen Gehäuseunterseite und Fußplatte: Erstere ist nach hinten oben angeschrägt. Für den korrekten Abstand zur Bodenplatte und den senkrechten Stand der Boxen sorgen je zwei entsprechend schräg gefräste Formteile, zwischen denen der Schall dann nach außen tritt. Diese sind zudem so gestaltet, dass das Luftvolumen vor und hinter der – genau mittig angeordneten – Bassreflex-Bodenöffnung exakt gleich ist. Aus diesem Grund strahlt der von den beiden Formteilen erzeugte Kanal nach vorn und hinten exakt symmetrisch ab.
Bei gewölbten Boxen-Schallwänden ist es immer ein Problem, die Treiber optisch und akustisch sauber unterzubringen, denn die sind auf eine plane Montagefläche angewiesen. Diese Herausforderung löst Canton bei der neuen Reference-Line auf elegante Art: Die planen Ausfräsungen für die Treiber fallen tiefer aus als für die nackten Treiber eigentlich notwendig. Die dadurch entstehenden scharfen Außenkanten der Fräsungen gleichen die Entwickler mit steckbaren Adapterringen aus, die zudem durch ihre ausgeklügelte Formgebung auch noch als Waveguide arbeiten und somit nicht nur schädliche Diffraktionen unterbinden, sondern die Abstrahlung aktiv formen. Als Material für diese Ringe verwendet Canton POM (Polyoxymetylen), einen Kunststoff, der besonders formstabil ist und eine hohe Steifigkeit aufweist. Damit werden störende Vibrationen ausgezeichnet unterdrückt. Das gilt auch und insbesondere für den Hochtöner, dessen Vorsatz gegenüber früheren Modellen noch einmal deutlich überarbeitet wurde, was seine Wirkungsweise jetzt bis ganz hinunter zur Trennfrequenz zum Mitteltöner erweitert. Dadurch wollen die Entwickler ein homogenes Rundstrahlverhalten ohne die übliche Unstetigkeit an dieser Stelle erreichen.
Gewohnt aufwändig fertigt Canton die hauseigenen Hochton-Kalotten, die aus besonders harter und leichter Aluminiumoxid-Keramik bestehen. Die ersten Resonanzen dieser Membran treten weit oberhalb von 20 Kilohertz auf. Auch die spezielle per Computersimulation optimierte Formgebung der Schwingeinheit trägt zu diesem beachtlichen Ergebnis ihren Teil bei. Bei den Membranen für Basstreiber und Mitteltöner setzt Canton noch einen drauf: Sie werden ebenfalls aus Aluminiumfolie geformt, die dann mit einem speziellen Elektrolyse-Verfahren beidseitig in Keramik umgewandelt wird. Im letzten Schritt wird dem Elektrolysebad noch Metallstaub, der unter anderem Wolfram enthält, zugesetzt. Dieser Staub lagert sich auf und in der Keramik ab und sorgt für die schwarze Farbe dieses Membranmaterials. Bei den je zwei 18-Zentimeter-Tieftönern der Frontboxen Reference 5 ist die Membran als so genannter Vollkonus ausgeführt und aus einem Stück. Beim gleich großen, ganz oben auf der Schallwand untergebrachten Mitteltöner (und bei den Tieftönern beim Reference Center und den Surroundboxen Reference 9) setzt Canton hingegen eine so genannte Nawi-Membran ein, deren Steigung sich über den gesamten Radius ändert und deshalb noch weniger zu Resonanzen neigt. Hier schützt eine zusätzliche Kalotte die Schwingspule vor eindringendem Staub. Allen Tief- und Mitteltönern gemeinsam ist die Wave-Sicke, die über ein lineareres Schwingungsverhalten sorgen soll als die üblichen Gummi- oder Schaumstoffsicken mit halbkreisförmigem Querschnitt.
Auch der Reference Sub hat die neue Bassreflex-Technik im Standfuß. In seinem Fall kommt statt der Bodenöffnung allerdings eine Passivmembran zum Einsatz, die mit 30 Zentimetern den gleichen Durchmesser aufweist wie das angetriebene Chassis, das auf der Front montiert ist. Auf seiner Rückseite sorgt das schon aus anderen Modellen bekannte dreistufige „Room Compensation“-Filter dafür, dass vor allem in kleinen Räumen der Tiefbass nicht überhandnimmt, indem es Frequenzen unterhalb von 40 Hertz dämpft. Durch seine Eingänge für Lautsprecherpegel bietet sich der Reference Sub 12 auch als Ergänzung reiner Stereo-Setups an. Trotzdem bringt er alle fürs Heimkino nötigen Einstellmöglichkeiten mit: Neben Reglern für Pegel und Trennfrequenz hat er auch einen für die Phase an Bord. Nicht zu vergessen seine mit 500 Watt Nennleistung recht kräftige Schaltendstufe. Einen symmetrischen Eingang, insbesondere im Heimkino wegen der meist großen Kabellängen
sehr wünschenswert, kann er hingegen nicht bieten.
So integrieren sich die Treiber optisch viel nahtloser in die gewölbten Fronten und strahlen zugleich deutlich gleichmäßiger auch zu den Seiten hin ab. Das gilt insbesondere für den Waveguide des Hochtöners, der einen so großen Durchmesser bekam, dass er auch bis unterhalb der Trennfrequenz zum Tief- respektive Mitteltöner noch sauber funktioniert. Das Ergebnis: ein nahezu perfektes Rundstrahlverhalten auch und gerade in diesem so kritischen Übernahmebereich. Gibt´s dort nämlich eine Unstetigkeit, wie bei den meisten Lautsprechern, macht sich die allzu oft durch Verfärbungen bemerkbar. Denn auch der Schall, der nicht direkt von den Treibern an die Ohren der Zuhörer gelangt, sondern zunächst von Boden, Decke und Wänden des Hörraumes reflektiert wird, trägt zum Gesamt-Hörergebnis bei. Auch bei der räumlichen Abbildung machen sich Unregelmäßigkeiten im Rundstrahlverhalten schnell bemerkbar, meist in mangelnder Genauigkeit und Stabilität.
Tonqualität Surround
Für ein anerkennendes Nicken des Messtechnikers sorgen die 108 Dezibel Maximalpegel und die 20 Hertz untere Grenzfrequenz, die der Canton-Sub ans Messmikrofon liefert. Ähnlich war dessen Reaktion auf die Frequenzgänge des Sets, die keinerlei Anlass zu Kritik geben – ebenso wie das Rundstrahl-Verhalten des Centers.
Als Dreiwege-Konstruktion wird nur einem der beiden 18-Zentimeter-Treiber des Centers das Mitteltonsignal bis zum Übergang zum Hochtöner anvertraut, der andere ist ausschließlich für die Bassfrequenzen zuständig. Daraus resultiert ein unsymmetrisches Abstrahlverhalten im Mitteltonbereich, das aber zum Glück hier nicht dramatisch ausfällt: Die Einbrüche bei großen Winkeln sind nur recht schmalbandig.
Im Hörraum machte das Canton-Set auf Anhieb mit seinem verfärbungsarmen, neutralen Klangbild Eindruck, wobei damit keinesfalls „charakterlos“ oder „unbeteiligt“ gemeint ist, im Gegenteil: Es spielt immer sehr engagiert und unterstreicht die Eigenschaften des Quellmaterials auf überzeugende Weise. Das kann dann auch mal ins Unangenehme abgleiten, beispielsweise bei Peter Gabriels Live-Version von „Solsbury Hill“, das schon von sich aus etwas quengelig und scharf klingt. Bei guten Mehrkanal-Musikaufnahmen wie Jane Monheit und John Pizarelli bei ihrer Interpretation von Gershwins „They Can´t Take that Away from Me“ klingt das Set sehr fein aufgelöst und trumpft mit eindrucksvoller, stabiler Räumlichkeit auf. Ein gutes Beispiel dafür ist auch „Listen Up“ von und mit Omar Hakim, das selbst bei brutalem Pegel locker, beschwingt und höchst dynamisch ertönt. Und geht es dann mit gemeinen Kino-Scores wie dem von „Ratatouille“ ans Eingemachte, überrollt die Reference-Truppe den Hörer doch geradezu mit völliger Ungerührtheit auch bei heftigsten Pegeln, immenser Bassgewalt und schierer Dynamik. Den Donnerschlag, der Remy und seinen Kumpel vom Dach fegt, muss man erst mal gehört – und verdaut – haben, um das zu glauben. Das Gleiche gilt für die Abschleppwagenszene aus „Terminator – die Erlösung“, hier kracht es an allen Ecken und Enden und die Flugrobots lassen die Magenwände höchst vergnüglich erzittern.
Tonqualität Stereo
Auch im Stereo-Betrieb leisten die Cantons Erstaunliches, Fleetwood Macs Jahrhundert-Album „Rumours“ tönt faszinierend detailliert und erstaunlich dynamisch, obwohl die Aufnahme aus dem Jahr 1977 stammt. Hut ab vor den Toningenieuren, die das mit den damals vergleichsweise begrenzten Mitteln so hinbekommen haben. Klar, mit zwei 18er Tieftönern brauchen die Reference 5 nicht zwingend einen Subwoofer und knallen auch ohne mächtige Bassdrum-Schläge in den Hörraum. Ist die Aufnahme nicht so gelungen, wie beispielsweise bei Adeles Album „25“, decken die Boxen auch übermäßigen Kompressoreinsatz und die Artefakte, die das mit sich bringt, gnadenlos auf. Das Wichtigste dabei aber: Mit den Cantons vergeht auch dann der Spaß an der Musik keineswegs. Und genau das zeichnet gute Lautsprecher aus.
Der Testbericht Canton Reference-Serie (Gesamtwertung: 97, Preis/UVP: 17.800 Euro) ist in audiovision Ausgabe 1-2024 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
Die Neuauflage der Reference-Serie überzeugt mit engagiertem, aber neutralem Klang, der auch bei XXL-Pegeln und satten Bassschlägen immer locker bleibt. Die stabile Raumabbildung tut ihr Übriges, das Set in unsere Referenzklasse zu katapultieren.
Michael Nothnagel