Wharfedale Elysian (Test)

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Mit seiner Elysian-Boxenserie zeigt Wharfedale, was geht – wenn die Entwickler keine Kompromisse eingehen. Das mussten wir uns natürlich anhören.

Dass Lautsprecher-Entwickler die Chance bekommen, für eine ganze Serie realisieren zu dürfen, was unter den gegebenen Umständen technisch möglich ist, kommt nicht allzu häufig vor. Aber genau dieses Erlebnis durfte Peter Comeau, seines Zeichens Entwicklungschef des englisch-chinesischen Herstellers Wharfedale, genießen – und zwar, wenig überraschend, bei der Top-Baureihe im Firmen-Portfolio. Schon am Namen „Elysian“ lässt sich ablesen, dass ihre Entwickler sie für etwas Besonderes halten: Das „Elysium“ kommt nämlich aus der griechischen Mythologie und ist dort der Teil des Reichs der Toten, in den verdiente Helden gelangen und dort ewigen Frühling genießen dürfen – kurz das, was in der christlichen Vorstellung das Paradies ist. Die ungewöhnliche Bezeichnung machte uns natürlich umso neugieriger, zumal sich der Preis für ein solches Keine-Kompromisse-Set mit knapp 20.000 Euro noch im Rahmen hält.

Das Gehäuse der Elysian 4 ist innen aufwändig verstrebt und üppig mit Dämmmaterial versehen. Das Bassreflexrohr strahlt in den Zwischenraum zwischen Gehäuseboden und Sockelplatte.

Da es von Wharfedale keinen „Elysian“-Sub gibt, musste sich der SpeakerCraft XTEQi 12 um die ganz tiefen Töne kümmern.

Das Arbeitsprinzip eines Air Motion Transformers (AMT) stammt aus den 1960er-Jahren. Erfunden hat es Oskar Heil, ein deutscher Physiker, der in die USA ausgewandert war.

Es ist im Grunde ganz einfach: Eine mit Leiterbahnen versehene Kunststoff-Folie wird zieharmonikaförmig gefaltet und in ein starkes Magnetfeld gebracht. Wenn ein Wechselstrom (beispielsweise ein Musiksignal) die Leiterbahnen auf der Folie durchfließt, bewegen sich die Membranfalten gegeneinander und quetschen dabei die Luft zwischen sich heraus respektive ziehen sie herein. Der große Vorteil: Die Luft wird mit einer im Vergleich zur Bewegung der Falten um ein Mehrfaches höheren Geschwindigkeit bewegt, sozusagen eine Geschwindigkeits-Transformation. Das sorgt für einen hohen Wirkungsgrad und große Maximalpegel. Wharfedale setzt bei seiner Ausführung dieses Hochtöner-Prinzips eine besonders dünne und damit leichte Folie aus dem Kunststoff PET ein und verspricht sich davon eine nochmals gesteigerte Dynamik und Impulsivität.

Der Aufbau des Elysian-AMT sieht eigentlich gar nicht so kompliziert aus. Wie so oft liegt aber auch hier der Teufel im Detail.

Technik
Schon optisch gibt sich das Set eindrucksvoll, allen voran die Front-Standboxen Elysian 4, die schon durch ihre Abmessungen der Sparte „Männerboxen“ zuzuordnen sind. Und das nicht um Eindruck zu schinden, sondern aus akustischen Gründen: Je breiter die Schallwand eines Lautsprechers ist, desto tiefer ist die Frequenz, bis zu der sich sein Abstrahlverhalten kontrollieren und sauber an den Raum ankoppeln lässt. Nicht von ungefähr weisen viele auf einen schlanken Auftritt getrimmte Boxen eine wahrnehmbare Grundtonschwäche auf.

Ebenfalls recht ausladende Abmaße weist der Elysian Center auf – kein Wunder, kommt er doch mit einer ähnlichen Treiber-Bestückung wie die Standboxen daher, nämlich zwei 22-Zentimeter-Tieftönern, einem 15-Zentimeter-Mitteltöner und einem AMT-Hochtöner. Letzterer fiel allerdings, wohl auch aus Platzgründen, etwas kleiner aus als bei der Elysian 4. Als Surroundboxen kommen die Zweiweg-Konstruktionen Elysian 1 zum Einsatz, die wiederum den großen AMT der Frontboxen, aber nur einen Tieftöner – diesmal mit 17 Zentimetern Durchmesser – an Bord haben.

Ebenfalls besonders ist die Materialwahl für die Tief- und Mitteltonmembranen: Hier setzt das Team um Peter Comeau auf die gute alte Glasfaser, allerdings in besonders feiner, gewebter Form. Glasfaser-Matrix nennt Wharfedale das und verpasst den Membranen zusätzlich einen auf die Verwendung perfekt angestimmten Einstrich, der die Schwingungseigenschaften weiter verbessert. Diese Membranen fallen nicht nur besonders resonanzarm, sondern auch leicht aus, so dass sie dem Magnetantrieb nur einen geringen Widerstand bieten. Auch Letzterer wurde optimiert und an die spezielle Aufgabe perfekt angepasst: Die Tieftöner bringen eine besonders lange Schwingspule mit, die einen beeindruckenden linearen Hub von zwölf Millimetern ermöglicht. Das Magnetsystem ist zudem mit einem Aluminiumring versehen, der Wirbelströme kurzschließt und der Schwingspule gleichbleibende Bedingungen über ihren gesamten Hubweg beschert. Die Schwingspule des Mitteltöners bringt mit 25 Millimetern Durchmesser die traditionellen Abmessungen für diesen Frequenzbereich mit. Auch dieser Treiber verfügt über einen Aluminium-Kurzschlussring im Antrieb, der den nutzbaren Frequenzbereich des Treibers nach oben hin erweitert und Verzerrungen drastisch reduziert. Mit ihrer sehr geringen Dämpfung ist die Schaumstoffsicke perfekt geeignet für die sehr geringe bewegte Masse der Mitteltöner-Membran.

Auf diese geringe Masse mussten die Entwickler auch deshalb zurückgreifen, weil schon früh im Entwicklungsprozess die Entscheidung für einen AMT (siehe Kasten) fiel. Und mit diesem extrem dynamisch und präzise spielenden AMT müssen natürlich die Treiber für die anderen Frequenzbereiche akustisch mithalten können

Die Bassreflexrohre der Elysian 4 und Elysian 1 sind nicht, wie sonst immer noch weit verbreitet, auf der Boxenfront oder der Rückseite angeordnet, sondern münden in die Bodenplatte des Gehäuses. Für einen definierten Abstand zur Stellfläche sorgen per Distanzstücke montierte Sockelplatten. Damit geschieht die Ankopplung der Reflexöffnung an den Raum in Bodennähe und somit besonders effektiv. Außerdem sorgt das zwischen Sockelplatte und Gehäuseboden eingeschlossene Volumen durch seine spezielle Formgebung für einen weniger abrupten Übergang zur Außenwelt, was Verzerrungen vermeiden und eine besonders gleichmäßige Schallverteilung bewirken soll. Dadurch nehmen beide Boxentypen auch eine Aufstellung in der Nähe einer Wand nicht übel. Beim Center ist eine solche Bauweise – Wharfedale nennt sie SLPP (Slot Loaded Profi led Port) aufgrund seiner Bauform nicht möglich. Hier verwendet der Hersteller zwei kleinere, mit Schaumstoff gedämpfte Öffnungen, die weniger für eine Tiefbass-Erweiterung als vielmehr für eine kontrollierte Dämpfung der Tieftöner-Membranbewegung sorgen.

Für sämtliche Gehäuse nutzt Wharfedale ein Sandwichmaterial aus unterschiedlichen Holzarten, das ein Mitschwingen der Wände in engen Grenzen hält und zudem durch seine hohe Dämpfung kaum Schwingungen durchlässt. Ans Ohr dringen somit nur die von den Treibern direkt abgestrahlten Schwingungen – genau das Verhalten, das ein Entwickler grundsätzlich anstrebt, da Gehäuseschwingungen immer auch unkalkulierbare und allzu oft wahrnehmbare Verzerrungen mitbringen.

Einen in Qualität und Preis angemessenen Subwoofer hat der Hersteller überraschenderweise nicht im Programm. Als Tiefton-Alternative stellte uns der deutsche Wharfedale-Vertrieb IAD den 3.500 Euro teuren SpeakerCraft XTEQi 12 zur Verfügung. Seine beiden in den Seitenwänden untergebrachten 30-Zentimeter-Treiber werden von jeweils einer Schaltendstufe mit 1.000 Watt Leistung angetrieben. Seine Justage erfolgt über eine kostenlos erhältliche Smartphone-App, die auch eine automatische, gut funktionierende Raumeinmessung bietet.

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren HiFi-Lautsprecher etwas zum Vorzeigen und nicht zum Verstecken. Das lag keineswegs nur am Zeitgeist, sondern auch an handfesten physikalischen Gegebenheiten: Um einen wirklich tiefen, voluminösen Bass zu erzeugen, ist nun mal eine große Membranfläche und damit auch ein hohes Gehäusevolumen erforderlich.

Die Physik hat sich bis heute natürlich nicht geändert. Zwar wurde das Problem dadurch abgemildert, dass – auch dank eines von der deutschen Firma Klippel entwickelten Messsystems – Tiefton-Treiber immer größere Hübe ausführen konnten, ohne an ihre Grenzen zu geraten. Damit wurden auch die heute so häufig anzutreffenden Lautsprechersäulen möglich. Hört man sich aber eine solche Säule im Vergleich zu einer ausgewachsenen Standbox an, wird eines schnell klar: Tieftöner-Hub ist nicht alles. Und auch das hat physikalische Gründe: Eine großflächige, breite Schallwand bietet nämlich bis zu viel tieferen Frequenzen einen hohen Strahlungswiderstand, richtet also einen großen Teil des Grundtonbereichs von den Membranen auch dann nach vorn, wenn er bei der schmalen Säule zur Seite und nach hinten verschwindet. Sie wird also vergleichsweise dünner und weniger erwachsen klingen.

Dank erwachsener Abmessungen leistet die Elysian 4 vor allem im Grundton- und Bassbereich mehr als eine schlanke Lautsprechersäule.

Speziell für die Elysian-Serie wurden die Mitteltöner entwickelt. Der ausgefeilte Antrieb mit seinen etlichen Einzelteilen beeindruckt auch Kenner.

Das Zubehör wie die Terminal-Brücken und die Spikes legt Wharfedale den Elysians in einer edlen Box bei.

Tonqualität
Seine Messwerte lassen schon mal keine Zweifel an seiner Eignung aufkommen: Mit 106 Dezibel Maximalpegel und einer unteren Grenzfrequenz von 21 Hertz ist er für alle Heimkino-Aufgaben gut gerüstet. Das gilt auch für Frontboxen, Center und Surrounds: Ihre Frequenzgänge verlaufen mit nur geringen Welligkeiten und auch großräumig durchaus linear. Ebenfalls prima ist das Rundstrahlverhalten des Centers, das über den gesamten Mitteltonbereich ausnehmend homogen verläuft. Erst bei ganz hohen Tönen zeigt der Elysian-Center eine deutliche Richtwirkung – das stellt aber auch für seitlich sitzende Zuhörer kein klangliches Problem dar.

Im Hörraum wird schnell klar, dass die Elysian-Serie nicht zu Unrecht die Spitzen-Baureihe von Wharfedale ist: Die Instrumente von Omar Hakims „Listen Up“ stehen fest umrissen und klar im Raum um den Hörplatz herum – völlig korrekt bei dieser Aufnahme und über die Elysians besonders gelungen, die Zuhörer werden förmlich mitgerissen und wähnen sich im Geschehen. Neben der tollen räumlichen Wiedergabe fällt hier insbesondere das große Engagement auf, mit dem die Lautsprecher zu Werke gehen. Von kühler Sachlichkeit keine Spur, sie bringen die Emotionen in der Musik ungebremst und schwungvoll zu Gehör. Das macht auch Jane Monheit bei ihrer Interpretation von Gershwins „They Can´t Take That Away From Me“ mehr als deutlich, bei der dem geneigten Publikum durchaus der eine oder andere wohlige Schauer den Rücken herunterlaufen kann.

Auch wenn es richtig laut werden soll, müssen sich die Wharfedales nicht verstecken, ganz im Gegenteil: Die Abschleppwagenszene aus „Terminator – die Erlösung“ bringen sie selbst bei aufgedrehtem Lautstärkeregler unverzerrt und mit überzeugender Dynamik. Dazu trägt auch der Subwoofer seinen Teil bei, trotz eindrucksvollem Tiefgang bleibt er dabei leichtfüßig und impulsiv.

Als ausgewachsene „Männerboxen“ pfeifen die Elysian 4 bei Stereo-Musik auf jegliche Subwoofer-Unterstützung und machen sie dank ihrer mächtigen, sauberen Basswiedergabe überfl üssig. Das wird beispielsweise bei „Amelia“ der schwedischen Rocktruppe Sonic Station deutlich, bei der die Standboxen die tiefen Töne mit Tiefgang und äußerst fest umrissen in den Hörraum strahlen. Sehr schön auch, wie sie deutlich machen, dass Sänger Johan Boding ungemein locker und kontrolliert bis in höchste Lagen vorstößt, sich dabei aber völlig in den Dienst des Songs stellt. Einmal mehr perfekt: Die räumliche Staffelung von Stimmen und Instrumenten,
die immer klar definiert bleibt und keinerlei Unschärfen zeigt.

Der Testbericht Wharfedale Elysian (Gesamtwertung: 96, Preis/UVP: 20.000 Euro) ist in audiovision Ausgabe 5-2023 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

96 Sehr gut

Ja, 20.000 Euro sind viel Geld, dafür landen die Elysians aber auch locker in unserer Referenzklasse. Angesichts der praktisch perfekten Verarbeitung ist es doppelt schade, dass Wharfedale keinen passenden Subwoofer anbietet.

Michael Nothnagel

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