LG 75SM9900PLA (Test)

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Der Steuerstab liegt ergonomisch schön geformt gut in der Hand. Ein besonderes Merkmal ist die Mauszeiger-Funktion.

75 Zoll und 7.680 mal 4.320 Pixel für gerade mal 5.000 Euro – LG lässt sich beim 75SM9900PLA nicht lumpen. Im Zusammenspiel mit AirPlay 2, Dolby Vision, Dolby Atmos und ihrem leistungsstärksten Prozessor schnüren die Koreaner ein attraktives Paket.

Den Preis bei Flat-TVs bestimmen neben der Bildschirmtechnik und der Ausstattung aktuell zwei wesentliche Faktoren: die Display­größe und die Auflösung. Fernseher oberhalb einer Bildschirmdiagonalen von 65 Zoll sind traditionell überdurchschnittlich teuer, weil Panel in dieser Größenordnung noch in vergleichsweise geringen Stückzahlen produziert werden. Preistreiber Nummer zwei ist die Pixelzahl: Während 4K-Auflösung mittlerweile Standard ist, kann man Flat-TVs mit 8K-Display noch an zwei Händen abzählen. Das katapultiert die Investitionskosten der Verbraucher in teilweise astronomische Höhen. 5.000 Euro erscheinen da fast schon als Schnäppchen, die LG für sein erstes 8K-LCD-Modell 75SM9900PLA aufruft.

Keiner ist günstiger, so verlangt Samsung für den 75Q950R um die 5.500 Euro, für Sonys zehn Zoll größeren 8K-Boliden KD-85ZG9 werden gar 16.000 Euro fällig.

Gut für Aufnahmen: Twin-Tuner ermöglichen es, eine Sendung zu schauen und parallel dazu ein anderes Programm auf USB-Festplatte mitzuschneiden.

Vier gewinnt: Wie in dieser Preisklasse üblich hat der LG ein Quartett an HDMI-Buchsen verbaut. Zudem findet man seitlich einen „CI+“-Schacht.

Schnell montiert: Das große Display wird mittels vier Schrauben am stabilen Standfuß festgeschraubt.

LGs 75SM9900PLA arbeitet mit Direct-LED-Backlight und Full Array Local Dimming Pro. Im Gegensatz zu Geräten mit Edge-LED, bei denen die LEDs am Bildschirmrand angebracht sind, werden die LEDs hinter der Gesamtfläche des Panels verteilt. Dies schafft die Voraussetzungen für ein tieferes Schwarz und gleichmäßig ausgeleuchtetes Bild.

Das Display des mit Standfuß 42 Kilogramm schweren 75-Zöllers trägt unten rechts den Aufdruck „NanoCell“. Hintergrund: LG verwendet für eine möglichst realistische Farbreproduktion gerade mal ein Nanometer kleine Nanopartikel, sogenannte Farb­reiniger, die dazu beitragen sollen, unerwünschte Farb-Wellenlängen zu eliminieren. Um die Reinheit des RGB-Spektrums zu verbessern, werden unreine, matte Farben herausgefiltert.
Die Koreaner versprechen beim 75SM9900PLA zudem „echtes 8K“. Dabei beruft sich LG auf Messkriterien des International Committee for Display Metrology (ICDM), einer globalen Organisation, die Standards für die Messung der Panel-Performance entwickelt. Ein Aspekt ist dabei die Kon­trastmodulation (contrast modulation; CM). Demnach kommt es bei 8K nicht nur auf die Anzahl der darstellbaren Pixel, sondern auch darauf an, wie exakt sich einzelne Pixel-Linien voneinander unterscheiden lassen.

Egal ob 8K oder 4K: Die Benutzeroberfläche von webOS 4.5 ist natürlich identisch und gefällt durch ihre klare Anordnung und den hohen Bedienkomfort.

Den geforderten Mindestwert von 50 Prozent übersteigt der 75-Zöller demnach laut VDE-Messung (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) mit 88 Prozent deutlich. 8K-Modelle von Mitbewerbern kommen LG zufolge lediglich auf einen CM-Wert von 13 Prozent. Auf diesen Umstand wies LG auch werbewirksam auf der IFA hin (wir berichteten).

AirPlay und HomeKit: Der LG erlaubt das Streamen von iPads und iPhones. Außerdem unterstützt er Apples Heimautomatisierungsprotokoll HomeKit.

Ausstattung und Praxis

Für kurze Reaktionszeiten, flottes Bedientempo und eine aufwändige Bild- und Tonaufbereitung werkelt im 75SM9900PLA die 8K-Variante des Alpha9-Prozessors der zweiten Generation. Dieser analysiert die Originalquelle und legt unter anderem an Schärfe und Details Hand an.

Die Ausstattung ist insgesamt üppig: Twin-Tuner für Kabel, Satellit und DVB-T2 sind inzwischen fast Standard. Der LG zeichnet Programme auf USB-Festplatte auf, unterstützt Time-Shift, Dolby Atmos, Dolby Vision, Amazon Alexa, Google Assistant, AirPlay 2 und taucht neuerdings in Apples HomeKit-App auf, um das Gerät beispielsweise ein- und auszuschalten oder es in eine Konfiguration einzubetten, bei der gleichzeitig mehrere Geräte parallel angesprochen werden können. Ein zusätzliches Feature ist die Option, den Fernseher dank der integrierten CalMan-Autokalibrierung noch präziser als ab Werk einzustellen und Farben nach Experten-Vorgaben zu justieren. Da hierzu jedoch noch ein Spektrometer und die CalMan-Software auf einem Windows-Rechner erforderlich sind, richtet sich dieses Werkzeug primär an Fachhändler oder ambitionierte Zuschauer.

Der Prozessor ermöglicht die 4K-Wiedergabe mit 120 Bildern pro Sekunde (HFR) sowohl per USB als auch über HDMI. Ebenfalls sehr leistungsstark ist der Mediaplayer, der Fotos und Videos in 360-Grad-Darstellungen umwandelt. Streaming vom Smartphone gelingt neben AirPlay 2 auch per Google Chromecast und Miracast sowie die kostenlose App „LG TV Plus“, die auf iOS und Android läuft. Üppig fällt das App-Angebot auf dem 75-Zöller aus. Film- und Sportfans freuen sich hier unter anderem über Netflix, Rakuten TV, Amazon Prime Video, DAZN, YouTube, Maxdome, Google Play Filme, Magenta Sport, meinVOD, MySpass, Sky Q, Sky Ticket, Videociety, Videoload, Zattoo und den Online-Videorecorder YouTV.

Bildqualität

Die megahohe Auflösung ist nur ein Aspekt eines sehr guten Fernsehers. Ein anderes wichtiges Kriterium ist die Leuchtkraft. Und diesbezüglich bietet der 75SM9900PLA die richtige Performance. Im „Lebhaft“-Modus schafft er in Spitzlichtern bis zu 940 Candela. Natürlich ist das Bild jetzt extrem knallig und eignet sich in diesem Setting primär für sonnenlichtdurchflutete Räume. Damit man den Apparat mit einer Diagonalen von 189 Zentimetern mal ins Freie schleppt, muss aber Deutschland wahrscheinlich schon im EM-Finale stehen.

Um 8K-Inhalte per USB-Stick oder aus dem Internet auf dem 75-Zöller anschauen zu können, ist eine 8K-Decoderbox erforderlich. Doch wird die schwarze Kiste nicht etwa mit dem Fernseher ausgeliefert oder automatisch an Käufer des 75SM9900PLA geschickt. Stattdessen müssen sich Kunden im Internet unter lg.com/support registrieren, erst dann geht die Box auf die Reise.

Eine Strippe genügt nicht: Um 8K-Inhalte in nativer Auflösung auf dem 75-Zöller zu erleben, muss man die Decoder-Box sowohl per USB als auch per HDMI mit dem Fernseher verbinden.

Dass externe Hardware zur 8K-Wiedergabe benötigt wird, merkt man zudem nur, wenn man über eine der USB-Buchsen am Fernseher natives Material mit 7.680 x 4.320 Pixeln zuspielen will.

Lieferung erst nach Registrierung: Der 75SM9900PLA kommt ohne die Anschlussbox zu seinen neuen Besitzern des Flat-TVs nach Hause.

Grundsätzlich ist die von LG gewählte Lösung von Vorteil. Für künftige Updates muss nicht der ganze Fernseher getauscht werden, im schlimmsten Fall reicht der Wechsel des Kistchens, falls sich dieses nicht per Software-Aktualisierung auf den neuesten Stand bringen lassen sollte.

Beim ersten Versuch, 8K-Videos per USB am LG-TV abzuspielen, erscheint dieser Hinweis auf die fehlende Decoderbox (hier als Dongle bezeichnet).

Die Box ermöglicht es, unter anderem YouTube-Filme in 8K-Auflösung auf dem LG zum Leben zu erwecken. Dazu liefert sie die Unterstützung des VP9-Formats und außerdem die Verarbeitung des HEVC-Codecs. Sollte ein H.266-Codec entwickelt werden, dürfte sie ebenfalls nachgerüstet werden können.

 

Im Modus „Kino“ sind die Farben am exaktesten voreingestellt. Hier sind bis zu 845 Candela drin. Bei 50-prozentigem Weißanteil verringert sich die Leuchtkraft jedoch auf 490 Candela, bei vollflächigem Weiß bleiben noch 400 Candela übrig. Entscheidet man sich für „technicolor Experte“ mit ebenfalls sehr natürlichen Farben, holt der LG bis zu 50 Candela mehr aus seinem Panel heraus. Kein Weg führt an der Farbtemperatur „Warm 2“ vorbei. Mit 6.456 Kelvin wird der 75-Zöller nahezu perfekt ausgeliefert.

Die entscheidende Frage: Bietet 8K gegenüber 4K einen echten Mehrwert? Antwort: Ja, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Sitzabstand muss möglichst gering sein, nicht mehr als einen Meter. Außerdem muss das native 8K-Material auf die spezifischen Stärken der hohen Pixelzahl abgestimmt sein.

Solche Städteansichten mag der LG. Die Tiefenwirkung ist ausgezeichnet, das Bild wirkt unwahrscheinlich detailreich und plastisch.

Der 75SM9900PLA begeistert besonders, wenn er extrem detailreiches Bewegtbildmaterial zugespielt bekommt. Beispielsweise die Nahaufnahme eines Schmetterlings oder die Totale einer Millionenmetropole. Dann erhalten die Aufnahmen durch die unglaublich feine Pixelstruktur einen enormen qualitativen Schub. Je nach Motiv begeistern die exzellente Strukturiertheit oder die tolle Räumlichkeit. 8K benötigt genau diese Nuancen, spannende Oberflächen und charakteristische Feinheiten, sonst verpufft der Pixel-Vorteil ganz schnell.

Im Flügel des Schmetterlings sind bei 8K-Auflösung kleinste Strukturen und Pigmente erkennbar, die Übergänge sind ganz fein gezeichnet.

Um die Schwarz-Darbietung des LG zu testen, nehmen wir die HD-Netflix-Produktion „Reise zum Saturn“ mit vielen düsteren Aufnahmen im Weltall. Der Sternenhimmel bei Minute 17:43 zeigt, dass der 75-Zöller beim Thema Schwarz ganz schön tief in den Keller klettern kann. Schwarz ist hier deutlich mehr als nur ein dunkles Grau, kommt aber an eine OLED-Darstellung nicht heran. Die Ausleuchtung ist so lange gleichmäßig, bis hellere Objekte im Bild erscheinen. Schiebt sich die Erdkugel in die linke Bildschirmhälfte, so hellt die Umgebung außerhalb des Erdtrabanten auf. Um die dunkle homogene Fläche ist es damit geschehen. Auch weiße Symbole wie die Einblendungen von Netflix oben links für „Audio und Untertitel“ sorgen auf schwarzem Untergrund für eine lokale Aufhellung.

Keine 100 Prozent: Bei Grün, Rot und Gelb deckt der LG das DCI-P3-Spektrum nicht vollständig ab.

Sobald es etwas heller und farbiger zugeht, ist von diesem Defizit nichts mehr zu bemerken. In der Dokumentation „Die Nordsee von oben“ spielt der 75SM9900PLA mit feinsten Unterschieden bei Blau- und Grüntönen, arbeitet kleinste Strömungen und Schaumkronen selbst aus großer Entfernung detailliert heraus und illustriert eindrucksvoll, dass das Meer lebt und keine gleichmäßige Fläche ist.

Reine Farben: Im SDR-Bereich arbeitet der 75-Zöller sehr präzise, lediglich bei Violett weicht er minimal ab.

UHD-Material wirkt wie aus einem Guss – der HDR-Streifen „Im hohen Gras“ spielt mit perfekter Schärfenverlagerung, ist authentisch wie die Realität und vermittelt ob der enormen Panelgröße ein waschechtes Gefühl wie im Kino. Wir empfehlen, den „Dynamischen Kontrast“ auf „Mittel“ zu stellen, das steigert die Plastizität spürbar. Ebenfalls kann man den Kontrast über die Einstellung „LED Lok. Dimming“ deutlich anheben. Abgesehen von HDR10+ unterstützt der LG mit Dolby Vision, HLG und HDR10 alle wichtigen Standards.
Bei der Blickwinkelstabilität hat der 75-Zöller gegenüber einem OLED das Nachsehen. Speziell bei düsteren Passagen sollte man die optimale Sitzachse nicht zu weit nach oben, rechts oder links verlassen, weil das Bild sonst stark aufhellt. In helleren Passagen hat man mehr Bewegungsspielraum. Bis zu 40 Grad darf man von der Mittelachse abweichen, ohne ein gravierendes Ausblassen der Farben zu bemerken. Der ANSI-Kontrast fällt mit 1.100:1 hoch aus.

Einziges 8K-Indiz: Im Menüpunkt „HDMI Ultra HD Deep Colour“ unter „Zusätzliche Einstellungen“ kann man von 4K auf 8K umstellen.

Bei HD-Sendern muss man erstaunlich wenig Abstand zum LG haben, um ein rauschfreies, super­scharfes Bild genießen zu dürfen. 2,50 Meter ist eine ideale Distanz, um den optimalen Kompromiss aus Bildqualität und XXL-Leinwand-Feeling zu erzielen. Wer noch SD-Material zuspielt, beispielsweise von Privatsendern, der muss logischerweise qualitative Einbußen hinnehmen, die aber trotz der großen Diagonale geringer ausfallen als erwartet. Die Farben sind überraschend kräftig, die Bildtiefe ist ordentlich. Gelegentliches Rauschen und eine unsaubere Kantendarstellung kann aber auch der intelligente Prozessor nicht vollends vermeiden.

Tonqualität

Der 75-Zöller ist mit einem 2.2-Soundsystem mit einer Leistung von 40 Watt ausgestattet. Für eine deutlich fülligere Klangbühne sorgt die Unterstützung von Dolby Atmos. Eine Besonderheit besteht in der Option, über „Al-Ton“ virtuellen 5.1-Surround-Sound zu erzeugen. Der ist im Gegensatz zur Stereo-Variante angenehm breit und luftig, die Klangcharakteristik ist eine komplett andere. So macht auch mal ein Konzertmitschnitt Spaß, auch Zuschauer auf seitlichen Sitzplätzen werden als Zuhörer nicht enttäuscht. Positiv: Selbst bei höheren Pegeln bleibt der LG akustisch noch präzise und neigt zu keinen unangenehmen Verzerrungen. Das Bassvolumen ist überschaubar. Über die Magic-Remote-Fernbedienung kann man die Raumakustik erfassen und optimieren – die Unterschiede sind allerdings nur marginaler Natur.

Der Testbericht LG 75SM9900PLA (Gesamtwertung: 56, Preis/UVP: 5000 Euro) ist in audiovision Ausgabe 1-2020 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

84 sehr gut

8K-Auflösung, tolles Bild, guter Ton und eine üppige Ausstattung: Mehr Fernseher als der
75SM9900PLA von LG kann man für 5.000 Euro derzeit nicht erwarten. Trotz kleineren Defiziten bei der Schwarzdarstellung ist LGs neues LCD-Flaggschiff ein echtes Highlight.
Jochen Wieloch

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