Polk Audio Reserve (Test)

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Futuristischer Look, solide Technik – so präsentiert sich die neue Reserve-Lautsprecherserie von Polk Audio.

Der amerikanische Hersteller Polk Audio überrascht immer wieder mit neuen, frischen Ideen bei der Entwicklung und dem Bau von Lautsprechern. Und das schon seit der Gründung 1972, was Polk in den USA schnell einen großen Bekanntheitsgrad und beachtliche Markterfolge bescherte. 2006 wurde der Hersteller von der Holding Sound United gekauft und ist somit unter dem gleichen Dach wie Denon, Marantz und etliche andere Hifi-Marken, zu denen seit Kurzem auch Bowers & Wilkins zählen.

Zum Glück achtet man darauf, dass die Marken ihren eigenen (Klang-)Charakter behalten. Das haben unsere Tests der Signature-Sets in den Ausgaben 11-2017 und 9-2019 gezeigt, die unter anderem mit eigenständigen Lösungen in Sachen Bassreflexöffnung aufwarten konnten.

Die Technik
Besagte Bassreflexöffnung gibt es beim gut 3.000 Euro teuren Reserve-Set ebenfalls, und zwar in gleich drei unterschiedlichen Bauweisen. Beim Subwoofer HTS 12 integrierten die Entwickler den so genannten Power Port, bei dem die Bassreflexöffnung im Boden angebracht ist. Bei ihm wird der Schall per gewölbtem Kunststoff-Formteil sanft von der Senkrechten in die Waagerechte umgelenkt, so werden Nebengeräusche stark vermindert.
Eine Weiterentwicklung davon, den Power Port 2.0, setzt Polk bei den Standlautsprechern R600 ein: Hier besteht zum einen das den Schall umlenkende Formteil, in das auch die Standfüße der Lautsprecher integriert sind, aus Aluminium. Zum anderen ersetzt Polk das einfache Bassreflexrohr durch ein ganzes Rohrsystem, das neben der Bassverstärkung auch Gehäuseresonanzen unterdrücken soll. Und nicht zuletzt nutzt der Hersteller beim Center R400 und den Surroundboxen R100 die X-Port-Technologie, die ebenfalls mit einer speziell abgestimmten Rohr-Anordnung einerseits die Basswiedergabe unterstützt, andererseits Gehäuse­resonanzen vermindert. Das soll sogar bis in den unteren Mitteltonbereich hörbare Klangverbesserungen produzieren.

Die Phase lässt sich beim Polk-Sub nur zwischen 0 und 180 Grad umschalten. Dafür bringt er aber einen 12-Volt-Triggereingang mit, über den er sich per Schaltspannung ein- und ausschalten lässt.

In Sachen Chassis haben sich die Entwickler die augenfälligsten Besonderheiten einfallen lassen: Zum einen kommen alle Tieftöner mit dem so genannten „Turbine Cone“, einer Membran, die sieben Erhöhungen auf ihrer Fläche trägt. Deren Form erinnert an die Schaufelräder einer Turbine und soll die mit einem Schaumstoffkern versehene Kunststoffmembran versteifen und Resonanzen verhindern. Die jeweils zwei Tieftöner von Front­boxen und Center haben einen Durchmesser von 16 Zentimetern, die der Surroundlautsprecher sind mit 13 Zentimetern etwas kleiner.

Der extra für die Reserve-Serie angefertigte Hochtöner trägt den Namen „Pinnacle“ (englisch für Spitze) nicht von ungefähr: Der mittig angeordnete Waveguide des Ringstrahlers läuft nämlich nadelspitz zu. Solche Ringstrahler werden in den letzten Jahren mehr und mehr verwendet und können gegenüber herkömmlichen Kalotten mit einer verringerten schwingenden Masse sowie einer besseren Längsführung der Schwingspule aufwarten.

Eine gute, tiefreichende und pegelstarke Basswiedergabe ist mit heute in der Heimkino-Branche oft eingesetzten Kompakt-Gehäusen aus physikalischen Gründen schwer zu erreichen. Viele Hersteller nutzen dafür die so genannte Bassreflex-Technik, bei der der Schallanteil, den die Tieftöner-Membran rückwärtig ins Gehäuse abstrahlt, für die hörbare Wiedergabe genutzt wird. Dafür verwenden die Hersteller in aller Regel ein Rohr, dessen Länge und Durchmesser entscheidet, in welchem Frequenzbereich dort der Schall so herauskommt, das er sich zum von der Membran nach vorn angestrahlten Anteil addiert und nicht auslöscht.

Das innere Rohr des X-Port von Polk sorgt via Helmholtz Resonatoren dafür, dass Gehäuse-Resonanzen nicht nach außen dringen können. Die trichterförmigen Öffnungen des großen Rohres unterdrücken Strömungsgeräusche.

Diese Technik funktioniert bei korrekter Abstimmung recht gut, hat aber, wie nicht anders zu erwarten ist, auch ihre Nachteile. So ist ein Bassreflex-Rohr nur bis zu einer unteren Grenzfrequenz wirksam. Darunter produziert es nur noch starke Luftbewegungen, die keinen Schall erzeugen und zudem wahrnehmbare Störgeräusche produzieren. Außerdem können durch ein Bassreflexrohr auch Gehäuse-Resonanzen nach außen dringen und die Klangqualität beeinträchtigen.

Beide Probleme versucht Polk mit der so genannten X-Port-Technologie zu lösen. Dabei verwendet der Hersteller nicht ein einzelnes Rohr, sondern setzt in dessen Mitte ein zweites, deutlich dünneres, das zudem an bestimmten, genau berechneten Stellen unterbrochen ist. Die Rohrstücke bilden so genannte Helmholtz-Resonatoren und sind so dimensioniert, dass sie exakt auf den Frequenzen der störenden Gehäuseresonanzen schwingen und diese somit schwächen oder sogar komplett auslöschen.

Die tieffrequenten Störgeräusche durch starke Luftbewegungen lassen sich so leider nicht verhindern. Diese versucht Polk auf eher übliche Weise in den Griff zu bekommen, nämlich indem sich Ein- und Auslass der Rohre auf definierte Art und Weise öffnen. So sind die Strömungsübergänge an Innen- und Außenraum – die Hauptquellen der Störgeräusche – nicht abrupt, sondern das Rohr öffnet sich trichterförmig langsam. Die Störgeräusche lassen sich so zwar nicht komplett beseitigen, aber deutlich reduzieren.

Der Subwoofer HTS 12 ist und bleibt etwas stämmig und bietet dem integrierten 30-Zentimeter-Treiber ordentlich Volumen. Außer den üblichen, mit einstellbarem Hochpassfilter versehenen Stereo-Eingängen bietet er auch einen Heimkino-gerechten LFE-Eingang. Darüber angesteuert bestimmt allein der ihn treibende AV-Verstärker die Filterfrequenz und muss sich nicht vom Subwoofer in die Trennung zum Rest des Systems hinein­pfuschen lassen. Die eingebaute Schaltendstufe leistet ordentliche 200 Watt.

Tonqualität Surround
Die reichen dann immerhin für einen Maximalpegel von 106 Dezibel, ein durchaus akzeptabler Wert vor allem bei der recht tiefen unteren Grenzfrequenz von 31 Hertz. Sehr linear und mit nur minimalem Höhenanstieg verlaufen die Frequenzgänge von Front- und Surroundboxen. Der Center spielt erkennbar lauter und weist etwas größere, wenn auch nicht besorgniserregende Unregelmäßigkeiten auf. Sein Rundstrahlverhalten ist im Mitteltonbereich nicht perfekt, unter größeren Winkeln ist ein deutlicher Pegelverlust zu erkennen. Zu weit seitlich von ihm sollte man also nicht sitzen.

Auf dem „Sweet Spot“ in unserem Hörraum glänzt der Polk Center dann allerdings, wie übrigens das gesamte 5.1-Set, mit sehr schön neutraler, luftiger Wiedergabe, die Filmdialoge kommen bestens verständlich und locker. So werden auch Filme ohne Dauerexplosionen zum großen Vergnügen – die Fans von Krimis und Komödien nehmen das dankbar zur Kenntnis.

Die Polk-Boxen sind jedoch keineswegs Kinder von Traurigkeit: Den Abschleppwagen in „Terminator – Die Erlösung“ lassen sie dynamisch in die Auto­wracks und Motorrad-Roboter krachen, Schüsse und Explosionen melden sich mit Nachdruck in den Magengruben. Auch höhere Pegel sind mit dem Set gar kein Problem.
Noch mehr beeindruckt allerdings die unverfärbte Spielweise der Amerikaner, zum Beispiel wenn Musik-Scheiben im Blu-ray-Spieler rotieren. Verdammt gut, wie das Set Totos „Live At Montreux“ in den Raum wuchtet: Es zeigt das gesamte Können der Band mit all ihrer Dynamik und den überbordenden Details. Auch mit ruhigeren Stücken wie „They Can´t Take That Away From Me“ von Jane Monheit und John Pizarelli punkten die Polks mit präziser, räumlich definierter und emotional engagierter Wiedergabe.

Tonqualität Stereo
Auf einen Subwoofer verzichten die R600 im Stereo­betrieb, ohne mit der Wimper zu zucken. Ihre Tieftonwiedergabe beeindruckt durch Präzision und – auf Wunsch – satte Pegel. Da scheint sich die spezielle Bassreflextechnik auszuzahlen. Bonnie Raitt sortieren die Standboxen bei ihrem „Nick Of Time“ überzeugend zwischen den Bandinstrumenten im Raum ein und verleihen ihrer Stimme glaubwürdig das bekannte rauchige Timbre.

Der Testbericht Polk Audio Reserve (Gesamtwertung: 82, Preis/UVP: 3250 Euro) ist in audiovision Ausgabe 9-2021 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

82 sehr gut

Die außergewöhnliche Optik des Polk-Sets ist sicher Geschmackssache. Der neutrale, präzise und überzeugend engagierte Klang, den das Set unter Beweis stellte, aber definitiv nicht.

Michael Nothnagel

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