Modern-urbane und konservativländliche Aspekte will Canton mit seiner neuen Townus-Lautsprecherserie unter einen Hut bekommen. Wir sind gespannt, wie dieser außergewöhnliche Spagat klingt.
Dass ein so traditionsbewusster und eher konservativer Lautsprecher-Hersteller wie Canton mit einem Namen wie „Townus“ für eine Boxenserie um die Ecke kommt, lässt zunächst einmal die Augenbrauen erstaunt in die Höhe schnellen – und zaubert dann ein anerkennendes Schmunzeln aufs Gesicht. Ist doch die Wortmischung aus „Town“ und „Taunus“ durchaus gelungen. Die Serie soll das Modern-Urbane mit ländlicher Bodenständigkeit – Canton ist mitten im Taunus ansässig – verbinden. Die Namensgebung ist auch aus einem anderen Grund konsequent: Der hessische Boxenbauer unterzieht sich derzeit einem Marken-Relaunch mit neuem Corporate Design, verjüngtem Internet-Auftritt und koordiniertem Marketing. Da passt Townus ins Bild.
Modern und urban? Check! Die Townus-Gehäuse gibt es wahlweise in Hochglanz- Schwarz, Seidenmatt-Weiß und Nussbaum-Furnier. Canton fertigt sie aufwändig, nämlich ohne sichtbare Fugen und mit sauber abgerundeten Längskanten, die vor allem der Stand-Frontbox Townus 90 ein schlankes, elegantes Auftreten verleihen. Zur schicken Optik trägt sicher auch bei, dass keine Chassis-Befestigungsschrauben das Auge stören, Alu-Abdeckringe verhindern das rundum. Wem die Townus-Speaker trotzdem noch zu technisch aussehen, der kann zu den oben und unten mit einer Rundung versehenen Stoffabdeckungen greifen, die bei allen Boxen mitgeliefert werden.
die Bassfrequenzen in Richtung Boden abstrahlen zu lassen. Bei Subwoofern nennt man diese Vorgehensweise „Downfiring“, mittlerweile wird diese Technik auch bei Standboxen eingesetzt. Hier verpflanzen die Entwickler aber in aller Regel nicht den Treiber selbst nach unten, wie bei vielen Subs, sondern die Bassreflexöffnung.
Die Auswirkungen sind bei beiden Bauweisen die gleichen: Zum einen ist durch die Bodennähe der Membran, respektive des Bassreflexrohrs, die akustische Ankopplung besonders effektiv, weil an den Grenzflächen eines Raumes der Schalldruck sämtlicher Raummoden maximal ist. Diese Moden werden dadurch besonders und gleichmäßig angeregt, was Voraussetzung für eine gute Basswiedergabe ist. Zum anderen haben die Entwickler die Entfernung zur Grenzfläche unter Kontrolle und können die Abstimmung der Box daraufhin ausrichten. Zudem verlieren die Abstände der Lautsprecher von Seiten- und Rückwand an Bedeutung und haben weniger Einfluss auf die Basswiedergabe.
Nicht zuletzt haben die Volumen-Unterseite und der Fußboden Einfluss, denn sie verlängern sozusagen das Bassreflexrohr. Beides muss in die Abstimmung mit eingehen. Und nicht zuletzt tritt durch dieses Volumen auch ein mehr oder weniger starker Druckkammer-Effekt auf, der die Ankopplung an den Raum verbessert und die Bewegungen der Membran kontrolliert.
Canton setzt nicht nur bei den Frontboxen der Townus-Serie, sondern auch beim Subwoofer das Downfi ring-Prinzip ein. Bei Letzterem kommt kein Bassrefl exrohr zum Einsatz, sondern eine im Gehäuseboden untergebrachte Passivmembran.
Technik
Bodenständig? Ebenfalls Check! In Sachen Chassis-Technologie schöpft Canton aus einem reichen Fundus, den man seit Jahren aufgebaut und verfeinert hat. Die neue Serie zielt auf die Mittelklasse, ist zwischen der Einsteiger-Serie GLE und der Vento-Reihe einzuordnen und soll die Chrono-Line ersetzen. Trotzdem griffen die Entwickler auf Elemente der vorherigen Vento-Generation zurück.
So setzt Canton für die Membranen der Tiefund Mitteltöner eine Doppelmembran aus Titan ein. Bei den je zwei 18-Zentimeter-Tieftönern der Townus 90 ist die vordere, sichtbare Komponente aus einem Stück, ohne mittige Öffnung für eine Staubschutzkalotte, gefertigt. Dort hinten aufgeklebt ist die zweite Membran, an der auch die Schwingspule befestigt ist. Diese Bauweise macht die Membran besonders steif und lässt kaum Resonanzen zu. Der ganz oben auf der Schallwand angeordnete Mitteltöner ist ebenfalls 18 Zentimeter groß und strahlt mit Hilfe einer Titan-Membran Schall ab. Die ist allerdings nur einlagig aufgebaut und trägt eine konkave Staubschutzkalotte in ihrem Zentrum. Dank der besonderen Steifigkeit von Titan und ihrer per Computersimulation optimierten Form bricht sie erst weit oberhalb ihres genutzten Frequenzbereichs – der reicht bis 3 Kilohertz – in Resonanzen auf. Den gleichen Treiber setzt Canton auch als Tiefmitteltöner in der Surroundbox Townus 30 und in einer 16-Zentimeter-Version im Townus 50 Center ein, hier sogar in zweifacher Ausführung.
Als einer von wenigen Herstellern leistet sich Canton den Aufwand, Hochtöner-Kalotten aus Keramik zu fertigen. Aluminium als Grundstoff verfeinert Canton mit Hilfe eines aufwändigen Elektrolyseverfahrens zu steifem und hartem, dabei aber leichtgewichtigem Aluminiumoxid, das erst weit oberhalb von 20 Kilohertz Resonanzen zeigt. Auch die spezielle Formgebung, wiederum per Computersimulation optimiert, trägt zu diesem Ergebnis bei. Die Schwingspule des Hochtontreibers ist unterhängig ausgelegt, also kürzer als der eng ausgelegte Luftspalt und trägt so immer in voller Länge zum Antrieb bei. Ein kräftiger Ferrit-Doppelmagnet sorgt für ordentlich Wirkungsgrad trotz Unterhang-Technik. Der als Waveguide gestaltete Montageflansch rundet das geballte Technik-Paket des Hochtöners ab, verbessert den Wirkungsgrad unterhalb von 10 Kilohertz kräftig und sorgt nebenbei für ein kontrollierteres Abstrahlverhalten.
Als Canton-typisch muss man die Bauweise des Townus Sub 12 bezeichnen: Vorn im Gehäuse sitzt ein 30-Zentimeter-Treiber mit kräftigem Antrieb und Metall-Membran – in diesem Fall Titan. Dessen rückwärtiger Schall verpufft nicht einfach im Gehäuse, sondern wird per Bassreflex-Technik nach außen gebracht. Dafür ist beim Canton keine einfache Röhre zuständig, sondern eine im Gehäuseboden untergebrachte Passivmembran (siehe Kasten). Sie durchmisst ebenfalls 30 Zentimeter, ist aber nicht konusförmig, sondern absolut flach gestaltet und extrem steif. Vier stabile Füße sorgen für sicheren Stand und korrekte Distanz zum Fußboden.
Durch seine Eingänge auf Lautsprecherpegel bietet sich der Townus Sub 12 auch für Stereo- Setups an – heutzutage eher selten. Was den Sub aber nicht daran hindert, auch alle fürs Heimkino nötigen Einstellmöglichkeiten mitzubringen: Neben Pegel und Trennfrequenz lässt sich auch seine Phase stufenlos einstellen. Zudem sorgt ein dreistufiges „Room Compensation“-Filter, das unter 40 Hertz wirksam ist, dafür, dass gerade in kleinen Räumen der Tiefbass nicht überhandnimmt. Mit 250 Watt ist die eingebaute Digitalendstufe ausreichend dimensioniert.
war schon immer so etwas wie der heilige Gral bei der Lautsprecherentwicklung. Betrachtet man allein Chassis und Gehäuse, erlaubt die Physik hier keine sonderlich großen Spielräume: Es sind immer eine große Membranfläche und riesige Volumina nötig, um in den untersten Oktaven nennenswert Schalldruck zu erzeugen. Da hilft auch der in den letzten Jahren immer weiter vergrößerte Maximalhub der Basstreiber nur bedingt, weil der quadratisch in die Wiedergabe eingeht. Will man die untere Grenzfrequenz eines Lautsprechers von 80 Hertz auf 40 Hertz halbieren, benötigt man dafür den vierfachen Membranhub.
Um trotz dieser Beschränkungen möglichst viel Bass aus einer Box herauszuholen, ohne Chassisgröße oder Gehäusevolumen zu verändern, lassen sich auch elektronische Maßnahmen ergreifen. Am einfachsten ginge das aktiv mit Verstärkerelektronik im Gehäuse.
Canton hat aber auch passiv eine Lösung für dieses Problem gefunden, nämlich die bei der Townus 90 eingesetzte so genannte DC-Technik. DC steht hier nicht für Gleichstrom, sondern für „Displacement Control“,
also Auslenkungs-Kontrolle. Dazu setzt der Hersteller in der Passivweiche ein aus normalen Spulen und Kondensatoren bestehendes Filter ein, das einerseits die Wiedergabe im bei der Box realistisch nutzbaren Bereich verstärkt, darunter dann aber kräftig absenkt. Das hat zur Folge, dass die Box an ihrem unteren Bereichsende mehr Schall produziert als ungefi ltert und trotzdem erheblich geringere Maximalhübe ausführen muss. Um diesen Trick zu realisieren, nutzt Canton die typischen Resonanz-Berge im Impedanzverlauf einer Bassreflex-Box aus und erreicht als nützlichen Nebeneffekt sogar noch, dass sich dieser verstärkerfreundlich linearisiert und die Tiefpass-Trennung des Basstreibers zum Mitteltöner erheblich vereinfacht.
Tonqualität Surround
Das lässt sich unter anderem an den stattlichen 108 Dezibel Maximalpegel erkennen, die lautstarke Heimkino-Bassgewitter versprechen. Unterstützt wird diese Zusage durch eine untere Grenzfrequenz von 25 Hertz. Wieder einmal vorbildlich linear haben Canton-Chefentwickler Frank Göbl und sein Team die Frequenzgänge ihrer Lautsprecher hinbekommen. Insbesondere den sensiblen Mitteltonbereich präsentieren die Townus-Boxen mit nur minimalen Schlenkern. Der Pegel des Subs zeigt sich bis zu dessen Grenzfrequenz ebenfalls linear und fällt darunter steil ab – ein Hinweis auf ein hier einsetzendes Subsonicfi lter, das Basstreiber und Passivmembran vor zu hoher Auslenkung schützt.
Als 2,5-Wege-Konstruktion wird nur einem der beiden Tieftöner des Centers das Mitteltonsignal bis zum Übergang zum Hochtöner anvertraut. Der andere ist nur für die Bassfrequenzen zuständig. Daraus resultiert ein unsymmetrisches Abstrahlverhalten im Mitteltonbereich, das aber nicht dramatisch ausfällt: Die Einbrüche bei großen Winkeln sind recht schmalbandig. Beim Klang machen sich die ruhigen Frequenzverläufe im Mitteltonbereich mit einer ausgesprochen natürlichen, wenig verfärbten Wiedergabe bemerkbar. Das Set spielt zudem ausnehmend temperamentvoll und impulsiv, wie beim Blitzschlag in „Ratatouille“, der Ratte Remy und seinen Kumpanen erschreckend realistisch vom Dach fegt. Auch die Flugroboter aus „Terminator – die Erlösung“ lässt es vehement in die Autowracks krachen, selbst wenn der Wiedergabepegel in nachbarschaftsschädigende Regionen vorstößt. Auch der Subwoofer hat hier wenig Probleme und gerät erst bei wahrlich unvernünftigen Lautstärken in die Kompression.
Bei zahmerer Gangart hat das Canton-Set ebenfalls alle Argumente auf seiner Seite: „Crash Into Me“ von Dave Matthews und Tim Reynolds bringt es schön luftig, aber knackscharf defi niert und sauber abgebildet. Noch überzeugender ist die Vorstellung der San Francisco Symphony mit dem „Appalachian Spring“, bei dem es die Instrumente fein säuberlich und detailliert hörbar macht und penibel auf ihre Plätze stellt. Mit Stimmen kommt es ebenfalls richtig gut klar, Jane Monheit lässt es bei „They Can´t Take That Away from Me“ mit Stimmgefühl und Virtuosität glänzen und stellt sie höchst stabil in den Raum.
Tonqualität Stereo
Hohe Lautsprecher-Klangqualität kann auch gemein sein: So legen die Townus 90 gnadenlos die eher mittelmäßige Einspielung von Marc Cohns „Walking In Memphis“ bloß, die schlicht zu aggressiv und dünn ausfällt. Bei besseren Aufnahmen stellt sich dagegen sofort wieder Klanggenuss ein, beispielsweise, wenn Joe Bonamassa die „Different Shades Of Blue“ besingt. Die Stimme erklingt nuanciert und warm, die Gitarren perlend und präsent und die Bassdrum knackig und voluminös – auch mit deaktiviertem Sub, den die Standboxen bei derartigem Material schlicht nicht nötig haben.
AV-Fazit
Cantons neue Townus-Serie begeistert mit lebendigem, präzisem und sehr luftigem Klang. Da ist der Einzug in die Referenzklasse mit 91 Punkten mehr als verdient.
Michael Nothnagel