Nubert NuVero 170-Set (Test)

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Mit dem gut 11.000 Euro teuren NuVero 170-Set hält Nubert endgültig Einzug in die Klasse der audiophilen Lautsprecher-Boliden. Und legt die Messlatte in Sachen Aufwand und Klang nochmal höher.

Nubert hatte mit der NuVero-Serie 2009 einen Paradigmenwechsel in mehrfacher Hinsicht vollzogen. Vorher war der schwäbische Hersteller vor allem für sein Angebot an Lautsprechern mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt – also viel Box für wenig Geld. Zudem konstruierte die Entwicklungs-abteilung aus Überzeugung ausschließlich Zwei-Wege-Boxen. Die NuVero-Serie änderte beides. Denn mit ihr wollten Firmengründer Günther Nubert und sein Team zeigen, was ohne monetäre Restriktionen technisch und klanglich möglich ist.

Viele Anschlüsse, aber nur Pegel-Tasten als Bedienelemente sind auf der Rückseite des Nubert-Subwoofers AW-17 zu finden.

Auch die selbstauferlegte Beschränkung auf zwei Lautsprecher-Wege endete hier. Die Entwickler hatten bisher wegen bei Drei- und Mehrwege-Lautsprechern aus ihrer Sicht deutlich hörbaren Verfärbungen durch die Zeitverzögerungen, die Mehrwege-Frequenzweichen in den Übergangsbereichen verursachen, verzichtet. Die Vermeidung dieser Laufzeitfehler war bis dato nur per Digitaltechnik möglich, was Aktivtechnik samt integrierten DSPs im Lautsprecher voraussetzt. Günther Nubert ließ das keine Ruhe, er entwickelte ein bislang für unmöglich gehaltenes passives Filter (und meldete es zum Patent an), das diese Laufzeit- und Phasenprobleme drastisch reduziert. Voilá – die NuVero-Serie mit ihren Drei-Wege-Lautsprechern war geboren. Sie bekam 2015 zudem ein Update, in dem nochmals hochwertigere Treiber und eine daran angepasste Weichenabstimmung zum Einsatz kamen.

Nubert nutzt für den Hochmitteltonbereich der NuVero-Serie ein recht neues Lautsprecherprinzip, das sich noch nicht breit durchgesetzt hat: Es nennt sich BMR – kurz für Balanced Mode Radiator. Im Gegensatz zu herkömmlichen Chassis soll seine Membran in ihrem Arbeitsbereich nicht kolbenförmig strahlen, sondern so viele – möglichst gleichmäßig verteilte – Resonanzen wie möglich aufweisen. Diese Resonanzen verursachen dann über die Membran verteilte, örtlich begrenzte, sogenannte Biegeschwingungen, die als einzelne Schallquellen wirken. Die schwingenden Bereiche werden mit zunehmender Frequenz kleiner, aber auch zahlreicher.

Der Erfinder dieser Schallwandler-Variante nennt diese Betriebsart „Distributed Mode“. Insbesondere für den Nubert-Einsatz nützlicher Nebeneffekt der im Vergleich zur Membrangröße kleinen Schallquellen ist das bis zu hohen Frequenzen breite Rundstrahlverhalten. Die Frequenz, ab der eine Schallquelle anfängt, Schall gerichtet abzustrahlen, ist hauptsächlich von deren Abmessungen abhängig: Je größer die Quelle, desto früher beginnt die Richtwirkung.

Den BMR-Treiber lässt Nubert exklusiv für sich fertigen. Er wird als Mitteltöner eingesetzt und arbeitet dort im so genannten Distributed Mode.

Zu tiefen Tönen hin ist der Distributed Mode mit normalen Membrangrößen nicht möglich. Deshalb arbeiten die BMR-Chassis hier wie normale Kolbenschwinger. Darauf basiert die Bezeichnung „Balanced Mode Radiator“, denn der Kolben-Modus muss mit dem Distributed Mode abgestimmt werden, damit keine hör- und messbaren Übergänge zu Verfärbungen führen.
Das von Nubert eingesetzte, im Übrigen speziell für den deutschen Hersteller angepasste 5-Zentimeter-Chassis weist zwischen 300 Hertz und 20 Kilohertz einen bemerkenswert glatten Frequenzverlauf auf – erstaunlich, dass das mit einem so einfach aufgebauten Biegewellenstrahler überhaupt möglich ist. Nubert nutzt allerdings nur den Bereich, den die Chassis nach Meinung der Entwickler am besten können: nämlich die Region zwischen 450 Hertz und 2 Kilohertz.

Trotzdem blieb immer die bohrende Frage: Geht da nicht irgendwie noch mehr? Und es ging, wie das neue Flaggschiff, die NuVero 170 zeigt. Insgesamt acht verbaute Treiber in einer Vier-Wege-Konstruktion in einem 170 Zentimeter hohen 71 Kilogramm schweren Gehäuse: Schon diese Eck-daten zeigen, wohin die Reise gehen soll: ins Reich der audiophilen Lautsprecher-Boliden, wo sich die neue Nubert mit illusteren Mitbewerbern befassen muss. Einen beachtlichen Unterschied zur Konkurrenz können die Schwaben für sich ins Feld führen: den Preis. Für sich betrachtet sind die 3.700 Euro, die Nubert pro Stück aufruft, zwar kein Schnäppchen, im Vergleich zur nicht selten fünfstelligen Konkurrenz aber geradezu ein Sonderangebot. Für 4.450 Euro bekommt man das gute Stück als Exclusiv-Version „Diamants“ mit lackierter Front und Kunstlederbezug über dem hinteren Korpus.

Drei mit hochwertigsten Bauteilen bestücke Platinen nimmt die Frequenzweiche der NuVero 170 in Anspruch.

Innovative Technik

Der preisliche Unterschied zur High-End-Konkurrenz liegt keineswegs am mangelnden Aufwand: Der in dreifacher Ausführung eingebaute Tieftöner mit seinen 22 Zentimeter Durchmesser beispielsweise wurde speziell für die NuVero 170 entwickelt. Er ist mit einer Glasfaser-Sandwichmembran, einem ausgefeilten Aluminium-Druckgusskorb und einem voluminösen Doppel-Magnetsystem ausgerüstet. Mit mehr als 30 Millimeter Gesamthub prädestiniert er sich für eine tiefe untere Grenzfrequenz, insbesondere, wenn er wie hier in dreifacher Ausfertigung spielen darf. Die von den Membranen ins Gehäuse zurückgestrahlte Bassenergie wird über zwei Bassreflexöffnungen auf der Rückseite akustisch nutzbar gemacht. Zwei der Tieftöner sind auf der Front ganz unten angebracht, der dritte ganz oben.

Seit geraumer Zeit bietet Nubert nicht nur Lautsprecher an, sondern auch die zum Betrieb notwendige Elektronik, wie zum Beispiel Endstufen. Einen besonderen Namen haben sich die Schwaben mit ihren ATM-Modulen gemacht, eine Abkürzung für Aktive Tuning Module. Sie lassen sich in den Signalweg im Verstärker einschleifen, entweder zwischen Vor- und Endstufe oder – heutzutage nicht mehr so häufig anzutreffen – in die Wiedergabeschleife für Recorder. Diese Module bewirken zweierlei: Zum einen erweitern sie die Basswiedergabe zu tiefen Frequenzen hin, indem sie den Frequenzgang kurz vor dem Punkt, an dem der Frequenzgang der Box abfällt, anhebt. Um übermäßige Tieftöner-Auslenkungen zu unterbinden, lässt das Modul den Frequenzgang unterhalb davon steil­flankig abfallen. Das Ergebnis: Die untere Grenzfrequenz der Box verschiebt sich merklich nach unten, mit tieferer Basswiedergabe, ohne dass Verzerrungen im Bass merklich ansteigen. Die Box wird dadurch sozusagen virtuell größer gemacht.

Mit einem speziell ausgelegten ATM-Modul lässt sich auch der Frequenzgang der NuVero 170 nach unten erweitern. Der Mittel-Hochtonregler sorgt für eine flexible Klanganpassung an Raum, Aufnahme oder Geschmack. Preislich liegen die Module zwischen 200 und 300 Euro.

Da die korrekte Frequenz, ab der das Filter wirksam ist, vom Boxentyp abhängt, bietet Nubert ein solches Modul maßgeschneidert für viele hauseigene Boxen­typen an. Auch zwei universelle Module – eines für Standboxen, eines für Regalboxen – sind lieferbar.
Der zweite Regler an den Modulen ist für eine dosierte Absenkung oder Anhebung des gesamten Mittel- und Hochtonbereichs zuständig. Das ist insbesondere deshalb nützlich, weil die früher überall anzutreffenden Klangregler heute aus so gut wie allen Verstärkern verbannt wurden. Mit einem ATM-Modul lässt sich somit der Mittel-Hochtonbereich in weiten Grenzen an Raum, Aufnahme und Geschmack anpassen.

Die Fernbedienung des Nubert-Subwoofers ist zwar nur ein Scheckkarten-Modell, geriet aber trotzdem übersichtlich und gut bedienbar. Über sie sind alle Funktionen des Subs einstellbar.

Zusammen mit den Tiefmitteltönern, Hochmitteltönern und dem Hochtöner bilden die Chassis eine sogenannte Dreifach-D´Appolito-Anordnung. Der Hochtöner sitzt dabei in der Mitte, oberhalb und unterhalb folgen dann so nahe wie möglich die Hochmitteltöner. Hieran schließen sich dann unmittelbar die Tiefmitteltöner an. Insbesondere, wenn die Trennfrequenzen wie bei Nubert zwischen den Wegen niedrig bleiben – die Tieftöner spielen bis 160 Hertz, die Tiefmitteltöner bis 450 Hertz und die Hochmitteltöner übergeben bei 2.000 Hertz an den Hochtöner –  sorgt diese Bauweise für ein vertikal definiertes Abstrahlverhalten, das den Schall hauptsächlich nach vorn konzentriert und zu Decke und Boden nur wenig gelangen lässt. Als Tiefmitteltöner setzt Nubert 15-Zentimeter-Treiber ein, die ähnlich aufgebaut sind wie die Tieftöner. Die PMR-Hochmitteltöner besitzen eine 5-Zentimeter-Flachmembran und der Hochtöner strahlt über eine Seidenkalotte mit 26 Millimeter Durchmesser ab.

Die Membranen von Mittel- und Hochtöner sitzen nicht konzentrisch auf dem Anschlussflansch, sondern sind deutlich zur Seite verschoben. So kann Nubert die Chassis optisch gefällig mittig auf der Schallwand montieren, die Membranen selbst aber weisen zu den Seitenkanten des Gehäuses nach links und rechts unterschiedliche Abstände auf. Die unvermeidlichen Kanten-Diffraktionen werden so über einen weiteren Frequenzbereich gespreizt und beeinträchtigen den Wohlklang dadurch kaum. Die Frequenzweiche geriet extrem aufwändig und verteilt sich auf insgesamt drei Platinen, auf denen ausschließlich hochwertigste Bauteile verwendet werden.

Mit den drei Schaltern am Bedienfeld lassen sich Bässe, Mitten und Höhen getrennt an Raumakustik, Platzierung im Raum und Hörgeschmack anpassen.

Das 170er Heimkino-Set wird komplettiert durch den Center NuVero 70, die Surrounds NuVero 50 und den Subwoofer NuVero AW-17. Ersterer hat die gleiche Chassis-Bestückung wie der Mittel-Hochtonteil der NuVero 170, also zwei 15-Zentimeter-Tieftöner außen, zwei PMR-Mitteltöner weiter innen und zentral die 26-Millimeter-Kalotte. Zwar spielt man mit dem Gedanken, einen zu 100 Prozent passenden Center für die NuVero 170 zu entwickeln, doch derzeit liegt der Fokus auf anderen Produktbereichen, wie uns Nubert-Manager Roland Spiegler auf der diesjährigen High End mitteilte. Der einzige Zweiwegerich im Set, die NuVero 50, ist für eine direkte Wand- oder Deckenmontage eingerichtet und bringt einen entsprechenden Montagebügel mit. Bei ihm nehmen zwei 15er-Tieftöner den Kalottenhochtöner in die Mitte.

Der Subwoofer nuVero AW-17 ist ein alter Bekannter, er hat schon mehrfach seine Qualitäten unter Beweis gestellt.

Tonqualität Surround

Auch diesmal überzeugte er mit einer unteren Grenzfrequenz von 20 Hertz und einem Maximal-pegel von 111 Dezibel. Die NuVero 170 reicht zwar nicht ganz so weit in den Basskeller, bis unter 30 Hertz zeigt aber auch sie Einsatzbereitschaft. Wie bei Nubert schon gewohnt, lassen die Frequenz-gänge wenig Wünsche offen. Sie zeigen keinerlei nennenswerte Einbrüche oder Spitzen. Der Wirkungsgrad ist mit etwa 84 Dezibel nicht übermäßig hoch und sorgt dafür, dass sie auf Verstärker mit ordentlich Leistung angewiesen sind. Der Center zeigt dank eng beieinander montierter Mittel- und Hochtonchassis nur unwesentliche Einbrüche unter höheren Winkeln.

Klar, die Spannung vor dem Hörtest war groß, hatte doch bereits das „kleine“ NuVero-Set 140 die Klang-Messlatte extrem hoch gelegt. Die 170er musizieren aber noch etwas besser: Bei „Away From The Sun“ von 3 Doors Down legen sie nicht nur eine atemberaubende Dynamik an den Tag und knallen Bassdrum und E-Bass urgewaltig in den Raum, sie tun dies mit einer Unbekümmertheit und Selbstverständlichkeit, die Ihresgleichen sucht. Besonders deutlich wird dies bei „Listen Up!“ von Omar Hakim, bei dem das Set neben Dynamik und Basskraft auch seine extrem präzise und dreidimensionale Räumlichkeit unter Beweis stellt. Man sitzt hier wirklich mitten in der Band und kann die Instrumente beinahe anfassen. Richtig rund geht´s auch bei Totos „Live at Montreux“, wo die Nuberts selbst echte Live-Pegel völlig unbeeindruckt mitgehen und die Performance der genialen Musiker traumhaft sicher und präzise in den Hörraum spielen. Da erwischt man sich unwillkürlich dabei, immer wieder neue Details im Spiel der Profis aus Los Angeles zu entdecken.

Nichts für schreckhafte Gemüter ist die Blitzschlagszene aus „Ratatouille“, erst recht, wenn diese Nubert-Kombi sie darbietet: Auch erfahrene Hörtester zucken ob der auf den ganzen Körper wirkenden Urgewalt, die die NuVeros entfesseln, zusammen. Ein Erlebnis ist ebenfalls „Terminator – die Erlösung“, und zwar keinesfalls nur wegen der krachenden Explosionen. Dieses homogene, sehr weiträumige und wie aus einem Guss wirkende Klangbild muss man gehört haben, um es zu glauben und zu verstehen. Da mag man gar nicht aufhören, eine Scheibe nach der anderen in den Blu-ray-Player zu befördern.

Tonqualität Stereo

Nein, einen Subwoofer brauchen die NuVero 170 im Stereo-Betrieb wirklich nicht, sie spielen den Tieftonbereich so souverän, präzise und tief, das der AW-17 nicht im Geringsten vermisst wird. So zum Beispiel mit „Railway Tracks“ von John Illsley, das hundertprozentig griffig und stabil im Raum stand. Richtig Spaß macht auch „Jazz at the Pawnshop“, bei dem die räumlichen Fähigkeiten der Nuberts so richtig glänzen konnten: Instrumente wie auch Publikums-Atmosphäre stellen sie ungemein authentisch und glaubwürdig dar.         

       

Der Testbericht Nubert NuVero 170-Set (Gesamtwertung: 96, Preis/UVP: 11300 Euro) ist in audiovision Ausgabe 9-2019 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

96 sehr gut

Voller Respekt müssen wir konstatieren: Nubert hat es geschafft. Die Performance des NuVero 170-Sets ist dank der genialen Frontlautsprecher-Boliden noch besser als die des bereits in unserer Referenzklasse spielenden 140er Sets.
Michael Nothnagel

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