Zwischen Elysian und Evo 4 siedelt Boxenbauer Wharfedale seine neue Aura-Serie an. Sie soll die Top-Klangqualität der einen mit der zurückhaltenden Preisgestaltung der anderen Lautsprecherserie verbinden.
Zugegeben, etwas wirklich Neues für den Namen einer Lautsprecherserie zu finden, wird immer schwieriger – weil weltweit Marketing-Strategen unterschiedlichster Provenienz genau das Gleiche wollen und damit die meisten sinnvollen, einprägsamen Namen schon besetzt sind. Geschafft hat es Wharfedale trotzdem, mit „Aura“ hat die neue Serie eine durchaus eigenständige, mit leicht geheimnisvoller Konnotation einhergehende Bezeichnung verpasst bekommen. Die neue Baureihe weist nicht umsonst Ähnlichkeiten mit den Evo 4- und Elysian-Serien des britisch-chinesischen Herstellers auf, entstammt sie doch aus dem gleichen Entwicklungsprojekt. Das fängt bei der Optik und den Gehäuseoberflächen an, die wir von der Elysian kennen: Schwarz, Weiß und Walnuss-Furnier – jeweils in exzellent verarbeiteter Hochglanz-Variante. Besonders gut gefällt uns die Walnuss-Ausführung, die durch die Lackbeschichtung fast dreidimensional wirkt.

Einfach nur die Chassis reinschrauben war gestern: Bei Wharfedales Aura-Serie sorgen etliche Bauteile wie Gummi-Trimmringe und Dämpfungsrahmen für ein optimiertes akustisches Verhalten.

Die Aura-Boxen kommen mit speziell gefertigten, sehr stabilen Bi-Wiring-Terminals.

Die Aura 4 steht auf massiven, hochglanzverchromten Spikes.
Wharfedales konkrete Umsetzung dieser Entwicklungsidee ist aber einzigartig: Die Lautsprecher entlassen bei der „Slot Loaded Profiled Port“-Bauweise (SLPP) den Schall aus dem Inneren des Gehäuses nicht direkt auf den Boden, sondern sorgen mit zwei in die Sockelplatten integrierten, nach links und rechts zeigenden Schlitzen für genau definierte Abstrahlverhältnisse. Auf diese Art lässt sich diese Technik auch bei der Aura 1, die nicht direkt auf den Boden, sondern ins Regal oder auf einen Ständer gehört, integrieren. Sogar beim Center Aura C setzt Wharfedale SLPP ein, allerdings mit zwei kleinen Abwandlungen: So sind hier die Schlitze nicht in einen Sockel integriert, der wegen der querliegenden Center-Bauweise viel zu breit ausfallen würde. Vielmehr sind sie in Gehäuse-Abschlussplatten links und rechts untergebracht. Zudem sind die Schlitze mit grobporigem Schaumstoff gedämpft. Damit sorgen sie in erster Linie nicht für eine Erweiterung der Tiefbass-Wiedergabe, sondern sind eher für eine kontrollierte Dämpfung der Tieftöner-Membranbewegung zuständig.

Auch bei der Regalbox Aura 1 integrierten die Entwickler einen SLPP-Sockel, der für eine kontrollierte Ankopplung der Bassreflexöffnung über den Gehäuseboden an die Außenwelt sorgt.
Technik
Allen drei Serien ist die Hochtöner-Bauform gemeinsam: Wharfedale setzt hier auf den sogenannten „Air Motion Transformer“. Dabei kommt mit Leiterbahnen versehene Kunststofffolie zum Einsatz, die zieharmonikaförmig gefaltet und in ein starkes Magnetfeld gebracht wird. Wenn das Musiksignal die Leiterbahnen auf der Folie durchfließt, bewegen sich die Membranfalten gegeneinander und quetschen die Luft zwischen sich heraus respektive ziehen sie herein. Der Hauptvorteil dabei: Die Luft wird mit einer im Vergleich zur Bewegung der Falten viel höheren Geschwindigkeit bewegt. Das sorgt für ein hervorragendes Impulsverhalten, denn die Membran ist sehr leicht und muss sich zudem erheblich weniger bewegen als beispielsweise Kalotten, um den gleichen Schallpegel zu erreichen. Verstärkt wird das noch von der erheblich größeren abstrahlenden Fläche, die ein Vielfaches einer Kalotte erreicht. Wharfedale setzt bei seinen AMTs zudem eine besonders dünne und damit leichte Folie aus dem Kunststoff PET ein, was eine nochmals gesteigerte Dynamik und Impulsivität verspricht. Die Entwickler übernahmen diese Technik übrigens nicht einfach von den vorherigen Modellen, sondern ließen ihr für die Aura-Serie eine nochmalige Überarbeitung angedeihen, mit dem Ergebnis, dass die Hochtontreiber jetzt bis zu 36 Kilohertz übertragen.
Einen nicht zu unterschätzenden Nachteil haben AMT-Membranen allerdings: Die mit ihnen kombinierten Tief- und Mitteltöner müssen ein ähnlich dynamisches, verzerrungsarmes Verhalten aufweisen, sonst fällt das Klangbild der gesamten Box auseinander und wird inhomogen. Aus diesem Grund setzen Entwicklungsleiter Peter Comeau und sein Team auf hochfeste, sehr fein gewebte Glasfaser. Die daraus geformten Membranen fallen nicht nur besonders steif und resonanzarm, sondern auch sehr leicht aus – was guter Impulswiedergabe durchaus zuträglich ist. Dabei unterstützt werden die Schwingeinheiten von hoch optimierten Magnetsystemen, die zum einen für ein kräftiges, homogenes Antriebsfeld im Luftspalt sorgen, zum anderen mit Kupferkappen auf den Polkernen Wirbelströmen – und damit Modulationen der Magnetkraft bei hohen Strömen durch die Schwingspule – wirksam Einhalt gebieten. So erzeugen die Treiber bei hohen Pegeln weniger Verzerrungen.
Unser Aura-Testset besteht aus den Front-Standlautsprechern Aura 4, dem Center Aura C und den Surround-Regalboxen Aura 1. Einen eigenen Subwoofer hat die Serie leider nicht, für basslastigen Filmsound komplettierte der Hersteller das Set mit zwei SW-12 aus Wharfedales Subwoofer-Portfolio. Die Aura 4 ist die größte Standbox der neuen Serie und bringt zwei 16-Zentimeter-Tieftöner und einen darüber angeordneten 10-Zentimeter-Mitteltöner mit, der AMT-Hochtöner sitzt ganz oben auf der Front. Der vergleichsweise voluminöse Center Aura C muss auf den Mitteltöner verzichten, hat aber ansonsten die gleiche Treiber-Ausstattung wie die Aura 4. Die Zweiweg-Surroundboxen Aura 1 müssen sich mit einem Tieftöner bescheiden, der zudem mit dreizehn Zentimeter Durchmesser deutlich kleiner ausfällt. Der AMT-Hochtöner ist bei allen drei Boxenmodellen hingegen identisch.
Als Gehäusematerial für die Auras verwendet Wharfedale kein normales MDF wie viele andere Boxenbauer, sondern ein „Sandwich“ aus Holzmaterial-Lagen unterschiedlicher Dichte. Dadurch erhöht sich zum einen die innere Dämpfung der Gehäusewände, was ungewünschte Vibrationen weitgehend unterdrückt. Zum anderen verringern die Grenzflächen zwischen den einzelnen Lagen die Durchlässigkeit für den Schall, der von den Treibern ins Gehäuseinnere abgestrahlt wird, beträchtlich. Dafür, dass auch durch die dünnen Membranen kaum unerwünschter Schall aus dem Boxeninneren zum Zuhörer gelangt, sorgt das an strategischen Stellen dort platzierte Dämmmaterial. Es besteht aus langen und damit wirkungsvollen Kunststoff-Fasern, was ein Mitschwingen der Wände minimiert und durch seine hohe Dämpfung kaum Schwingungen durchlässt. Ans Ohr dringen somit nur die von den Treibern direkt abgestrahlten Schwingungen – genau das Verhalten, das ein Entwickler anstrebt, da Gehäuseschwingungen immer unkalkulierbare und oft wahrnehmbare Verzerrungen mitbringen.
Die Subwoofer verfügen über ein nahezu würfelförmiges Gehäuse und sind auch deshalb für das 30-Zentimeter-Chassis recht kompakt geraten. Dank ihrer Schaltendstufe mit jeweils 300 Watt Leistung bringen sie auch für satte Heimkino-Pegel genügend Dampf mit – erst recht im Doppelpack. Pegel und Trennfrequenz lassen sich stufenlos regeln, die Phase ist allerdings nur zwischen 0 und 180 Grad umschaltbar. Ihre beiden Bassreflexöffnungen sind gemeinsam mit dem Bedienfeld auf der Rückseite untergebracht.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Aura-Serie von Wharfedale: Schon beim Anblick der Tieftöner wird klar, dass hier nur eine aufwändige Abstimmung aller Komponenten zum gewünschten Klangergebnis führt. Angefangen von der Membran aus Glasfasergewebe mit ihrer besonderen Formgebung über die Staubschutzkappe, die auch als Phasenkorrektur-Element dient, bis zum Gummi-Dämpfungsring, der Resonanzen am Montageflansch unterdrücken soll, ist alles speziell für dieses eine Chassis gefertigt.
Ähnliches gilt für den komplett selbst entwickelten AMT, dessen präzise gefaltetes Diaphragma nur eines von vielen Elementen ist, die die Klangqualität entscheidend beeinflussen. Nicht unerwähnt bleiben dürfen hier natürlich die Gehäuse, deren Wände aus mehreren Lagen unterschiedlicher Materialdichte bestehen, um Resonanzen und Schalldurchstrahlung möglichst wirkungsvoll zu unterdrücken.
Derartige Entwicklungen kosten selbst bei großer Hingabe der Beteiligten in erheblichem Maße Zeit und Geld, was den hohen Preis vieler High-End-Lautsprecher ein wenig verständlicher macht. Dass dieser Entwicklungsaufwand sich auch bei kleineren und günstigeren Boxenserien der Hersteller wiederfindet und deren Klangqualität anhebt, ist ein nützlicher Nebeneffekt.

Viele ausgefeilte Detaillösungen stecken in den Basstreibern der Aura-Serie.

Da die Aura-Serie kein eigenes Subwoofer-Modell hat, kommt in unserer Test-Konstellation der 300 Watt starke Wharfedale-Subwoofer SW-12 zum Einsatz – und das gleich in doppelter Ausführung.
Tonqualität Surround
Die Subs geben sich von Anfang an alle Mühe, sich sauber in das Aura-Set einzufügen: Mit ihrem Maximalpegel von satten 109 Dezibel und ihrer unteren Grenzfrequenz von 22,5 Hertz lassen sie wenig Zweifel an ihrer Eignung aufkommen. Auch die Auras selbst können im Messlabor glänzen, zum Beispiel mit ihren sehr linearen Frequenzgängen und ihrem guten Wirkungsgrad. Beim Center-Rundstrahlverhalten sind zwar Einbrüche bei großen Winkeln zu erkennen, die beschränken sich aber auf den unteren Mitteltonbereich. Oberhalb von zwei Kilohertz, also im Wirkungsbereich des AMTs, wird es sehr gleichmäßig. Einziger Wermutstropfen ist die zu geringe Minimalimpedanz der Aura 4, die bei 123 Hertz auf 2,8 Ohm absinkt. Sie sollte also mit stromkräftigen Verstärkern betrieben werden.
Beim Hörtest wird die Familienähnlichkeit mit dem vor einem Jahr getesteten Elysian-Set schnell deutlich: Die Auras gehen ähnlich engagiert und fein aufgelöst zur Sache wie ihre großen Geschwister. Besonders ihre Homogenität und bei aller Neutralität klangfarbenstarke Wiedergabe wissen zu gefallen. Das macht sanfte Klänge wie „Crash Into Me“ von Dave Matthews und Tim Reynolds genauso zum Genuss wie knackigen Rock á la „Away from the Sun“ von 3 Doors Down. Klar, das Live-Erlebnis gerade bei Letzterem vermittelt das große System immer noch unmittelbarer und mit mehr Dynamik, dafür kostet es aber auch mehr als doppelt so viel. In Sachen Räumlichkeit und Abbildung muss das Aura-Set hingegen kaum hinter den Elysians zurückstehen. Die Instrumente von Omar Hakims „Listen Up“ stehen fest umrissen und klar im Raum um den Hörplatz herum, so wie von den Toningenieuren beabsichtigt.
Was keineswegs bedeuten soll, dass das Aura-Set bei deftigem Kino-Krawall nicht punkten kann, die Schrotflinte aus „Ratatouille“ knallt beispielsweise mit Nachdruck und äußerst dynamisch, genauso wie der Blitz, der Ratte Remy und Kumpel eindrucksvoll vom Dach fegt. Dass die Briten-Kombi auch richtig Pegel kann, zeigt sie bei der Abschleppwagenszene aus „Terminator – die Erlösung“. Denn die bringt sie auch bei weit aufgedrehtem Lautstärkeregler völlig unverzerrt und mit überzeugender Dynamik. Daran haben auch die Subwoofer ihren Anteil, indem sie Tiefbass nachdrücklich und nahtlos dem Klangbild beifügen.
Tonqualität Stereo
Diese Tiefton-Ergänzung haben die Aura 4 bei Stereo-Musik eigentlich gar nicht nötig, sie bringen Bassfrequenzen auch ohne Subwoofer-Support sauber und trocken, dabei aber auch mit angemessenem Pegel zu Gehör. Das zeigt John Illsleys „Railway Tracks“ ebenso wie die geradezu penible räumliche Staffelung von Stimmen und Instrumenten. Mit Stimmen kommen die beiden Standboxen vorzüglich zurecht, wie sie mit „Wir woll´n unser Steak zart“ Sänger Stefan Stoppok so unmittelbar in den Raum projizierten, dass die Zuhörer ihn fast zu sehen glauben.



Der Testbericht Wharfedale Aura-Set (Gesamtwertung: 92, Preis/UVP: 8.400 Euro) ist in audiovision Ausgabe 3-2024 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
Projekt gelungen: Trotz seines deutlich geringeren Preises kommt das Aura-Set von Wharfedale in Sachen Klangqualität fast an die hauseigene Elysian-Baureihe heran. Damit landet es ebenfalls in unserer Referenzklasse.
Michael Nothnagel
