Focal Chorus 800 – Boxenset für 4.300 Euro
Mit dem Boxenset Chorus 800 von Focal zieht französisches Hightech-Flair ins Heimkino ein.
Die Gründung war bescheiden. Jacques Mahul schuf die Marke Focal 1980 in einer kleinen Ecke der väterlichen Fabrikhalle. An Anspruch mangelte es ihm aber nicht. Mit Blick auf Lautsprecher-Chassis der etablierten Hersteller sagte er überzeugt: "Das kann ich besser". Das Versprechen löste er in der Folge ein; vor allem in der damals sehr aktiven Selbstbau-Szene feierte er Erfolge.
Ausstattung und Technik
Inzwischen gehört Focal selbst zu den etablierten Herstellern, mit großer Fertigung bei Saint-Etienne. Der hohe Anspruch besteht jedoch weiter. Die Invers-Hochtonkalotte, mit der Mahul seine Firma bekannt machte, hält in verbesserter Form auch in der Chorus 800-Serie Einzug. Sie besteht aus einer Aluminium-/Magnesium-Legierung, ein recht harter Mix, der aber eine hohe innere Dämpfung aufweist. Resonanzen lassen sich zwar nicht komplett vermeiden, aber in den unhörbaren Bereich oberhalb von 20 Kilohertz verschieben.
Ebenfalls mit speziellem Material rüsteten die Franzosen ihre Tief- und Mitteltöner aus. Das so genannte Polyglass besteht aus gepresster Zellulose – anders gesagt: aus Papier, das von sich aus schon eine hohe innere Dämpfung aufweist. Seiner mangelnden Steifigkeit begegnet der Hersteller mit einer dünnen Schicht winziger Glaskügelchen, die gleichzeitig Resonanzen dämpft.
Als einer von wenigen Subwoofern auf dem Markt weist der SW 800 V von Focal
einen ungefilterten LFE-Eingang auf.
Gleich vier solcher Chassis mit je 16,5 Zentimetern Durchmesser stecken in den Frontboxen. Drei sind Tieftöner und für den Frequenzbereich unterhalb 200 Hertz verantwortlich, der oberste Treiber übernimmt die mittleren Töne bis drei Kilohertz, darüber kommt die Invers-Kalotte zum Einsatz. Sie sitzt auf einer kleinen Alu-Winkelplatte, deren zweiter Schenkel auf der Oberseite der Box aufliegt. Im Center arbeiten ebenfalls zwei Basschassis. Zwischen ihnen findet sich, leicht nach oben versetzt, ein Hochtöner. Die Surroundboxen weisen eine zweigeteilte, um etwa 50 Grad angewinkelte Front auf; auf jedem Abschnitt sitzen ein 13-Zentimeter-Tieftöner und ein Hochtöner. Beide Boxenteile sind als Bipol geschaltet (siehe Kasten rechts).
Das Bedienfeld besitzt nur drei Tasten.
Das Basschassis des Subwoofers Chorus SW 800 V besitzt ebenfalls eine Polyglass-Membran, hier mit 27 Zentimetern Durchmesser. Der ins Gehäuse abgestrahlte Schallanteil gelangt über ein Bassreflexrohr in den Raum zwischen Standplatte und Gehäuseboden. Das ist auch bei den Frontboxen so, sie verfügen aber über zwei weitere Bassreflexöffnungen vorne. Das Anschlussfeld des Sub ist nur mit den wichtigsten Bedienelementen – Pegel, Trennfrequenz und Phasenschalter – bestückt. Immerhin bringt er aber einen LFE-Eingang mit, der die Signale an der internen Frequenzweiche vorbeileitet. Auf der Front gibt es noch drei kleine Tasten, die ein Subsonic-Filter, einen Tiefbass-Boost und einen Dynamik-Kompressor aktivieren.
Zur Ausstattung gehören griffige, gut zu bedienende Schraubklemmen.
Das Design des Sets mit den vorn spitz zulaufenden Frontbespannungen und Acrylglasplatten gefällt. Die Verarbeitung hingegen enttäuscht. Die Seitenwangen sind nur mit einer einfachen Holzimitat-Folie beklebt, was billig wirkt, zumal die Folie nicht überall sorgfältig verarbeitet ist.
Tonqualität Surround
Gleich zweimal fielen die Frontboxen unseren Messtechnikern auf. Ihre minimale Impedanz liegt mit 2,6 Ohm zu niedrig und zudem bei 110 Hertz, einem Bereich, bei dem es im Heimkino und bei Musik um hohe Pegel geht. Schwachbrüstige Endstufen oder preiswerte AV-Receiver scheiden damit als Spielpartner für das Set aus. Die Frequenzgänge zeigen hingegen sehr positive Werte; Abweichungen von nur 2,2 Dezibel lassen auf eine neutrale, unverfärbte Wiedergabe schließen.
Umso mehr enttäuschen die ersten Töne im Hörraum. "Away From the Sun" von 3 Doors Down kommt mit seltsam wenig Druck, Sänger Brad Arnold klingt aggressiv und spitz. Mit "The Hand That Feeds" von den Nine Inch Nails bestätigt sich der Eindruck. Dieses ohnehin kantige Stück mit seinem satten Mittenanteil klingt ungenießbar, Bass und Grundton ertönen unterbelichtet, der Präsenzbereich dafür überbetont. Trotz guter dreidimensionaler Darstellung mit präziser Ortbarkeit stellt sich kein ausgewogenes Klangbild ein.
Interessant und ungewöhnlich ist das Design mit Acrylglas und spitz zulaufender Bespannung, hier eine Ansicht von oben.
Nach längerem Ausprobieren erweist sich der Verstärker, Pioneers Flaggschiff SC-LX 90, als Übeltäter. Den hatten die Tester verwendet, weil er mehr als genug Verstärkerleistung hat, sich bisher im Testalltag völlig problemlos zeigte und mit allen Boxen klar kam. Nicht aber mit dem Focal-Set: Das blüht erst auf, als wir ihm mit der 16.000 Euro teuren Vor/End-Kombi Statement D2/P5 von Anthem zu Leibe rücken. Jetzt ertönen 3 Doors Down mit dem gewohnten Druck im Tief- und Grundton, der Klangcharakter wirkt harmonisch. Die Focals entpuppen sich als echte Temperamentsbolzen und knallen die Explosionen aus der Eingangsszene von "Iron Man" mit ungeheurer Wucht in den Hörraum.
Selbst Lautstärken an der Schmerzgrenze bremsen das Set nicht. Es arbeitet feinste Details weiter penibel heraus, was sich in einer präzisen, greifbaren Ortbarkeit niederschlägt. Die Bipol-Surrounds halten mit, sie produzieren bei "Cars" ein schön einhüllendes Klangbild mit dem jubelnden Publikum rund um die Rennstrecke, lassen aber gleichzeitig die Autos punktgenau hinter den Hörern vorbeirasen.
Den präsenzbetonten, leicht aggressiven Charakter legen die Focals aber auch mit der Anthem-Kombi nie ganz ab. Der Klang wirkt immer etwas angestrengt, was etwa mit "Crash Into Me" von Dave Matthews und Tim Reynolds deutlich wird.
Nur um die 1.500 Hertz tritt im Rundstrahldiagramm des Focal-Centers ein
kräftiger Einbruch auf. Drastische Klangeinbußen brauchen aber selbst
seitlich aufs Sofa gequetschte Zuhörer nicht zu befürchten.
Tonqualität Stereo
Im Stereo-Betrieb überzeugen die Frontboxen bei Michael Ruffs "Speaking in Melodies" mit sattem, tiefem Bass und stellen Sänger wie Instrumente ultrapräzise auf. Auch die räumliche Tiefe kommt nicht zu kurz. Friend ’n Fellow gefällt bei "Crystal" mit präziser, sehr detaillierter und räumlich sauber gestaffelter Wiedergabe. Allerdings will auch hier der Funke nicht recht überspringen, weil die Wiedergabe nie wirklich luftig und locker wirkt.
Hochglanz mal anders: Front, Ober- und Rückseiten des Sets haben eine schwarze Acrylglas-Oberfläche.
Technik-Info: Dipol und Bipol
Bipol- und Dipol-Lautsprecher, wie sie im Heimkino eingesetzt werden, haben vor allem eine Aufgabe: Sie sollen das echte Kino möglichst perfekt nachahmen. Dort werden die Surroundsignale nämlich nicht nur von zwei Boxen wiedergegeben, sondern von mindestens acht, die in einer Reihe über Seiten- und Rückwand verteilt sind. So entsteht ein gleichmäßig einhüllendes Schallfeld neben und hinter den Zuschauern.
Dieser Effekt lässt sich mit zwei normalen Boxen nicht erreichen. Dazu benötigt man vielmehr Lautsprecher, die besonders breit abstrahlen, damit der größte Teil des Schalls die Zuhörer nicht direkt erreicht, sondern von mindestens einer Wand reflektiert wird. So lässt sich das Ohr täuschen und hört nicht nur eine, sondern viele Schallquellen. Technisch klappt das mit einem so genannten Bipol-Lautsprecher wie dem SR 800 V von Focal. Dabei handelt es sich um eine Konstruktion, bei der zwei gleiche Lautsprechereinheiten den vollen Frequenzbereich abstrahlen, allerdings nicht in die gleiche Richtung, sondern entweder von entgegengesetzten Seiten der Box aus oder von zwei um etwa 45 Grad angewinkelten Schallwänden. Keine der beiden Seiten darf dabei direkt auf den Hörer ausgerichtet sein.
Dipol-Lautsprecher sind ähnlich aufgebaut wie Bipole. Ihr zusätzliches Ziel besteht darin, dass möglichst nur der von den Wänden reflektierte Schall beim Zuhörer ankommt und praktisch kein Direktschall. So soll sich die einhüllende Wirkung weiter verbessern, denn die Schallquelle, die dem Hörer am nächsten ist – und deshalb auch am meisten zur Ortbarkeit beiträgt – fällt komplett weg. Erreichen lässt sich das, indem man die beiden Hälften einer Bipol-Box gegenphasig ansteuert. Denn dann wird auf der Achse, die den Winkel zwischen den Schallwänden halbiert, nichts mehr hörbar, denn hier löschen sich die Anteile beider Hälften aus.
Das funktioniert aber nur bis zu Frequenzen, deren Wellenlängen merklich kleiner ausfallen als die Abmessungen der Boxen. Darunter löschen sich die Anteile beider Hälften komplett aus, was bedeutet, dass im Bass- und unteren Mitteltonbereich kein Ton mehr beim Zuhörer ankommt. Es gibt verschiedene Ansätze, um dieses Problem zu umgehen, sie alle bedeuten aber mehr Aufwand: Beispielsweise lässt sich ein Extra-Chassis ausschließlich für den Bassbereich einsetzen. Alternativ kann man per Frequenzweiche erreichen, dass die Box erst oberhalb einer bestimmten Frequenz gegenphasig abzustrahlen beginnt.
Fazit
Das Focal-Set polarisiert: Fans des analytischen Sounds mit potentem Verstärker werden mit den französischen Boxen glücklich. Normale AV-Receiver hingegen zeigen sich überfordert.
Technische Ausstattung und Bewertung
Der Testbericht Focal Chorus 800-Set (Gesamtwertung: 74, Preis/UVP: 4300 Euro) ist in audiovision Ausgabe 4-2009 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.