Arcam AVR21 (Test)

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Der AVR21 ist der zweitgrößte unter den aktuellen AV-Receivern der britischen High-End-Schmiede Arcam. Der Nachfolger des AVR20 hat unter anderem ein neues HDMI-Board unter der Haube.

Den Arcam AVR20 hatten wir vor zwei Jahren in unserem Testlabor, auf HDMI 2.1 musste der Bolide noch verzichten. Ende 2021 kündigte Arcam ein Upgrade-Programm für den AVR20 (und die Modelle AVR30, AVR10 sowie die Vorstufe AV40) an, bei dem das HDMI-2.0-Board gegen neue Hardware mit 2.1-Funktionalität vom Fachhändler für ein paar Hundert Euro getauscht werden konnte.

Der Nachfolger AVR21 ist im Grunde der „alte“ AVR20 inklusive der neuen HMDI-2.1-Technik. Diese erweitert die Video-Funktionen des Geräts um die Wiedergabe von Signalen mit 8K/60Hz bzw. 4K/120Hz inklusive HDCP 2.3 und HDR (Dolby Vision, HDR10+, HDR10 und HLG) an allen HDMI-Ein- und Ausgängen. Der Preis macht mit aktuell 5.000 Euro allerdings einen kräftigen Sprung nach oben, so ist der AVR21 satte 1.400 Euro teurer als der Vorgänger – die „Inflation auf Rekordniveau“ macht auch vor unserem liebsten Hobby nicht halt.

Bis zu 16 Kanäle für 3D-Ton
Der Rest vom High-End-Fest blieb gleich, und das ist auch gut so, denn die Liste der Surround-Features liest sich ausgezeichnet: Dolby Atmos, DTS:X Pro und Auro 3D mit bis zu 16 Kanälen, dazu IMAX Enhanced und das Einmess-System Dirac Live in der Vollversion, das ab Werk integriert ist, also nichts extra kostet. So haben wir das gern.

Arcams ausgezeichnete Universalfernbedienung kann bis zu 8 Geräte steuern und ist für andere Arcam-Modelle vorprogrammiert. Der Geber besitzt zudem eine Lernfunktion sowie Hunderte von Programmiercodes. Die Tasten leuchten, sobald man eine Taste drückt.

Als D/A-Wandler kommen Chips von ESS (9026PRO) zum Einsatz. Vorne links sitzt ein gewaltiger Ringkern-Transformator, der für den Großteil des Gewichts von knapp 17 Kilo verantwortlich zeichnet. Der Knackpunkt des Briten: Es sind nur 7 Endstufen verbaut, was nicht für 3D-Sound-Setups mit 7.1.4-Kanälen oder mehr ausreicht. Für diesen Zweck hat Arcam passende externe Endstufen mit 2, 4 und sogar 7 Kanälen im Programm, womit man das 9.1.6-Processing des AVR21 voll ausreizen kann. Kommen im Flaggschiff-Receiver AVR31 (Test in Ausgabe 10-2022) noch Leistungsverstärker in der „Class-G“-Bauweise mit doppelter Leiterarchitektur der Spannungsversorgung zum Einsatz, arbeiten im zweitgrößten Modell AVR21 einfacher aufgebaute Endstufen nach der weit verbreiteten „Class AB“-Bauweise.

Die 7 internen Endstufen lassen sich nicht einzelnen Tonkanälen frei zuweisen; lediglich bei den Endstufen 6 und 7 hat man die Wahl, ob diese für die Back-Rear-Boxen, die vorderen Height-Speaker, das Bi-Amping der Hauptboxen oder die Stereo-Beschallung eines Nebenraums verwendet werden sollen. Wer beispielsweise die beiden Hauptlautsprecher mit separaten Endstufen antreiben möchte, muss zwei der Leistungsverstärker im AV21 ungenutzt liegen lassen.

Passiv gibt der Receiver Signale über den analogen Line-out und die Zone-2-Pre-outs aus. Zudem steht ein Toslink-Ausgang zur Verfügung.

Über das große Display (ganz oben) gelingt die Geräteeinstellung einfacher und komfortabler als über das rudimentäre Onscreen-Menü (oben), denn hier gibt es nur zwei Zeilen Text auf grauem Hintergrund.

Mit „Dirac Live“ verbaut Arcam eines der leistungsfähigsten Einmess-Systeme auf dem Markt. Allerdings ist der Aufwand bei der Einmessung höher und komplizierter als bei den Lösungen der meisten Mitbewerber. Voraussetzung ist ein PC oder Apple-Computer, auf dem die „Dirac Live“-Software installiert wird; diese ist inzwischen in der dritten Version erhältlich und kann unter live.dirac.com kostenlos heruntergeladen werden. Als Betriebssysteme für die zum Testzeitpunkt aktuelle Version 3.4.4 werden Windows 10 bzw. MacOS 10.14+ benötigt. Für die Kommunikation untereinander müssen sich PC bzw. Mac und AV-Receiver im gleichen Netzwerk befinden.

Über das beiliegende 5-Meter-USB-Kabel wird am PC das mitgelieferte Mikrofon angeschlossen. Vor der Einmessung muss am Receiver die Basis-Boxenkonfiguration (Kanäle und Crossover) vorgenommen werden, denn das leistet Dirac nicht. Ist alles eingerichtet, erkennt das Programm beim Start automatisch die Boxen-Konfiguration. Bei der Einpegelung der Kanäle soll die Lautstärke laut Dirac etwa 30 dB über dem Pegel der Hintergrundgeräusche liegen (Vorsicht: Nicht zu laut machen!). Nach Wahl des Sitzplatzes („Eng fokussierte Bildgestaltung“, „Fokussierte Bildgestaltung“, „Breite Darstellung“) ermitteln Testtöne die Frequenzgänge aller Boxen an bis zu 17 Messpositionen; man kann die Messung auch nach nur einem Durchgang beenden, was von Dirac nicht empfohlen wird.

Auf Basis einer veränderbaren Zielkurve, die sich nach persönlichen Vorlieben modellieren lässt, erfolgt die Frequenzgang-Optimierung; auch der Subwoofer-Kanal lässt sich anpassen. Seit Version 3.3. gibt es in Dirac eine automatisch generierte Zielkurve, die Optimierung erfolgt einerseits mit zwei Griffen links und rechts im Filter-Design-Fenster (siehe Bild), die auf Bässe und Höhen Einfluss nehmen. Alternativ kann mit Ankerpunkten für eine differenziertere Manipulation des Frequenzgangs gearbeitet werden.

Optional ist das kostenpflichtige Software-Update „Dirac Live Bass Control“ für ein verbessertes Bassmanagement erhältlich. Im finalen Schritt wird die Frequenzkurve auf den Receiver übertragen, der drei Speicher für drei Filterkurven bietet, zwischen denen man per Tastendruck auf der Fernbedienung wechseln kann. Am Ende sollte man sein Dirac-Projekt speichern, um jederzeit wieder Änderungen daran vornehmen zu können. Im AV-Receiver darf man jedem Toneingang individuell eines der drei Filter zuweisen. Ein Filter lässt sich allerdings nur aktivieren, wenn das aktuell im Receiver eingestellte Boxen-Setup und die für die Dirac-Einmessung verwendete Boxenkonfiguration übereinstimmen.

Zielkurve: Nach der Einmessung aller Lautsprecher erfolgt die Frequenzgang-Optimierung, hier über Griffe links und rechts (blau), zur Anhebung und Absenkung von Bässen und Höhen.

Ausstattung & Praxis
Bis auf die Endstufen-Technik gleichen sich die beiden größten Arcam-Receiver im Detail, inklusive des Boxen-Setups. Hier lässt sich für jedes Lautsprecherpaar separat die Übergangsfrequenz (40 bis 200 Hz) festlegen, bei der Pegeleinstellung darf man in optimalen 0,5-db-Einheiten den internen und lauten Testtongenerator auch ausschalten und mit externen Testtönen arbeiten. Die Distanzen sind neben „Feet“ auch im Metermaß verfügbar, lassen sich aber nicht zentimetergenau einstellen: 3, 5 und 8 Zentimeter sind die verfügbaren Schritte, welche in etwa den Feet-Einheiten entsprechen.

Der AVR21 kann Streams in Dolby Atmos und DTS:X Pro mit 9.1.6-Kanälen decodieren. Auro 3D arbeitet mit bis zu 13.1 Kanälen inklusive Back-Rears, Voice-of-God-Kanal (Top Layer) und Height Center. Die beiden Subwoofer-Ausgänge lassen sich nicht getrennt regeln, so dass Arcam von 16 Kanälen spricht, auch wenn 15.2-Buchsen vorhanden sind. Als Upmixer gibt es Dolby Surround, DTS Neural:X sowie die Auro-Matic – auch die Virtualisierer von Dolby und DTS sind an Bord. Das Cross-Format-Upmixing mit den Decodern Dolby Surround und DTS Neural:X funktionierte im Test nur mit 2.0-Tonquellen, Mehrkanal klappte hingegen nicht. Der Auro-Upmixer (Auro-Matic) akzeptierte dafür alles. Auf DSP-Raumklang programme verzichtet der Brite. Dolby Volume (Movie, Music, Night) zur Regulierung von Lautstärkeschwankungen lässt sich bequem über eine Taste auf der Fernbedienung einstellen. Im Menü versteckt findet man Regler für Bässe und Höhen, die sich wie viele andere Funktionen (darunter auch die Dirac-Filter, das Lip-Sync oder das Dolby Audio Processing) für jeden Toneingang separat speichern lassen.

Die „Direct“-Funktion ist nur für analoge Stereo-Quellen nutzbar und schaltet eingehende Signale ohne Umwege von den analogen Eingängen zu den Terminals der Hauptlautsprecher durch.

Der Arcam AVR21 bietet 7 HDMI-Eingänge, 3 HDMI-Ausgänge, 4 Koax- und 2 Toslink-Buchsen plus einen Toslink-Ausgang. Zu den 7 Boxenterminals gesellen sich 15.2-Pre-outs für 3D-Sound-Setups. Klasse ist der DAB+ Eingang. 3 Antennen (im Bild abgeschraubt) versorgen den AVR21 mit Bluetooth und Wi-Fi-Signalen.

Das übersichtliche Web-Setup wird über die IP-Adresse des AVR21 auf einem gewöhnlichen Browser aufgerufen. Es erlaubt die komplette Bedienung des Geräts auf einer eleganten Oberfläche.

Das unkomplizierte Boxen-Setup ist sowohl über das Front-Display des Geräts als auch das Web-Setup (Bilder) zugänglich; Letzteres gibt es nur auf Englisch.

Allen Kanälen wird per Reiter der Wert „Large“ (keine Bassbeschneidung), eine Crossover-Frequenz oder „None“ (kein Lautsprecher) zugewiesen. Für die Kanäle 13 und 14 stehen Front-Wide-Speaker für Dolby Atmos und DTS:X oder zusätzliche Subwoofer zur Verfügung. Bei den Kanälen 15 und 16 sind es Middle Heights für Atmos und DTS:X oder ein Center Height (CH) plus ein Top Surround (TS = Voice of God) für Auro-Ton mit bis zu 13.1-Kanälen. Alternativ können hier Subwoofer genutzt werden. Eine Unterscheidung zwischen Decken- und Height-Positionen findet nicht statt. Über „Height Type“ lassen sich sämtliche Höhenboxen entweder als „Top“- oder „Dolby Enabled“-Speaker festlegen; eine Kombination beider Betriebsarten ist nicht möglich.

Unter „Use Channels 6 & 7“ muss man festlegen, wofür die internen Endstufen 6 und 7 verwendet werden, zur Wahl stehen: Surround Back, Bi-Amp L+R, Zone 2 und Height Front. Im Reiter „Filter slope“ wird die Flankensteilheit des Bassmanagments angegeben, also wie stark die Frequenzkurve am definierten Crossover- Wert (z.B. 80 Hertz) abfällt. Zur Auswahl stehen 12 dB, 24 dB, 36 dB und 48 dB pro Oktave. „Sub Gain“ reduziert alle definierten Subwoofer in ihrem Ausgangspegel wahlweise um -6, -12, -18, -24 oder -30 dB.

Im Menü „Speaker Types“ werden alle Lautsprecher gemäß ihrem Verwendungszweck definiert. Volle 16 Kanäle stehen zur Verfügung.

Kanäle 15 & 16: Je nach Bedarf kann man hier Subwoofer, Middle-Height-Boxen oder einen Höhen-Center (CH) plus Voice-of-God-Kanal (TS) definieren.

Ausstattung & Praxis
Das Design des Briten blieb gleich und wirkt modern wie elegant mit seiner anthrazitfarbenen Front und dem großen, silbernen und gerastert laufenden Lautstärkeregler. Die rote, im Betrieb weiße Standby-Lampe leuchtet allerdings etwas grell und lässt sich weder abschalten noch dimmen.

Das große Display am Gerät zeigt nicht nur gängige Informationen wie Lautstärke, Eingang und Decoder an, es fungiert auch als Bildschirm für die komplette Einrichtung des Geräts. Es ist allerdings kein Touch-Screen, die Eingaben erfolgen über die darunter liegenden Tasten – oder die Fernbedienung. Das On-Screen-Menü liefert nur zweizeilige Texte auf grauem Hintergrund, durch die man sich auf- und abhangeln muss (siehe Bilder auf Seite 28). Praxisnah präsentiert sich hingegen das Web-Setup, das über die IP-Adresse des Geräts aufgerufen wird und die komplette Einrichtung und Steuerung des AVR21 ermöglicht. Die beleuchtete Fernbedienung ist vorbildlich gegliedert und dank großer Tasten verdrückt man sich nicht. Wer den Boliden lieber per Smartphone oder Tablet steuert, kann die übersichtliche „Arcam Remote“-App für Android- und iOS-Geräte nutzen.

WiFi ist ebenso an Bord wie Bluetooth, AirPlay 2 und Chromecast – damit können Inhalte von externen Quellen zugespielt werden. Die Kontaktaufnahme funktioniert auch über den integrierten Webclient, der via UPnP oder USB Daten entgegennimmt. Terrestrisches Radio empfängt der AVR21 digital per DAB+ oder analog via FM.

Tonqualität
Bei der Leistungsmessung lieferte der AVR21 in etwa die gleichen Werte wie das Vormodell AVR20. Im 5.1-Betrieb waren es kräftige 119 Watt pro Kanal an 6-Ohm-Last, 134 Watt an 4 Ohm. Im 7.1-Modus (6 Ohm) waren es immer noch hohe 100 Watt. Im Stereo-Modus lieferte der Receiver 154 Watt an 6 Ohm, an 4-Ohm-Last waren es 2 x 140 Watt. Der durchschnittliche Stromverbrauch lag mit rund 298 Watt im Rahmen für AV-Receiver, aber deutlich über den 206 Watt der „Class G“-Endstufen des AVR31.

Das mitgelieferte Mikrofon hat eine Stabform und besitzt keinerlei Schrauben oder Halter; es muss daher an speziellen Mikrofonhaltern befestigt werden – oder man greift zum Klebeband. Ein Stativ gehört nicht zum Lieferumfang. An der Unterseite befindet sich ein Mini-USB-Anschluss, das beiliegende Kabel (5 Meter) wird an einen PC oder Mac gestöpselt.

Vor dem Hörtest führten wir die Dirac-Einmessung durch, die nach dem üblichen Ausprobieren mit den richtigen Kalibrierpegeln rund 45 Minuten dauerte. Wir modellierten drei Filterkurven für die drei Speicher des AVR21 (Dirac-Vorgabe, dunkler und heller), womit man praktisch die meisten Tonquellen tonal gut in den Griff bekommt.

So rockte die Mucke von Steely Dan mit Elan, Dynamik und feiner Aufl ösung bei schönen Klangfarben. Auch die Plastizität und Räumlichkeit von Instrumenten und Gesang konnten auf Anhieb überzeugen. Zum Vergleich deaktivierten wir Dirac hier und da, im Ergebnis klang es ohne das Einmess-System vordergründiger und etwas weniger geschmeidig.

Trailer von der Dolby Atmos-Demodisc boten eine sehr schöne Räumlichkeit, der Sound schallte weit von hinter den Lautsprechern für ein ausladendes, luftiges und lückenloses Klangfeld. Ambient-Geräusche füllten so sehr großflächig und authentisch den Hörraum, während direktionale Effekte klar ortbar im Raum umherflogen. Auch die beiden Höhenboxen lieferten gut ortbare Sound-Objekte. Mit nur 7 Endstufen und damit nur 2 Deckenboxen und fehlenden Back-Rear-Kanälen bietet der Brite allerdings nicht die Klangfeldgröße und Präzision eines 7.1.4-Setups, weswegen wir in der Kategorie 3D-Sound Punkte abziehen.

Sehr gut gelang dem AVR21 die Basswiedergabe. Der „Powerful Bass“ im Dolby-Clip „Amaze“ kam nicht nur mit rabenschwarzer Tiefe und mächtig Druck, er überrasche auch mit explosiver Dynamik. Action-Knaller wie „Ghost in the Shell“ (Dolby Atmos) boten so einen Extra-Kick Realismus. Ausgezeichnet war auch die Präzision und räumliche Staffelung von Soundobjekten sowie die Differenzierung feiner Unterschiede in der Grob- und Feindynamik. Dabei bliebt der Amp auch bei gehobenen Pegeln stressfrei und verzichtet auf grelle Spitzen, die unangenehm ins Ohr fahren könnten.

Fast schon selbstredend bot der Arcam auch im Stereo-Betrieb mit Musik eine ausgezeichnete Performance – egal ob mit oder ohne Dirac-Einmessung: Schöne Klangfarben, samtige Feinauflösung, kontrollierte Bässe und eine greifbare, geradezu dreidimensionale Abbildung von Instrumenten sowie Gesang gehören zu den Highlights des Briten. So zeigte sich der AVR21 als klanglicher Verführer, der enorm viel Lust aufs Musikhören macht.

Der Testbericht Arcam AVR21 (Gesamtwertung: 88, Preis/UVP: 5.000 Euro) ist in audiovision Ausgabe 8-2023 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

88 Sehr gut

Arcams AV-Receiver AVR21 bietet tollen Klang mit 16-Kanal-Processing, Dirac-Einmessung und guter Streaming-Funktionalität. HDMI ist mit 2.1 ebenfalls aktuell. Für 5.000 Euro kann man aber ein hübscheres Onscreen-Menü und mehr als 7 Endstufen erwarten.

Andreas Oswald

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