Canton Vento .2-Set (Test)

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Mit Vento .2 bringt Canton eine Neuauflage der eigenen Topserie auf den Markt. Die sorgt sogar für Sound von oben.

Erstaunlich, teils atemberaubend, sind die Änderungen, die die Lautsprecherbranche in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat: Begonnen haben Firmen wie Canton aus dem hessischen Weilrod als bodenständige Mittelstandsunternehmen mit mechanischer Fertigung von Treibern und Gehäusen.

Diese gibt es immer noch; was sich allerdings drastisch gewandelt hat, ist die Entwicklung dessen, was mechanisch gefertigt werden soll. Früher sind die Entwickler mit unzähligen Testversuchen eher nach dem „Trial and Error“-Prinzip vorgegangen und haben damit – je nach Begabung und Erfahrung – oft unterschiedliche und nicht immer wirklich gut klingende Ergebnisse erzielt.

Dank diamantgeschliffener Abdeckringe ist auf der Front der Canton Vento .2 keine einzige Montageschraube sichtbar. Die Verarbeitung der Lackoberflächen ist perfekt gelungen.

Ein solcher Ansatz ist für Entwickler wie den Canton-Mann Frank Göbl natürlich wenig befriedigend. Da kam ihm der digitale Wandel gerade recht, denn Digitaltechnik erlaubt durch ausgefeilte Programme und hohe Rechenleistungen präzise Simulationen dessen, wie sich Materialien physikalisch verhalten. Canton nutzt diese Möglichkeiten seit geraumer Zeit intensiv und hat die komplette Entwicklung von Lautsprechern bis hin zu Gehäuseabmessungen und der Frequenzweichen-Abstimmung dem Computer anvertraut. Canton entwickelt die dafür notwendigen Programme sogar selbst.

Der Lohn der Mühe: Bevor die erste Schwing­spule gewickelt und das erste Gehäuseteil zugeschnitten ist, sind die Canton-Lautsprecher in den Rechnern schon fast fertig. An die mit diesen Vorbereitungen gebauten Prototypen müssen die Entwickler dann mechanisch kaum noch Hand anlegen.

Technik

Die Belüftungsöffnungen hinter der Zentrierung verhindern bei den Canton-Subwoofern die Kompression der Luft in diesem Bereich und damit Verzerrungen.

Neuestes Produkt dieser Entwicklungs-Maschinerie ist die Vento .2-Serie, eine Weiterentwicklung der Vento-Baureihe, die unterhalb der Reference-K-Lautsprecher die Top-Serie des hessischen Herstellers darstellt. Von dieser Reference-K-Line wanderte die dort verwendete Hochtontechnologie geradewegs in die neuen Ventos. In der von uns getesteten Variante mit Dolby-Atmos-Aufsatzspeakern schlägt die 5.1.2.-Kombi mit 8.700 Euro zu Buche.

Als Basis für diese Neuentwicklung wurde die aus Aluminium gefertigte Kalotte auserkoren, die der Hersteller schon jahrelang verwendet. Letztendlich blieb dann aber kein Stein auf dem anderen: Das Aluminium verfeinerte Canton mit Hilfe eines aufwändigen Elektrolyse­verfahrens zu extrem steifem und hartem Aluminiumoxid, das erst weit oberhalb von 20 Kilohertz Resonanzen zeigt. Eine weitere Optimierung des Schwingungsverhaltens konnten die Ingenieure per Simulationsprogramm mit Hilfe einer leicht geänderten Formgebung der Schwingeinheit erreichen. Den Antrieb konnten sie ebenfalls verbessern, indem sie einerseits den Luftspalt besonders eng gestalteten und andererseits die Schwingspule in Unterhang-Technik wickelten. Sie ist also deutlich kürzer als der Luftspalt und hat sowohl bei ihrer Vorwärts- als auch bei ihrer Rückwärts-Bewegung noch viel Platz für große Auslenkungen im homogenen Magnetfeld. Die als Waveguide gestaltete Frontplatte erhöht einerseits den Wirkungsgrad unterhalb von 10 Kilohertz und sorgt andererseits für ein kontrollierteres Rundstrahlverhalten in diesem Frequenzbereich.

Das Atmos-Tonverfahren ist ein echter Gewinn bei der Heimkino-Wiedergabe, denn es fügt dieser eine weitere Dimension, die der Höhe, hinzu. Dadurch kann das Klangerlebnis deutlich realistischer ausfallen.

Wie so häufig ist die letztendlich erreichte Qualität aber auch eine Frage der technischen Umsetzung. Optimal wäre es, wenn die Höhenlautsprecher direkt unter der Decke montiert würden. Das kommt aber für viele Heimkinos – aus unterschiedlichsten Gründen – nicht in Frage. Also ersannen die Atmos-Erfinder eine weitere Möglichkeit: nämlich Lautsprecher, die ihren Schall an die Decke strahlen, von der er dann zum Zuhörer reflektiert wird. Deren Abstimmung ist allerdings aufwändig, denn es soll ja viel Schall zur Decke und wenig direkt zum Zuhörer abgestrahlt werden, damit die Ortung eben von oben und nicht von vorn geschieht.

Canton ist diese Abstimmung bei den AR 800 sehr gut gelungen. Das Hörergebnis zeigt, dass sie die Höhen-Dimension erstaunlich glaubwürdig reproduzieren und nur wenig Schall direkt, ohne Umweg über die Decke zum Zuhörer schicken. Die Messwerte unterstützen dieses Ergebnis, das Sonogramm zeigt, dass die AR 800 den überwiegenden Teil des Schalls tatsächlich Richtung Decke senden.

Die obere Kante dieses Sonogramms der Canton AR 800 stellt 0 Grad vertikalen Abstrahlwinkel, also den Schall genau nach vorn zum Zuhörer hin, dar. Das Diagramm durchläuft dann vertikale Winkel bis 90 Grad, also Abstrahlung genau nach oben. Bei 70 Grad, also nach vorn Richtung Decke, wird deutlich am meisten Schall abgestrahlt, zu null Grad hin (immer blauer werdend) deutlich weniger.

Die wellenförmig gestaltete Zentrierspinne hält die Membranen der Canton-Tieftöner auch bei großen Auslenkungen auf Kurs.

Auch die Tief- und Mitteltöner bieten etliche technische Highlights: So setzt Canton für die Membranen der Tief- und Mitteltöner ein Komposit aus Aluminium und Titan ein, das steifer ist als das bislang eingesetzte Aluminium und das Membranresonanzen noch weiter zu hohen Frequenzen hin verschiebt. Dabei unterstützt zusätzlich die per Finite-Elemente-Software optimierte Form der Membranen und Staubschutzkalotten. Die sind konkav geformt und unterstützen somit die Resonanzfreiheit und das seitliche Abstrahlverhalten zusätzlich.

Bei den jeweils zwei 20-Zentimeter-Tieftönern der Front-Standboxen Vento 896.2 DC setzt Canton sogar Vollkonus-Membranen ein, die aus einem Stück gefertigt sind und keine Staubschutzkalotte benötigen. Den Hochtöner brachten die Entwickler oberhalb dieser Basstreiber unter, den 17-Zentimeter-Mitteltöner am oberen Ende der Schallwand.

Dieses Chassis nutzt der Vento 866.2 Center zweifach als Tieftöner, die Surrounds Vento 836.2 je eines davon. Das Basschassis der Atmos-Box AR 800, die auf den Hauptlautsprechern thront, fällt mit 15 Zentimetern Durchmesser etwas kleiner aus, der Hochtöner ist der Gleiche, bekam aber einen noch stärker richtenden Waveguide vorgesetzt, damit die Dolby-Vorgaben zur Winkelabstrahlung eingehalten werden können und der Schall weitestgehend von der Decke zu den Zuhörern reflektiert wird und sie nicht auf direktem Wege erreicht.

Der Canton-Sub arbeitet als Passivstrahler-Reflexsystem. Das vom Verstärker angetriebene Chassis arbeitet auf der Front, das passive ist im Boden untergebracht.

Mit seinem Einzelpreis von 2.100 Euro ist der Subwoofer SUB 1500 R die teuerste Komponente des Sets. Er bringt zwei 30-Zentimeter-Chassis mit. Eines davon ist auf der Front montiert, das andere sitzt auf der Unterseite und fungiert als Passivmembran und hat keinen eigenen Magnetantrieb. Die Justage und Bedienung des Subs ist ausschließlich über die mitgelieferte Funk-Fernbedienung möglich.

Dass Bassreflex-Gehäuse die Tieftonwiedergabe verbessern, weil sie auch den Schallanteil nutzen, den die Membranen ins Gehäuseinnere abstrahlen, ist schon fast eine Binsenweisheit. Dass diese Technik aber auch Nachteile hat, ist weit weniger bekannt: Zum einen wird dadurch der Impedanzverlauf bei tiefen Frequenzen unregelmäßig, was Verstärker bei höheren Pegeln stark belasten kann. Zum anderen spüren die Membranen unterhalb der Abstimmfrequenz des Bassreflexkanals keinerlei signifikanten Widerstand mehr und schwingen mit großem Hub, ohne dabei jedoch noch nennenswert Schall zu produzieren.

Mit der DC-Technik (Displacement Control, Auslenkungs-Kontrolle) hat Canton eine Lösung parat: Dieses Hochpass-Filter hält Subbass-Frequenzen von den Tieftönern fern und linearisiert zugleich den Impedanzverlauf derart, dass er Verstärkern weniger Mühe bereitet. Zudem lässt es die Treiber geringere Hübe im Subbass-Bereich ausführen, was hörbare Verzerrungen zuverlässig minimiert.

Die Impedanz verläuft bei typischen Bassreflex-Gehäusen sehr unregelmäßig (schwarze Kurve). Die DC-Technik von Canton linearisiert diesen Verlauf merklich (rote Kurve).

Tonqualität Surround

Sämtliche Einstellungen des Canton-Subwoofers erledigt die mitgelieferte Funkfernbedienung. Der Hersteller integrierte in sie sogar eine Statusanzeige, sodass am Sub selbst keinerlei Bedienelemente oder Displays notwendig sind.

Dank 500 Watt Verstärkerleistung überzeugt der Canton-Sub mit 106 Dezibel Maximalschalldruck ohne nennenswerte Verzerrungen. Seine untere Grenzfrequenz von 25 Hertz lässt ebenfalls ein eindrucksvolles Basserlebnis erwarten. Die Frequenzgänge der Canton-Boxen verlaufen allesamt lobenswert linear und ohne große Welligkeiten. Dass der Center seinen Schall nicht ganz symmetrisch im Raum verteilt, sondern beim Mitteltonbereich eine Seite etwas bevorzugt, liegt an seiner Bau­weise: Nur einer der beiden Tieftöner arbeitet bis zur Übernahmefrequenz des Hochtöners, nämlich 3 Kilo­hertz, hinauf. Der andere Treiber ist ausschließlich für den Bassbereich zuständig und verabschiedet sich schon bei 300 Hertz. Sehr lobenswert ist der mit rund 87 Dezibel hohe Wirkungsgrad von Front- und Centerboxen. Übermäßig viel Verstärkerleistung wird daher nicht benötigt.

Schon die ersten Klangeindrücke im Hörraum ließen sämtliche Messwerte schnell in den Hintergrund rücken – und nicht nur die: Das Set saugt den Hörer richtiggehend ins Geschehen, so ansatzlos, unmittelbar und natürlich spielt es drauflos. Egal, was ihm an Material vorgesetzt wird, es hinterlässt immer den Eindruck von unbedingter Ehrlichkeit. Und das, ohne Spielfreude und Emotion zu vernachlässigen – einfach klasse. Bei der „Certifiable“-Blu-ray von Police beispielsweise ließ das Vento .2-Set die Live-Atmosphäre des River-Plate-Stadions in Buenos Aires realistisch und atmend entstehen und feierte die Wiedervereinigung der Band sozusagen mit. Da fühlt man sich auch im Heimkino als Teil des Publikums. Besonders herauszuheben ist die Basswiedergabe, der uralte Fender Precision von Sting präsentiert seinen knurrigen, etwas dreckigen Charakter mühelos und mit großer Inbrunst.

Das Temperament des Canton-Sets sorgt auch für ganz großes Kino. Gleichgültig, ob Remy die Ratte bei „Ratatouille“ krachend vom Blitz getroffen wird oder die Flugroboter aus „Terminator – Die Erlösung“ durchs Bild dröhnen, Impulse kommen ansatzlos und der Tiefbass ultrasauber wie voluminös. Zudem überzeugt das Set mit einer hervorragenden Räumlichkeit und macht die Ortung von Schallereignissen zum Kinderspiel. Auch die Abstimmung der Atmos-Boxen kann als gelungen bezeichnet werden: Die vertikale Dimension kommt beispielsweise bei „Transformers – The Extinction“ glaubwürdig zur Geltung, wenn das Schiff erst komplett aus dem Wasser nach oben gesaugt wird und dann wieder auf den Boden kracht.

Die Vento 896.2 kommen für Stereo-Musik problemlos auch ohne Subwoofer zurecht, wie sie bei „Iguana“ von Ray Obiedo auf Anhieb mit knackiger, präziser und dennoch voluminöser Wieder­gabe unter Beweis stellen. Ungemein lebendig und räumlich auch Adeles Stimme bei „Hello“ aus ihrer CD „25“, die prägnant und fest umrissen zwischen den Lautsprechern steht.

Der Testbericht Canton Vento .2-Set (Gesamtwertung: 91, Preis/UVP: 8700 Euro) ist in audiovision Ausgabe 11-2020 erschienen.

AV-Fazit

93 sehr gut

Die hohen Erwartungen, die Canton mit der Neuauflage der Vento-Serie weckt, erfüllt das Test-Set ausnahmslos: Aufwändige Technik, tolle Verarbeitung und ein über jeden Zweifel erhabener Klang lassen es in die Referenzklasse aufsteigen.
Michael Nothnagel

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