Mit Mini-LED-Technik sagt der Sony XR-75X95L der OLED-Konkurrenz den Kampf an. Für 3.300 Euro ist der 75-Zöller, das diesjährige LCD-Flaggschiff der Japaner, auch preislich sehr interessant.
Multifunktionsfuß, Hochtonlautsprecher und Mini-LEDs. Sony fährt bei seinem besten LCD-Fernseher des aktuellen Jahrgangs einiges an Technik auf. Während der Vorgänger mit 432 Dimmingzonen aufwartete, sind es beim XR-75X95L über 1.000. Das lässt auf ein satteres Schwarz und eine homogenere Ausleuchtung hoffen.
Praktisch und durchdacht ist das Sony-Fußkonzept, das flexible Aufstellmöglichkeiten des Flachmanns erlaubt. So kann man die Aluminiumfüße recht zentral montieren, was ideal für schmalere Sideboards ist. Maximale Standfestigkeit lässt sich erzielen, wenn man dem TV-Riesen mit einer Diagonale von 189 Zentimetern die Füße außen anschraubt. Wer unter dem Fernseher eine Soundbar platzieren möchte, entscheidet sich für das Soundbar-Setup, wodurch das Panel angehoben wird. Für das Aufstellen des 44,1 Kilo schweren Apparats sollte man sich Hilfe holen, denn mit Verpackung sind stolze 57 Kilo zu bewegen. Falls es eine Nummer kleiner sein soll, kann man den X95L auch in 65 Zoll für knapp 2.700 Euro erwerben, für den 85-Zöller sind 4.500 Euro hinzublättern.
Ausstattung & Bedienung
Nach der Einrichtung des Sony – wahlweise per Smartphone oder klassisch mittels Fernbedienung – fühlen sich auch Neukunden sofort heimisch. Dafür sorgt die Bedienoberfläche von Google TV, die auf der Basis von Android 10 flüssig und flott läuft. Der Startbildschirm ist mit zahlreichen Apps übersät, die sich primär im Bereich Streaming ansiedeln. Mit diesen ist der 75-Zöller grundsätzlich sehr gut bestückt und lässt keine Wünsche offen. Zum Portfolio zählen unter anderem Bravia Core, Apple TV+, Disney+, Amazon Prime Video, Netflix, HD+, Zattoo, RTL+, Netzkino, Disney+, DAZN, WOW und Joyn. Unterschiedliche Familienmitglieder können
individuelle Konten anlegen, um von personalisierten Programmvorschlägen zu profitieren. Je öfter ein Nutzer den Sony einschaltet, desto besser lernt der Fernseher die jeweiligen inhaltlichen Präferenzen kennen und unterbreitet gezielt Vorschläge. Google TV ist zudem optisch ansprechend und lässt bei der Bedienung keine Fragen offen. Wer den Flachmann per Mobilgerät mit Inhalten drahtlos füttern will, kann Apple AirPlay 2, Bluetooth, Miracast und Chromecast verwenden.
Freie Auswahl: Mit oder ohne Ziffernfeld – Besitzer des 75-Zöllers haben die Wahl, weil Sony zwei Fernbedienungen mitliefert. Unser Favorit ist der Signalgeber mit hochwertiger Aluminium-Oberfläche und beleuchteten Tasten. Eine spezielle Beschichtung erleichtert das Reinigen der Tasten, hoher Bedienkomfort ist garantiert.
Wie die meisten aktuellen Fernseher hat der XR-75X95L vier HDMI-Buchsen verbaut. Wichtig für Gamer: Von diesen beherrschen zwei den Standard 2.1 mit 4K-Wiedergabe bei 120 Hertz, Auto Low Latency Mode (ALLM) und Variable Refresh Rate (VRR). Besitzer einer PlayStation 5 freuen sich über die Features Tone Mapping mit HDR-Automatik und den automatischen Genre-Bildmodus. Wer auf klassischen TV-Empfang steht: Die Tuner für Kabel, Satellit und DVB-T2 sind jeweils doppelt verbaut. Das hat bei Aufnahmen auf USB-Festplatte den Vorteil, dass man beispielsweise die Lieblingsserie im Zweiten aufnehmen, gleichzeitig aber das Fußballspiel im Ersten verfolgen kann. Time-Shift via USB-Festplatte gelingt nicht – ist der Flat-TV jedoch per Kabel oder mittels WLAN ins Internet eingebunden, lassen sich viele öffentlich-rechtliche Programme nach einem Druck auf die blaue Taste der Fernbedienung von vorne starten.
Beim Prozessor verzichten die Japaner auf bahnbrechende Innovationen. Den Cognitive Processor XR kennt man bereits aus dem Vorjahr, ebenso Sonys Versprechen, dass dieser die Welt wie das menschliche Auge wahrnimmt und dem Bild auch bei der Schärfe einen charakteristischen Look verpassen soll. Um eine Optimierung der Bewegungsdarstellung sowie eine Erhöhung der Klarheit bei gleichzeitiger Reduzierung von Unschärfen kümmert sich die neue XR Clear Image Technologie. Die Japaner haben nach eigenen Angaben den Prozessor dahingehend modifiziert, dass dieser jetzt eine bessere Steuerung der Hintergrundbeleuchtung für mehr individuell dimmbare Zonen, höhere Helligkeit und die Minimierung von Lichtschleiern um helle Bereiche unterstützt.
Premiere feiert im XR-75X95L das so genannte Öko-Dashbord im Menüpunkt „Stromversorgung & Energie“. Hier will Sony Ihnen helfen, den Energieverbrauch des Fernsehers zu reduzieren. Sie haben unter anderem die Möglichkeit, den Umgebungslichtsensor zu aktivieren, damit der 75-Zöller automatisch die Panel-Helligkeit an das vorhandene Licht im Wohnzimmer anpasst. Außerdem können Sie beim Energiesparen aus drei Intensitätsstufen auswählen. Sie müssen jedoch bedenken: Die volle Leuchtkraft des Flachmanns genießen Sie nur, wenn Sie alle Energiespar-Helfer deaktivieren und auch auf den Umgebungslichtsensor verzichten.
Optisch und haptisch ist die handliche Fernbedienung ein Leckerbissen. Der Signalgeber fühlt sich gut an, die Aluminium-Oberfläche ist hochwertig, und die Tasten sind nicht nur beleuchtet, sondern verfügen über eine praktische Polyurethanbeschichtung. So lassen sich die Tasten unkompliziert abwischen, störende Fussel bleiben kaum haften. Hat man die Fernbedienung mal verlegt, nutzt man deren integrierte Suchfunktion. Sie macht dann sowohl optisch als auch akustisch auf sich aufmerksam. Wer das klassische Ziffernfeld auf dem Steuerstab vermisst, das in Zeiten des immer populäreren Streamings kontinuierlich an Bedeutung verliert: Eine zweite Kunststoff-Fernbedienung mit Ziffernfeld liegt bei. Sprachbefehle verarbeitet der Sony mittels Google Assistant. Hier ist die Fernbedienung nicht nötig, Befehle nimmt der Apparat über ein eingebautes Mikrofon selbstständig entgegen.
Wer will, kann die so genannte Bravia Cam zusätzlich erwerben. Mit deren Hilfe lässt sich der 75-Zöller unter anderem per Gesten steuern. Das Anpassen der Lautstärke und das Wechseln von Sendern funktioniert, gelingt per Fernbedienung aber deutlich flotter als via Handzeichen. Sitzt man zu nah vor dem Fernseher, weist der Sony darauf hin, was speziell für den Nachwuchs ganz praktisch ist. Die bildlichen und tonalen Anpassungen über die Cam sind bestenfalls marginaler Natur und deshalb zu vernachlässigen.
Bild- und Tonqualität
Zwei Aspekte interessieren uns beim XR-75X95L besonders: Wie hell leuchtet er, und wie satt ist seine Schwarzdarstellung? Die Leuchtkraft haut uns schon mal vom Hocker. Im „Standard“-Modus (bei unserer Messung das hellste Setting) strahlt der 75-Zöller mit bis zu 1.790 Candela, im farblich besten „Kino“-Modus sind es satte 1.520 Candela. Die Helligkeit halbiert sich auf 775 Candela bei 50-prozentigem Weißanteil, ist der ganze Bildschirm weiß, sind 605 Candela möglich. Beim ANSI-Kontrast ermitteln wir einen Wert von 2.600:1.
Das Schwarz des Flachmanns ist im Sichttest sogar noch besser, als unser ANSI-Messwert erwarten lässt. Es gibt fast keinen Grund mehr, in dieser Disziplin zu einem OLED mit selbstleuchtenden Pixeln zu greifen. Voraussetzung: Man reduziert im „Kino“-Modus den „Schwarzwert“ auf 40 bis 45 und stellt die „Autom. lokale Dimmung“ auf „Mittel“ oder „Hoch“. Sitzt man frontal vor dem Panel, ist Schwarz super dunkel, es gibt keine Aufhellungen. Problematischer reagieren LCD-Fernseher in der Regel bei seitlichen Blickwinkeln. Aber auch hier punktet der Sony durch sehr dunkles Schwarz und eine homogene Ausleuchtung. Bei hellen Einblendungen sind die grauen Lichthöfe nur sehr gering, die Performance ist wirklich stark. Dies betrifft ebenfalls die Entspiegelung des XXL-Bildschirms und die Farbdarstellung, wenn man von der Seite schaut. Farben behalten ihre enorme Power und Leuchtkraft sehr lange bei.
Überhaupt gehört die Farbreproduktion zu den Stärken des Japaners. Genauigkeit und Intensität sind top. Mit den Modi „Brillant“, „Standard“ und „Kino“ deckt man die ganze Bandbreite optischer Darstellungs-Optionen ab – von brutal scharf, klar und super bunt bis hin zu extrem authentisch und natürlich, aber immer noch angenehm scharf und plastisch. HDR-Sympathisanten müssen auf HDR10+ verzichten, ansonsten werden die Formate HLG, HDR10 und Dolby Vision unterstützt. Vor allem Filme und Dokumentationen mit Dolby-Vision- Power sehen auf dem Sony farblich druckvoll, kontrastreich und dynamisch aus. Auch in dunkleren Bildpassagen, beispielsweise bei Tauchgängen, begeistern die Detailfreude und die Feinzeichnung, mit der einzelne Fische, Pflanzen und Luftblasen voneinander getrennt werden.
Für einen überzeugenden Ton haben die Japaner ihrem 75-Zöller ein 60 Watt starkes Soundsystem mit zwei Mittelton-, zwei Hochtonlautsprechern und zwei Subwoofern spendiert, Dolby Atmos findet man ebenfalls in der Ausstattungstabelle. Ob Stimmen, Action, Musik oder Sport – akustisch ist der XR-75X95L immer auf der Höhe und agiert unangestrengt mit schöner Transparenz. Seine Stimmverständlichkeit ist top. Auch die Klangfülle kann sich hören lassen, höhere Pegel bringen den Sony nicht so schnell aus dem Tritt. Für eine bestmögliche Anpassung der Soundeigenschaften an den Aufstellort ist eine Akustikkalibrierung per Fernbedienung möglich.
Der Testbericht Sony XR-75X95L (Gesamtwertung: 92, Preis/UVP: 3.300 Euro) ist in audiovision Ausgabe 10-2023 erschienen.
Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.
AV-Fazit
LCD-Fernseher und Referenzklasse – wie mühelos dies gelingt, beweist der XR-75X95L eindrucksvoll. Der Sony leuchtet hell, stellt super Schwarz und kräftige Farben dar, ist klangstark und punktet zudem durch hohen Bedienkomfort.
Jochen Wieloch