Der große Bruder CXR200 (Test in audio-vision 4-2016) gab die Marschrichtung vor: viel Klang, wenig Schnickschnack. Auch beim CXR120 folgten die Entwickler in England dem Firmen-Credo „Der Klang ist das Wichtigste“ und investierten ihr Knowhow lieber in audiophile Bauteile als ellenlange Ausstattungslisten. Das Ergebnis ist ein Highlight für Klangpuristen und weniger für Technik-Freaks, die ein Gerät für alles möchten. Grundvoraussetzungen wie HDMI 2.0 und HDCP 2.2 erfüllt natürlich auch der CXR120.
Hochwertige Verarbeitung
Wie der große Bruder setzt das kleinere Modell auf eine gediegene Verarbeitung des Ganz-metallgehäuses mit dicker Aluminium-Front und resonanzarmer Konstruktion zur Vermeidung von Vibrationen. Beibehalten wurde auch der große Ringkerntransformator, ein Netztrennschalter auf der Rückseite kappt bei Bedarf das Gerät vollständig vom Stromfluss. Auf der Vorderseite gefällt das große wie informative Punktmatrix-Display, das die Navigation durch die Menüs ohne angeschlossenen TV-Bildschirm ermöglicht. Wie beim CXR200 fungiert der satt drehende, aber zugleich etwas wackelige Lautstärkeregler auch als Wahlrad und Druckknopf für die Menü-Navigation.
Ausstattung & Praxis
Im Vergleich zum CXR200 muss der kleinere CXR120 auf einige Features verzichten, ist dafür aber auch 700 Euro günstiger. So besitzt der CXR120 keinerlei Multiroom-Funktionen – weder über die Boxenterminals noch über Pre-outs. Auch der zweite HDMI-Ausgang ist nicht separat ansteuer-bar. Die Zahl der Lautsprecherschrauben wurde von elf auf sieben Paar reduziert, so dass man sich für den Anschluss von Back-Surround oder Height-Boxen entscheiden muss. Mit sieben integrierten Endstufen sind daher entweder 7.2- oder 5.2.2-Boxenlayouts möglich; die Option auf Bi-Amping fehlt. Zudem besitzt der CXR120 nur drei analoge Cinch-Eingänge sowie nur zwei Toslink-Buchsen. Im HDMI-Sektor findet man sieben statt acht Eingänge, einer davon ist MHL-tauglich.
Analog zum CXR200 sehen wir bei den Einstellungen der Lautsprecher Raum für Verbesserungen: So sind die Schritte der Boxenabstände mit zehn Zentimetern zu groß – eigentlich wären 1-Zentimeter-Schritte für eine präzise Aufstellung optimal. Ein Equalizer fehlt dem Cambridge, dazu verzichtet die Einmess-Automatik auf eine Entzerrung des Frequenzgangs zur Anpassung an die Raumakustik – dafür müssen wir Punkte abziehen. Berücksichtigung finden demnach nur die Größen, Distanzen, Pegel und Trennfrequenzen der einzelnen Lautsprecher.
Auf Dekoder-Seite gibt es die üblichen Kandidaten von Dolby und DTS: HD-Signale werden anstandslos geschluckt, mit DTS Neo:6 und Dolby ProLogic IIx sind zudem potente Stereo-Upmixer an Bord. Bei Nutzung von Height-Speakern lässt sich Dolbys ProLogic IIz-Mixer zuschalten, der die anliegenden Signale auch in die Höhendimension hievt; die DTS-Entsprechung Neo:X sowie Raumsimulationsprogramme fehlen jedoch, ebenso jegliche 3D-Ton-Dekoder. Letzteres führt leider zu Problemen: So verstummte unser Testgerät bei zugespieltem DTS:X-Ton (ausprobiert mit Playern von LG und Panasonic) von der „Crimson Peak“-Blu-ray sowie der „DTS 2016 Demo Disc“, am Receiver-Display erschien die Meldung „No Signal“. Ein Fehler, der uns bereits beim Test des CXR200 auffiel. Ein Firmware-Update könnte den Bug sicherlich beheben. Bis dahin verbleibt die Option, DTS:X-Signale im Blu-ray-Player nach PCM-Ton zu wandeln, die der CXR120 klaglos verarbeitet. Dolby-Atmos-Ton wird dagegen korrekt als TrueHD-7.1-Signal wiedergegeben.
Die Kopfhörer-Buchse unterstützt übrigens Dolbys Head-phone-Technik, die den Klang konventioneller Stereo-Kopfhörer räumlich aufpoliert.
Verbesserungsbedarf besteht bei den Entfernungswerten, die mit 10-Zentimeter-Schritten zu groß ausfallen. Die Pegeljustage in 0,5-dB-Schritten sowie die 10er-Stufen bei der Trennfrequenzwahl zwischen 40 bis 160 Hertz geben hingegen keinen Anlass zur Klage; die Phase des Woofers kann man leider nicht invertieren.
Video & Multimedia
Das Videoboard des Cambridge versteht sich auf 4K/60p-Signale und rechnet 1080p-Signale auf UHD-Auflösung hoch – 1080i-Bilder und niedriger aufgelöstes Material kann der CXR120 allerdings nicht skalieren, sondern schleift diese 1:1 durch. HDR (High Dynamic Range) erkennt der CXR120 nicht, zudem fehlt ein Video-Equalizer.
Sämtliche Netzwerk-Funktionen versammelt Cambridge unter dem Modul „Stream Magic“, das auf vielfältige Art das Hören von Musik über das Netzwerk erlaubt. Neben UPnP, USB, WiFi, Web-radio und Spotify steht optional via nachrüstbarem Adapter auch Bluetooth zur Verfügung; AirPlay wird nicht unterstützt. Der Media-Player spielt die meisten Dateiformate wie WMA, MP3, AAC und Ogg Vorbis bis hin zu hochauflösenden FLAC-, WAV- und AIFF-Dateien mit 24 Bit / 192 Khz. DSD-Signale nimmt der Receiver aber nur über HDMI entgegen. Die „Stream Magic“-Bedienung erfolgt jedoch ausschließlich via „Cambridge Connect“-App für iOS- und Android-Geräte, über das Geräte-Display und das Menü des CXR120 lassen sich die Netzwerkfunktionen nicht steuern.
Tonqualität
Im Vergleich zum CXR200 muss sich der CXR120 mit weniger Leistung begnügen. 154 Watt bei Stereo und 76 Watt im 7.1-Modus bei 4 Ohm Last sind für die obere Mittelklasse dennoch angemessen. Im Hörtest spielte der Brite dann auch in bester Manier und stellte bei Steely Dans „Janie Runaway“ die Bassläufe auch ohne Subwoofer munter und konturiert in den Raum, formte Instrumente plastisch heraus und ließ auch das Schlagzeugbecken brillant erschallen – dabei behielt der CXR120 stets seinen ausgewogenen Charakter bei, nichts drängte sich in den Vordergrund.
Bis auf die zu hoch ermittelte Trennfrequenz unseres halbgroßen Center-Speakers waren wir mit den Werten der Raumeinmessung einverstanden; die Frequenzgang-Entzerrung entfiel aufgrund des fehlenden Equalizers. Aber auch ohne verlagerte der Cambridge den finalen Kampf in „Ender‘s Game“ akustisch äußerst eindrucksvoll in unseren Hörraum – mit tief grollenden, doch nie dröhnenden Bässen sowie präziser, lückenloser und dabei luftiger Raumabbildung.
Gleiche Tugenden dominierten auch im Stereo-Betrieb, wo der Cambridge die rhythmischen Vocal-Jazz-Klänge von Christy Baron fein aufdröselte, dabei grob- wie feindynamisch sauber zu Werke schritt und obendrauf Musik den richtigen Schmelz verpasste – große Klasse! ao
Der Testbericht Cambridge Audio CXR120 (Gesamtwertung: 81, Preis/UVP: 1800 Euro) ist in audiovision Ausgabe 8-2016 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
Cambridges zweitgrößter AV-Receiver offeriert für 1.800 Euro ausgezeichneten Klang, viel Leistung und eine wertige Verarbeitung. An der puristischen Ausstattung und dem nicht immer optimalen Bedienungskomfort dürften sich Technik-Freaks allerdings stören.