AIA The 12 Be Pro Passive (Test)

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Sie wollen die bestmögliche Klangqualität in Ihrem Heimkino, die Lautsprecher sollen unauffällig in der Wand verschwinden und der Preis spielt keine Rolle? Dann hat der deutsche Hersteller Ascendo genau das richtige Produkt.

Understatement könnte der zweite Firmenname der Heimkino-Abteilung von Ascendo aus dem fränkischen Heilsbronn sein, denn optisch machen die Lautsprecher mit ihren quaderförmigen Gehäusen und den Oberflächen aus schlagfestem Strukturlack nicht sonderlich viel her. Akustisch sieht das allerdings ganz anders aus, wie unsere Tests schon mehrfach unter Beweis gestellt haben.

Offiziell firmiert der Hersteller unter dem Namen „AIA“, was für „Ascendo Immersive Audio“ steht, aber außer auf der Webseite www.aia-cinema.com kaum in Erscheinung tritt. Wir geben es der Korrektheit halber trotzdem an. Die Produkte tragen auf der Front alle das Ascendo-Logo, das gilt auch für die für diesen Test angelieferten Boxen, die mit einem außergewöhnlichen Komplettpreis von knapp 60.000 Euro aufwarten: So stehen für Front, Center und Surrounds die neuen „The 12 Be Pro Passive on Wall“ zur Verfügung, bei denen das „Be“ in der etwas sperrigen Typenbezeichnung auf das auch heutzutage immer noch exotische Membranmaterial
Beryllium hinweist, das im Hochton-Abteil des eingesetzten Koax-Treibers mit 30 Zentimetern Durchmesser Einsatz findet. Exotisch und selten ist Beryllium auch deshalb, weil es selten, teuer und reichlich schwierig zu verarbeiten ist (siehe Kasten), erst recht, wenn man es wie Ascendo für einen Druckkammer-Treiber benötigt, der einen Membrandurchmesser von 75 Millimetern erfordert. Es gibt nicht viele Firmen auf der Welt, die so etwas hinbekommen.

Technik
Das Gehäuse der „The 12 Be Pro“ sieht eigentlich zu klein und mit 20 Zentimetern vor allem zu flach aus, um einen 30-Zentimeter-Bass mit genügend Volumen-Unterstützung zu versehen. Beschränken sich die Entwickler aber auf eine untere Grenzfrequenz von 80 Hertz und legen die Box für eine Montage auf der Rückwand aus, wird wieder ein Schuh draus – und sorgt für einen hohen Wirkungsgrad von 96 Dezibel. Dabei unterstützen in der Nähe der besagten 80 Hertz auch zwei Bassreflexöffnungen, indem sie in diesem Bereich auch den von der Membranrückseite ausgesandten Schall nutz- und hörbar machen. Selbstverständlich die Rückwand nicht zu vergessen, die als Grenzfläche im Tieftonbereich bis zu sechs Dezibel Pegel hinzufügt: Tiefe Töne mit langen Wellenlängen breiten sich ungerichtet kugelförmig aus, was sie bei der Wandmontage nicht können: Hier werden sie nach vorn reflektiert und addieren sich zum Direktschall von der Membran hinzu.

Subwoofer waren schon immer eine Spezialität von AIA bzw. Ascendo, man denke nur an den überdimensionalen SMSG50 (Test in 9-2019), der mit seinem Membrandurchmesser von 127 Zentimetern eine untere Grenzfrequenz von 6,2 Hertz ins Heimkino drücken kann. Apropos: Damit hat Ascendo es nicht bewenden lassen, die bauen doch glatt mit dem „The 80 Pro Passive“ noch was Größeres, nämlich einen Sub mit 80 Zoll-Durchmesser, was 203 Zentimetern entspricht. Damit wollen die Heilsbronner 1 Hertz untere Grenzfrequenz realisieren. Dafür muss man dann wohl gleich ein eigenes Haus bauen.

Um den massiven Treiber in dem fl achen Gehäuse unterzubringen, mussten die Entwickler eine Öffnung für den Magneten in die Rückwand fräsen lassen. Der Platz hinter dem Antrieb reicht gerade so für eine dünne Metallplatte zum luftdichten Verschließen des Gehäuses.

Der komplett selbst entwickelte 18-Zoll-Treiber von Ascendo verfügt über eine Komposit-Membran aus dem Hartschaumstoff Rohacell, der auf beiden Seiten mit Kohlefaser stabilisiert ist.

Membranresonanzen lassen sich aus physikalischen Gründen schlicht nicht vermeiden. Man kann sie aber eindämmen, und zwar auf zwei unterschiedlichen Wegen: Viele Entwickler nutzen beispielsweise für eine Hochtonkalotte Seide, also ein Material, das an sich weich ist, aber eine sehr hohe innere Dämpfung aufweist. Resonanzen treten zwar auf, werden aber in hohem Maße schlicht weggedämpft.

Andere Hersteller geben sich damit aber nicht zufrieden, sondern wollen erst gar keine Membran-Eigenschwingungen im vom Menschen hörbaren Frequenzbereich bis 20 Kilohertz. Dafür muss dann allerdings ein besonders festes, leichtes Material her. Und hier kommt Beryllium ins Spiel, dieses Metall ist in der Tat besonders leicht und fest, war aber lange Zeit auch extrem schwierig zu verarbeiten und deshalb sehr teuer. Membranen mussten unter hohen Temperaturen sozusagen Atom für Atom auf einen Träger aufgedampft werden. Zudem waren so entstandene Kalotten extrem brüchig, eine einzige Berührung konnte sie wie Porzellan zerspringen lassen. Trotzdem haben einige Hersteller wie Yamaha schon seit langer Zeit Beryllium in ihren Lautsprechern eingesetzt.

Die US-Firma Marterion hat aber ein Verfahren entwickelt, bei dem Beryllium zu Pulver zermahlen, gesintert und dann zu einer Folie gerollt wird, aus der dann per Tiefziehen Kalotten hergestellt werden können. Die sind dann bei Weitem nicht so spröde und haben zudem ein nochmals besseres Resonanzverhalten: Auch bei sehr großen Kalotten bis zu 10 Zentimeter Durchmesser, wie sie für Druckkammer-Treiber benötigt werden, brechen erst deutlich oberhalb von 20 Kilohertz in Resonanzen auf. Ziemlich teuer sind sie aber immer noch, Membranen aus den herkömmlichen, viel resonanzanfälligeren Metallen Titan und Aluminium kosten nur einen Bruchteil.

Ascendo setzt bei ihrem Koax eine 75-Millimeter-Kalotte aus Beryllium ein. Die weist die typische stahlgraue Farbe auf und strahlt mit ihrer Innenseite in den Koaxtreiber.

Doppelter Tiefbass
Für das Testset blieben die Ascendo-Entwickler konventioneller, wenn nach normalen Maßstäben auch nicht gerade zurückhaltend: Gleich zwei Subwoofer fanden den Weg zu den Testern, beide mit dem brandneuen 18-Zoll-Treiber ausgestattet. Den hat Ascendo zudem nicht wie bisher aus schon vorhandenen Chassis abgeleitet, sondern von Grund auf selbst entwickelt, inklusive eigenem Korb und Magnetantrieb. Das ist kein ganz preiswerter Spaß, bietet dann aber auch Kontrolle über alle Parameter.

Zum Beispiel auch über die Einbautiefe, die für ein 18-Zoll-Chassis ausnehmend gering ausgefallen ist, bei einem Maximalhub im weit zweistelligen Millimeterbereich wohlgemerkt. So kann auch das dazugehörige Gehäuse sehr fl ach gebaut werden, die beiden Test-Subs, der „The 18-Sub Pro-Passive“ mit einem der Treiber und der „The 18-2 Sub Pro-Passive“ mit gleich zweien, lassen sich dank ihrer Tiefe von gerade einmal 26,5 Zentimetern in üblichen Trockenbauwänden unterbringen, was auch das Entwicklungsziel war. Das gibt es unseres Wissens von keinem anderen Hersteller. Nebeneffekt dieser Bauweise: Das Innenvolumen beider Subs ist auch hier zu klein für die Chassisgröße. Ohne weitere Nachhilfe sind mit diesen physikalischen Gegebenheiten keine tiefen Grenzfrequenzen realisierbar, entsprechend muss eine umfassende Entzerrung her.

Nur gut, dass die Treiber mit je bis zu 2.500 Watt belastbar sind und so auch heftige Anhebungen im Tiefbassbereich locker wegstecken. Und ebenfalls gut, dass der Hersteller gleich noch mit der DSP4-10K4 die passende DSP-Endstufe beigelegt hat, die in einem 19-Zoll-Gehäuse mit zwei Höheneinheiten, also schmalen 89 Millimetern Höhe, viermal 2.500 Watt Leistung zur Verfügung stellt. Ebenfalls vorhanden ist ein DSP, der unter anderem umfangreiche Frequenzweichen-Justagemöglichkeiten und ausgefeilte Limiter-Funktionen mitbringt. Dieses Leistungs-Monster sollte tunlichst in einem getrennten Technikraum seinen Weg ins Rack finden,
denn so viel Leistung auf engstem Raum muss mit Lüftern gekühlt werden, und die sind deutlich hörbar. Aber das ist bei Heimkinos dieser Größenordnung wohl eher eine Selbstverständlichkeit.

Druckkammer-Treiber arbeiten auf der gleichen Basis wie die meisten heute eingesetzten Lautsprecher, nämlich nach dem Tauchspulenprinzip: Ihre Schwingspule ist in einem von einem kräftigen Magnetfeld durchsetzten Luftspalt montiert und quittiert jeden Stromfluss durch die Spule mit einer äquivalenten Bewegung.

Die Membran eines Druckkammer-Treibers arbeitet allerdings nicht einfach in die freie Luft, sondern auf ein winziges Volumen, das nur über einige kleine Öffnungen mit der Außenwelt verbunden ist. Aufgrund dieses Umstands erzeugen schon sehr geringe Membranbewegungen einen sehr hohen Pegel, der Wirkungsgrad wächst um ein Vielfaches. Das erkauft man sich aber mit erhöhter Komplexität. Die übliche Bauweise: Eine Kalotte strahlt mit ihrer Innenseite auf ein ihrer Form angepasstes Metallstück, das in ganz geringem Abstand – in der Größenordnung von einem Millimeter – zu ihr angebracht ist. In dieses Metallstück, den so genannten Phase Plug, sind meist kreisförmige Schlitze eingebracht, die den Schall dann nach außen leiten. Und genau hier liegt eine Kunst des Treiberbaus: Den Abstand zur Membran und die Öffnungen so zu gestalten, dass der Schall möglichst linear und unverzerrt passieren kann, aber trotzdem eine maximale Wirkungsgrad-Anhebung erfährt, ist eine Wissenschaft für sich.

Beim Koaxialtreiber von Ascendo nutzen Tief- und Hochtöner zudem das gleiche Magnetsystem. Die große Beryllium-Kalotte strahlt also durch den Ringmagneten in einen speziell gefrästen hornförmigen Schallverlauf. Dieser wird dann von der entsprechend geformten Tieftöner-Membran fortgesetzt.

Der als Kugelabschnitt geformte Phase Plug des Ascendo-Druckkammertreibers hat vier kreisförmige Schlitze, die den Schall weiterleiten. Der Treiber nutzt den gleichen Antriebsmagneten wie die Tiefton-Abteilung des Koax.

Tonqualität
Per PC-Programm sauber entzerrt, konnten die Subs mit einer unteren Grenzfrequenz von immerhin 17 Hertz aufwarten. Mehr wäre mit entsprechendem Tuning möglich, in unserem Hörraum aber kaum sinnvoll gewesen. Den Maximalpegel konnten wir mit unserem Messwerkzeug nicht ausloten, mehr als 130 Dezibel waren es aber in jedem Fall.

Der Frequenzgang der „The 12 Be Pro“ verläuft kleinteilig unruhig, ist aber insgesamt ausgewogen. Diese für einen Koax dieser Größe normalen Schwankungen sind nur auf der Mess-Achse so groß, etwas seitlich davon werden sie sofort deutlich geringer. Als Center betrieben glänzt die Box mit einem beachtlich breiten und gleichmäßigen Rundstrahlverhalten.

Die tollen Eigenschaften von Beryllium machten sich im Hörtest auf Anhieb bemerkbar: Das Set spielt mit einer selbstverständlichen Lässigkeit und überragenden Homogenität, die jeden angespielten Titel zu einem echten Genuss machen – gleichgültig, wie oft die Tester das jeweilige Stück schon gehört hatten. Dreht sich zum Beispiel Omar Hakims „Listen Up!“ im CD-Player, sitzen die Hörer wirklich mitten in der Band, genau wie der Toningenieur das beabsichtigt hat. Die Raumabbildung ist absolut selbstverständlich und unglaublich stabil. Und das selbst bei Hörpegeln, die andere Lautsprecher schon lange mit Verzerrungen und deutlicher Kompression quittiert hätten. Da sind definitiv nicht die Lautsprecher der begrenzende Faktor, sondern die Ohren der Zuhörer.

Und erst dynamischer Kino-Soundtrack: Fegt der Blitz bei „Ratatouille“ Remy und seinen Rattenkumpel vom Dach, geht der Bassimpuls den Hörern buchstäblich durch Mark und Bein und stattet unterwegs auch Bauchdecke und Magenwänden einen kurzen, aber SEHR eindrücklichen Besuch ab. Dabei bleibt das System völlig unangestrengt, gefühlt könnte man den Pegel immer noch einen Tick höher drehen, ohne an Grenzen zu geraten. Dass man so schnell extrem unvernünftige Lautstärken erreicht, muss man mit sich selbst – und mit seinen Nachbarn – ausmachen.

Die Ascendos können aber keineswegs nur brachial, gepflegter Jazz á la „They Can´t Take That Away From Me“ mit Jane Monheit und John Pizarelli kommt genauso selbstverständlich, natürlich und mit ungemein überzeugender räumlicher Darstellung wie feine Gitarrenarbeit und engagierter Gesang bei Dave Matthews und Tim Reynolds. Und neben aller Dynamik und Detailtreue überzeugt das Ascendo-Set zudem noch mit echter Langzeit-Tauglichkeit, auch stundenlanges Hören ermüdet nicht im Geringsten.

Das zeigt sich auch im Stereo-Bertrieb, der mit den Ascendos nicht nur möglich, sondern definitiv zu empfehlen ist. Keine Spur der etwas gequält wirkenden Verfärbtheit anderer auf Heimkino spezialisierter Lautsprechersets. Dieser Vorzug, der dem Set die Maximal-Punktzahl beim Stereo-Hörtest einbringt, ist gut erkennbar mit Effekt-Artefakten versehenen Aufnahmen wie „Hello“ von Adele, die nicht nur genießbar bleiben, sondern großen Spaß machen – weil die Musik trotz der Aufnahmefehler im Vordergrund bleibt. Und, weil man die Menschen am Mischpult sozusagen hautnah bei der Arbeit beobachten kann.

Der Testbericht AIA The 12 Be Pro Passive (Gesamtwertung: 98, Preis/UVP: 58.200 Euro) ist in audiovision Ausgabe 6-2023 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

98 Sehr gut

Ein Lautsprecherset, das extrem präzise und fein aufgelöst, aber trotzdem völlig unaufdringlich und selbstverständlich klingt – Heimkino-Herz, was willst Du mehr? Außer dem nötigen Kleingeld zum Kauf und entsprechenden Räumlichkeiten, um es sinnvoll aufzustellen, fällt den Testern da nichts ein. Entsprechend hoch fällt unsere Wertung aus.

Michael Nothnagel

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