Musste man für OLED-Fernseher bis vor Kurzem richtig tief in die Tasche greifen, macht sie LG allmählich bezahlbar. Wir haben das günstigste Ultra-HD-Modell 55 EG 9209 im Curved-Design mit Top-LCD-TVs verglichen und verraten, ob sich der noch immer saftige Aufpreis lohnt.
Ausstattung und Praxis
Mit seinem 4K-OLED-TV 55 EG 9609 (audiovision 12-2015) sorgte LG für Frühlingsgefühle der etwas anderen Art. Der 55 EG 9209 könnte sie noch einmal neu entfachen, da er die HDR-Wiedergabe via HDMI beherrscht und folglich auch perfekt mit UHD-Blu-ray-Playern wie dem Samsung UBD-K 8500 (Test Seite 22) zusammenarbeitet. Überraschend finden wir, dass der EG 9209 trotzdem rund 1.000 Euro weniger kostet. Na gut, man muss auf das Harman-Kardon-Soundsystem, den Kopfhöreranschluss sowie das beleuchtete LG-Logo verzichten, für ein dynamik- und kontrastreiches Bild nehmen wir das aber gerne in Kauf – dazu später mehr. Zudem erreicht der Neuling mit einem Strombedarf von 100 statt 152 Watt die bessere Energieeffizienzklasse.
Unter dem Strich bringt das Gerät nun drei Kilo-gramm weniger auf die Waage; der umgestaltete Standfuß macht dabei lediglich 300 Gramm aus. Am TV-Design selbst hat sich nichts geändert. Zu den optischen Highlights gehören die durchsichtige Plexiglas-Leiste, die den Bildschirm förmlich über dem Sockel schweben lässt, die dezente Krümmung (siehe Kasten „Stärken und Schwächen von gebogenen OLEDs“) sowie die geringe Displaytiefe von nur 4,8 Millimetern. Die Rückseite ist komplett in Weiß gehalten und beherbergt (abgesehen von der fehlenden Klinkenbuchse) alle wichtigen Schnittstellen, wenn auch ein vierter HDMI-Eingang und ein Doppel-Tuner nach wie vor auf unserer Wunschliste stehen.
Wunschlos glücklich sind wir hingegen mit LGs webOS-Betriebssystem: Kein anderer Hersteller aus dem Testfeld bietet eine gleichermaßen ansprechende, funktionale und intuitive Benutzeroberfläche (siehe Screenshots). Die Smart-TV-Ausstattung überzeugt ebenfalls – insbesondere im Hinblick auf das HDR-Streaming-Angebot von Amazon Ins-tant Video, wobei sich die Auswahl derzeit auf Eigenproduktionen wie „The Man in the High Castle“ oder „Transparent“ beschränkt. Zusätzliche Wiedergabemöglichkeiten bietet der via USB und Netzwerk fütterbare Mediaplayer. Wie beim Panasonic TX-65 DXW 904 (audiovision 3-2016) erscheinen unsere Testclips aber bloß in 8- statt 10-Bit-Qualität. Keine Probleme bereiten dem LG-OLED klassische 4K-Videos; hier punktet er außerdem mit einer nahezu vollständigen Formatunterstützung.
Obwohl die Lautsprecher nicht mehr das Siegel „Sound Designed by Harman Kardon“ tragen, erzeugen sie einen ähnlich dynamischen und klaren Klang wie die teureren Modelle. Dennoch treten bei höheren Schallpegeln Verzerrungen auf. Darüber hinaus dürften verwöhnte Ohren etwas Wumms und Tiefe vermissen, was jedoch in erster Linie am eingeschränkten Resonanzraum liegt.
Bildqualität
Wie für das im letzten Heft getestete OLED-Flaggschiff 65 EF 9509 bleibt auch für den 55 EG 9209 die relativ geringe Maximalhelligkeit eine unüberwindbare Hürde zum Ultra-HD-Premium-Standard: Mit 435 Candela ist er theoretisch zwar nicht allzu weit von der Mindestanforderung der UHD Alliance entfernt (540 Candela), dieser Wert gilt jedoch nur für unser 25-Prozent-Messfeld – im vollflächigen Weiß fällt die Leuchtkraft auf rund ein Drittel ab, so dass gerade einmal 150 Candela zustandekommen. Nichtsdestotrotz besitzt der Bildmodus „Foto“ die höchsten Reserven und empfiehlt sich deshalb vor allem bei hellem Umgebungslicht. Zu seinen Stärken gehören außerdem die satten Farben, obgleich der Weißpunkt mit 8.072 Kelvin etwas zu kühl eingestellt wurde (leichter Blaustich).
Für Filmabende oder im klassischen Heimkino ist das Preset „isf Expert 1“ die beste Wahl, da einerseits die Graustufen entlang der Ideallinie von 6.500 Kelvin verlaufen und andererseits die Farben präziser abgestimmt sind. Die Delta-E-Abweichungen liegen mit 1,4 respektive 1,5 (Grau) auf erfreulich niedrigem Niveau. Selbst schwierige Nuancen wie etwa Hautpartien erscheinen naturgetreu. Wer es eher knallig mag, legt im Menü „Expertensteuerung“ einfach den Farbumfang auf „Breit“ fest, woraufhin Rot und Grün deutlich intensiviert werden – perfekt für Zeichentrick-Fans. Dass Grüntöne minimal in Richtung Gelb abdriften, fällt in der Praxis kaum auf; sehr wohl aber die Farbverschiebungen aus seitlicher Perspektive (siehe Kasten „Stärken und Schwächen von gebogenen OLEDs“).
Tatsächlich ergeben sich Vorteile, vor allem für den zentral in der Mitte (Krümmungsmittelpunkt) sitzenden Betrachter. Auch unser Messauge, das Spektroradiometer CS-2000 von Minolta, wird aus rund drei Metern Abstand penibel zur Displaymitte ausgerichtet. In puncto Gleichmäßigkeit der Ausleuchtung bestätigt es dem Curved-OLED von LG Spitzenwerte von 95 Prozent (siehe Messtabelle). Alle neun über das ganze Display verteilten Messpunkte sind annähernd gleich hell, zudem wirkt ein vollflächiges Weißbild anders als bei vielen LCD-TVs bis in die Ecken farblich neutral und äußerst homogen (kein Blaustich, keine Wolkenbildung). Aus verschiedenen Blickwinkeln von zehn bis 60 Grad bleiben Helligkeit und Kontrast ebenfalls hoch und erreichen Bestwerte. Die Farben driften aber zunehmend in Richtung Blaugrün, was besonders bei Gelb auffällt.
Unser Messauge blickt allerdings auf die Bildmitte des auf einem Drehteller gelagerten TVs – und nicht etwa zum Rand. Deshalb fallen unsere auf die Mitte bezogenen Messresultate zwischen Curved- und Flat-OLEDs ähnlich aus. Doch aus seitlicher Perspektive verstärkt die Wölbung die Blickwinkelunterschiede – etwa, wenn das Auge eines rechts außen auf der Couch sitzenden Zuschauers von der linken Bildecke über die Mitte bis ganz nach rechts wandert: Gelb erscheint zunehmend grünlich, während der in der Mitte sitzende Betrachter kaum etwas von dem Farbdrift mitbekommt.
Ein Single sieht das Curved-Bild also anders als ein Mehr-Personen-Haushalt. Erst wenn Curved-Displays noch größer werden, stellt sich das Problem nicht mehr. Im Idealfall umhüllen sie wie im großen (IMAX-)Kino die ganze Sitzgruppe und versorgen alle Betrachter mit einem maximal farbneutralen, homogenen und plastischen Großbild. Einen Vorgeschmack lieferte Samsungs gebogener 78-Zöller UE 78 JS 9590 in audiovision 8-2015.
Nicht unerwähnt bleiben darf die grandiose Schwarzwiedergabe. Egal, ob ein nächtlicher Sternenhimmel oder der Funkenflug eines Lagerfeuers in der Dunkelheit: Spitzlichter erstrahlen stets in erstklassiger Brillanz und ohne jegliche Aufhellungen vor rabenschwarzem Hintergrund. Die ungeheure Kontrastdynamik bringt allerdings nicht nur unsere Messtechnik, sondern auch das menschliche Auge an seine Grenzen. So schmälern Blend-effekte das subjektive Kontrastempfinden, was jedoch kein Manko darstellt. De facto erreicht der OLED-Fernseher einen praktisch unendlichen Panelkontrast. Da im Alltag meist hellere Bildinhalte überwiegen, ist unsere Messung des Im-Bild- und ANSI-Kontrasts aussagekräftiger, wobei sich der EG 9209 mit Werten von 15.370:1 beziehungsweise 1.778:1 selbst hier keine Blöße gibt. Der Hellraumkontrast liegt ebenfalls bei ordentlichen 770:1.
Lob verdient zudem die „Tru Ultra HD Engine“, die TV-Material und Blu-rays sauber hochskaliert. Die Schärfe bleibt sogar bei rasanten Bewegungen sowie Kameraschwenks erhalten. 24p-Signale ruckeln ab Werk leicht, was man mithilfe der TruMotion-Schaltung (siehe „Ideale Einstellungen“) aber schnell beheben kann. 3D-Freunde müssen mit dem Polfilter-bedingten Auflösungsverlust leben.
Der Testbericht LG 55 EG 9209 (Gesamtwertung: 83, Preis/UVP: 4000 Euro) ist in audiovision Ausgabe 4-2016 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
Ob der erstklassige Schwarzwert und die extrem gleichmäßige Ausleuchtung einen doppelt so hohen Preis gegenüber der LCD-Konkurrenz rechtfertigen, muss jeder selbst entscheiden. Der LG 55 EG 9209 holt sich dank der OLED-Technik auf jeden Fall den Testsieg.