Canton GLE 90-Set (Test)

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Die Brot- und Butter-Baureihe von Canton, die GLE-Serie, kommt in neuer Generation und mit neuer Technik. Da darf man gespannt sein.

Die GLE-Serie ist bei Canton mit am längsten im Programm. Preislich in der unteren Mitteklasse angesiedelt, haben die Boxen dieser Serie schon traditionell ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis. Bekannte Zutaten dafür sind auch bei den aktuellen Vertretern eher einfach wirkende Gehäuse, die mit sauber verarbeiteten, aber mit Kunststoff-Folie belegten Oberflächen die Kosten gering halten. Auf den Klang hat das natürlich zunächst einmal keinerlei Auswirkungen. Zumal die Verarbeitung durchaus professionell ausfällt, die Lautsprecher also keineswegs billig wirken. Kostensenkend wirkt ebenfalls die Beschränkung der zur Auswahl stehenden Farben auf mattschwarz und mattweiß. Eine optische Aufwertung erfahren die GLE-Schallwandler zudem durch die lackierte Schallwand, die die Ansicht von vorn noch gefälliger wirken lässt. Verstärkt wird dieser Effekt durch das Fehlen von Befestigungsöffnungen für eine Frontbespannung: Die dockt jetzt auch bei der GLE-Serie über versenkte Magnete an der Front an und hinterlässt bei Nichtverwenden eine vollständig glatte Fläche ohne optische Unterbrechungen.

Technik
Schon seit Längerem vollzieht Canton in Sachen Treiber-Entwicklung Technologie-Transfer von den Top-Serien hin zu den preiswerteren Baureihen der nächsten Generationen. So halten in der GLE-Serie jetzt Membranen aus einer besonders steifen Titan-Aluminium-Legierung Einzug, deren Form der Hersteller mit Hilfe von teils selbst entwickelten Computerprogrammen so optimierte, dass die erste Membranresonanz so weit nach oben wanderte, dass sie außerhalb des nutzbaren Treiber-Frequenzbereichs zu liegen kommt. Zudem sorgen Material und Gestaltung der Membran für eine gute Dämpfung dieser Resonanz, so dass sie sich nicht über Intermodulationseffekte wieder zurück in den Nutz-Frequenzbereich „zurückschleichen“ kann.

Die beiden 19-Zentimeter-Basschassis der Frontboxen GLE 90 (die Flaggschiffe der GLE-Serie) erhielten Schwingeinheiten aus einem Stück, ohne die übliche Staubschutzkalotte in der Mitte. Die Membran ist bei dieser Bauart nicht direkt mit der Schwingspule verbunden, sondern über ein dahintergeklebtes, großflächiges Adapterstück, das zudem noch für zusätzliche Resonanzdämpfung sorgt. Als echte Drei-Wege-Konstruktion gehört die GLE 90 fast zu einer aussterbenden Spezies, vielen Herstellern ist der Materialaufwand zu groß und sie bescheiden sich mit zwei Wegen. Der 17-Zentimeter-Mitteltöner der Canton sitzt ganz oben auf der Schallwand. Den gleichen Treiber verwenden die Hessen in der Surroundbox GLE 30 als Tieftöner. Mit 15 Zentimetern noch kleiner ist das doppelt vorhandene Basschassis der Centerbox GLE 50 Center. Von ihnen erhält nur eines auch das Mitteltonsignal bis hin zum Hochtöner-Übergang, das andere addiert nur Basssignale zur Gesamtabstrahlung.

Cantons Power Sub 12 bringt einen „Room Compensation“ genannten Schalter mit, der die Möglichkeit bieten soll, den Subwoofer an die Akustik verschieden großer Räume anzupassen. Es handelt sich dabei um eine umschaltbare Tiefton-Entzerrung, die unterhalb von 40 Hertz wirksam ist. In Stellung „Wide“ reicht der Frequenzgang am weitesten herunter und verläuft linear bis 25 Hertz. Dies soll für große Räume sinnvoll sein, bei denen auch noch bei sehr tiefen Frequenzen Raummoden vorhanden sind und vom Sub angeregt werden können.

Die „Room Compensation“-Technik beeinflusst den Schallanteil unterhalb von 40 Hertz und reduziert diesen für kleinere Räume.

Die Schalterstellung „Normal“ ist für mittelgroße Räume gedacht und senkt Frequenzen unter 40 Hertz behutsam ab. Erst bei 25 Hertz gleicht sich der Frequenzgang dem steilen Abfall der „Wide“-Kurve an. Das kann sinnvoll sein, denn unterhalb der tiefsten Raumresonanz, die allein vom größten Wandabstand im betreffenden Raum abhängt, wirkt der Raum als Druckkammer und der Basspegel steigt mit sechs Dezibel pro Oktave zu tiefen Frequenzen hin an. Diesen Anstieg kompensiert Canton mit dem „Normal“-Filter.In Stellung „Narrow“ filtert der Sub alles unter 40 Hertz steilflankig heraus. Sie ist für kleine Räume gedacht, in denen man durch den erwähnten Druckkammer-Effekt von Tiefbass regelrecht „erschlagen“ werden kann.

Allen Tief- und Mitteltönern gemeinsam ist die so genannte Wave-Sicke von Canton, die drei kleinere, flachere Wölbungen aufweist. Diese eher ungewöhnliche Sickenform ermöglicht eine noch größere lineare Auslenkung, zentriert die Membran besser und übt die Rückstellkräfte auf die sich bewegende Membran deutlich symmetrischer in beide Richtungen aus. Das Ergebnis: geringere Verzerrungen gerader Ordnung bei großen Hüben. Die Wave-Sicke erinnert stark an die bei vielen hoch belastbaren Beschallungs-Treibern eingesetzten Randeinspannungen.

Ebenfalls einen Aluminium-Anteil enthält die 25-Millimeter-Hochtonkalotte der GLEs. Ihr ist aller­dings kein Titan beigemengt, sondern Mangan, was eine Legierung ergibt, die für den gewünschten Zweck über noch bessere Steifigkeit und innere Dämpfung verfügt. Canton fertigt diese Kalottenmembran und den zugehörigen Schwing­spulenträger aus einem Stück, was die Stabilität erhöht, eine potentiell defektanfällige Klebestelle vermeidet und Hitze von der Schwingspule effektiv ableitet. Außerdem geben die Entwickler einen kurzen Waveguide mit, der ihr Rundstrahlverhalten verbessern soll. Dazu trägt der Phasenkorrekturring bei, der mittig in die Innenseite des feinen Membran-Schutzgitters geklebt ist. Sinnvollerweise ist beim Power Sub 12 neben Pegel und Tiefpass-Trennfrequenz auch die Phase stufenlos regelbar. Der integrierte Schaltverstärker bietet eine Nennleistung von 200 Watt.

Neben Cinchbuchsen für Vorverstärker-Ausgänge bringt der Subwoofer auch Klemmen für Boxenkabel und die damit einhergehenden höheren Pegel mit. Außerdem bietet der Sub noch eine Tiefton-Entzerrung, die der Hersteller „Room Compensation“ nennt (siehe Kasten).

Tonqualität
Das hört sich im Vergleich zu manchem Mitbewerber erst mal etwas knapp an, reicht aber für einen Maximalpegel von satten 108 Dezibel bei einer unteren Grenzfrequenz von 25,7 Hertz.
Sehr linear präsentieren sich die Frequenzgänge des Canton-Sets, gerade im wichtigen Mittelton­bereich sind hier kaum Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Der Subwoofer reicht linear bis unter 30 Hertz, fällt dann aber steil ab. Hier dürfte ein Subsonic-Filter am Werk sein, das die Treiber vor zu großem Hub schützt.

Das Rundstrahlverhalten des Centers fällt wegen der unterschiedlichen Ansteuerung der Tieftöner unsymmetrisch aus und sorgt damit für leicht unterschiedlichen Klang links und rechts vom Platz auf der Lautsprecher-Achse.

Luftig und präzise kommt der Klang des Gesamt-Sets daher. Ansprechend dynamisch und mit sattem, sauberem Tiefbasspegel lässt das Set die Flugrobots in „Terminator – Die Erlösung“ in der Abschleppwagenszene gegen die Autowracks krachen. Da beben die Magenwände schön mit, erst recht, wenn die Flugrobots über und unter der Brücke dröhnend den Weg der Protagonisten kreuzen. Auch gehobene Lautstärken bringen die Cantons dabei keineswegs in Verlegenheit. Über Bassgetöse und Impulskraft hinaus ist das Set auch mit anderen Fähigkeiten gesegnet: Die Dialoge sind selbst im heftigsten Klanggetümmel stets verständlich und präsent. Und auch die Stimme von Jane Monheit und die Gitarre von John Pizarelli auf „They Can´t Take that Away from Me“ lässt das Set charaktervoll und sauber positioniert erklingen, man fühlt sich geradezu ins Live-Konzert hineinversetzt.

Dank der beiden großen Tieftöner kommt die GLE 90 im Stereobetrieb wunderbar ohne Subwoofer zurecht und glänzt mit den gleichen Vorzügen wie bei Mehrkanal-Signalen: Die Standboxen tönen dynamisch, sauber und mit sortierter Räumlichkeit, wie bei „Railway Tracks“ von John Illsley. Hier ordnet das Canton-Ensemble Stimmen und Instrumente penibel zwischen und hinter den Lautsprechern an. Die Boxen performen dabei wie aus einem Guss und beeindrucken zudem mit ihrer dynamischen, offenen Spielweise.

Der Testbericht Canton GLE 90-Set (Gesamtwertung: 83, Preis/UVP: 2750 Euro) ist in audiovision Ausgabe 1-2022 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

83 sehr gut

Auch die neueste Generation der GLE-Serie von Canton glänzt mit den alten Vorzügen, nämlich einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis und richtig gutem Klang.

Michael Nothnagel

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