Für 1.600 Euro bietet Xiaomi einen 75-Zöller mit Full-LED-Backlight, Dolby Vision und freihändiger Sprachsteuerung an. Bei diesem Gesamtpaket kann man eigentlich nicht viel falsch machen, oder?
Xiaomi kennen die meisten bisher wohl primär als Smartphone-Hersteller. Mit dem Mi TV Q1 bieten die Chinesen seit Kurzem einen 75-Zöller mit direkter Hintergrundbeleuchtung und 192 Dimming-Zonen, HDR10+ und Dolby Vision für überschaubare 1.600 Euro an. Interessant: Bis kurz vor Redaktionsschluss lag die UVP noch bei 1.300 Euro, eine erste limitierte Anzahl der LCD-Fernseher war gar für 1.000 Euro verfügbar gewesen. Das 33,3 Kilo schwere Modell mit einer Diagonalen von 75 Zoll arbeitet wie beispielsweise Samsung mit Quantum-Dot-Technik, wird von einem stabilen Metallrahmen umgeben und setzt auch beim charakteristischen Fuß auf Aluminium statt Kunststoff. Mit einer Tiefe von 7,9 Zentimeter ist der TV-Koloss nicht gerade grazil, aber das ist in dieser Preisklasse zu verschmerzen. Eine Wandmontage ist dank VESA-Norm 400 x 300 Millimeter möglich.
Ausstattung & Praxis
Natürlich muss man zum Preis von etwas mehr als 21 Euro pro Zoll bei der Ausstattung auch Kompromisse eingehen. Die Tuner für Kabel, Satellit und DVB-T2 sind nur einfach und nicht als Twin-Variante verbaut, was aber nicht stört, da der Xiaomi ohnehin keine TV-Programme auf USB-Festplatte aufzeichnen kann. Die drei HDMI-Buchsen unterstützen zumindest für Gamer den Auto Low Latency Mode (ALLM), allerdings kein VRR (Variable Refresh Rate) oder 4K mit 120 Hertz.
Für eine intuitive Bedienung sorgt die übersichtliche Benutzeroberfläche von Android 10. Das Bedientempo ist größtenteils in Ordnung, nur beim Umschalten braucht man Geduld. Das gilt auch für Google Assistant, der rund vier Sekunden benötigt, bis er Sprachbefehle umsetzt. Dies klappt sogar ohne Fernbedienung, weil im TV-Gehäuse ein Mikrofon eingebaut ist, das sich über einen Schiebeschalter deaktivieren lässt. Wenig zu meckern gibt es am App-Angebot: Mit Amazon Prime Video, Netflix, Google Play Filme, Disney+ und DAZN ist der Xiaomi beim Thema Video-Streaming vernünftig aufgestellt (mehr zu den Apps auf Seite 40).
Bluetooth-Steuerstab: Die handliche Fernbedienung muss nicht auf den Fernseher ausgerichtet sein, damit ihre Befehle trotzdem prompt umgesetzt werden. Für die Streaming-Portale Netflix und Amazon Prime Video sind Direktwahltasten vorhanden.
Bild- und Tonqualität
Respekt, LCD-Fernseher in diesem Preissegment liefern oft nicht mehr als eine Helligkeit von 400 Candela. Mit maximal 582 Candela im „Film“-Setting ist der Xiaomi eine kleine Überraschung, selbst bei vollflächigem Weiß schafft er 485 Candela. Im „Standard“-Modus haben wir sogar bis zu 753 Candela gemessen. Der ANSI-Kontrast fällt mit 1.500:1 ebenfalls gut aus. Mit 6.099 Kelvin ist die beste Farbeinstellung „Warm“ hingegen nicht optimal vorkonfiguriert. Um weitgehend präzise und natürliche Farben zu erzielen, mussten wir sowohl im SDR- als auch im HDR-Bereich einiges an Justierarbeit leisten – der Q1 bietet hier glücklicherweise viele Optionen, Messequipment ist für exakte Ergebnisse jedoch fast unabdingbar. Im optimierten „Film“-Setting sind wir von der Performance des Xiaomi ganz angetan.
Zu viel versprochen: Auch wenn Xiaomi mit HDMI 2.1 wirbt – durch das Fehlen von VRR und 4K-Wiedergabe bei 120 Hertz werden nicht alle Vorgaben erfüllt.
Android: Schnörkellos, übersichtlich und einfach zu bedienen präsentiert sich die Benutzeroberoberfläche des Xiaomi-Fernsehers.
Die Blu-ray „Deutschland von oben“ liefert erstaunlich realistische Aufnahmen mit kräftigen, aber nicht übertriebenen Farben. Die Blickwinkelstabilität kann wenig überraschend mit der von teureren OLEDs nicht mithalten. Xiaomi bewirbt zwar eine Bildwiederholrate von 120 Hertz, jedoch liegen nativ nur 60 Hertz vor. Trotzdem sehen Bewegungen erstaunlich ruhig und ruckelfrei aus. UHD-Titel mit HDR-Unterstützung erscheinen zwar auf teureren Flat-TVs noch einen Tick plastischer und dynamischer. Berücksichtigt man jedoch den moderaten Anschaffungspreis, muss sich der Chinese auf keinen Fall verstecken. Punktuell überschärft er jedoch einige Passagen.
Chromecast an Bord: Das Chromecast-Protokoll ist sofort betriebsbereit und muss nicht erst im TV-Menü aktiviert werden.
Flotte Verbindung: Auf einem Smartphone muss man lediglich das Chromecast-Symbol antippen, die Verbindung wird anschließend umgehend aufgebaut.
Wir haben verschiedene Applikationen ausprobiert und waren im Zusammenspiel mit einem Samsung-Smartphone mit der Gratis-Anwendung „Android-Fernbedienung“ sehr zufrieden. Einzige Voraussetzung: Flat-TV (per WLAN oder Ethernetkabel) und Smartphone müssen in dasselbe Netzwerk eingebunden sein.
Zumindest bei frontaler Draufsicht sind wir von der Schwarzdarstellung des Panels echt begeistert. Das Schwarz ist sehr dunkel, die Ausleuchtung homogen, und die Aufhellungen um weiße Bereiche marginal. Erst bei seitlicher Betrachtung nehmen die aufgehellten Bildpassagen deutlich zu.
Handarbeit ist angesagt, damit der 75-Zöller im SDR-Bereich die Farben so wie hier abgebildet trifft. Ab Werk muss man mit deutlichen Abweichungen leben.
Auch im DCI-P3-Spektrum schlägt sich der Xiaomi recht wacker, wenn man den Fernseher mit einem Messgerät und professioneller Software kalibriert hat.
Das 30 Watt starke Soundsystem arbeitet mit zwei Hoch- und vier Tieftönern und verzichtet auf Dolby Atmos. Für Sportschau, Talkshow oder Spielfilm reicht die Akustik im Alltag aus. Klar, Bässe sind kaum wahrnehmbar, Stimmen könnten etwas akzentuierter klingen. Aber wenn man die Lautstärke nicht überdreht, sind tonale Präzision und Bühnenbreite durchaus akzeptabel. Auch Musik-Streaming ist dann kein qualitatives No-Go.
Der Testbericht Xiaomi Mi TV Q1 (Gesamtwertung: 72, Preis/UVP: 1600 Euro) ist in audiovision Ausgabe 7-2021 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
Der Xiaomi bietet viel Bild für vergleichsweise wenig Geld: gutes Schwarz, Dolby Vision und HDR10+, hohen Bedienkomfort und ansprechende Helligkeit. Bei der Farbgenauigkeit hat der Mi TV Q1 jedoch noch Luft nach oben. Als großer Einsteiger-TV zum fairen Preis ist er allerdings eine Empfehlung.
Jochen Wieloch
