Grundig 55GOB9099 (Test)

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Viererpack: Prime Video, Netflix, DAZN und TV Now lassen sich direkt öffnen. 

Grundig ist der erste Hersteller, der das Fire-TV-Betriebssystem von Amazon in seine Fernseher
integriert. Alexa-Sprachbefehle werden sogar ohne Fernbedienung direkt vom TV-Gerät verarbeitet. Kann das Konzept überzeugen?

Etwas sperrig ist die Bezeichnung des 2.500 Euro teuren Flachmanns schon: 55 GOB 9099 OLED Fire TV Edition HF. Dahinter verbirgt sich eine Innovation, die Grundig auf seiner Webseite als „Amazon Fire TV Experience“ anpreist. Aus gutem Grund, denn das Betriebssystem des Fernsehers bzw. dessen Oberfläche sieht so aus wie beim beliebten Fire TV Stick des Online-Händlers. Novum Nummer zwei: Für Sprachbefehle ist man wie beim Fire TV Cube nicht auf die Fernbedienung angewiesen: Acht Mikrofone am Fernseher reagieren auf die Stimme – eine Taste unterhalb des Grundig-Logos ermöglicht die Deaktivierung der so genannten Fernfeld-Sprachsteuerung.

Das Panel fällt OLED-spezifisch mit nur fünf Millimetern extrem schlank aus. Ein Metallrahmen sorgt für eine stabile Umrandung. Mit 30,4 Kilo ist das Gewicht für einen 55-Zöller beachtlich. Der Apparat thront auf einem stabilen Metallfuß, eine Wandbefestigung ist dank VESA-Norm 400 x 300 möglich. An der Unterseite des Bildschirms sitzt ein flacher Lautsprecher. Das Drei-Wege-Stereosystem liefert 90 Watt und unterstützt Dolby Atmos.

Alexa-Schalter: Unterhalb des Grundig-Logos kann man die Mikrofone deaktivieren, damit der Sprachassistent direkt über den Flat-TV ausgeschaltet ist.

Ausstattung & Praxis

Selbstredend hat der Grundig Tuner für Kabel, Satellit und DVB-T2, diese sind jedoch nur einfach ausgelegt. Das genügt, da der 55 GOB 9099 ohnehin keine Programme auf USB-Festplatte aufzeichnen kann, Time-Shift ist hingegen möglich. Die drei HDMI-Buchsen unterstützen lediglich HDMI2.0, bei den beiden USB-Buchsen kommt USB2.0 und nicht das neuere USB3.0 zum Einsatz. Ein „CI+“-Slot und ein optischer Audio-Ausgang sind vorhanden, ein Kopfhöreranschluss fehlt allerdings.

Abgespeckt: Für Kabel, Satellit und DVB-T2 hat der Grundig lediglich Single-Tuner an Bord; auch auf einen Kopfhöreranschluss muss man verzichten.

Vor der Einrichtung muss die Bluetooth-Fernbedienung durch einen zehn Sekunden langen Druck der Home-Taste mit dem Fernseher gekoppelt werden. Die Basisfunktionen wie Fernsehen oder die Wiedergabe von Fotos und Musik per USB-Stick lassen sich auch ohne Amazon-Account nutzen, aber erst mit Konto (kostenloses Basic- oder Prime-Konto für 7,99 Euro/Monat bzw. 69 Euro/Jahr) hat man Zugriff auf Apps, Filme und Serien. Während des Setups darf man auswählen, welche Apps heruntergeladen werden sollen, beispielsweise Zattoo oder die Mediatheken von ARD und ZDF. Im finalen Schritt werden die TV-Sender gesucht.

EPG an Bord: Ein Druck auf die Guide-Taste der Fernbedienung genügt, und schon öffnet der Grundig einen übersichtlichen Programmführer.

Während dies per DVB-T-Antenne sehr flott ging, mussten wir per Kabel fast eine halbe Stunde warten. Die Sendersortierung ist zudem katastrophal. Ganz vorne findet man nicht ARD, ZDF und RTL, sondern Sky Sport Bundesliga UHD, 1-2-3-.tv HD, 13th Street HD, 3sat HD, Animal Planet und Anixe HD. Sender lassen sich zwar verschieben und ausblenden, bei der Fülle an Programmen per Kabel und Satellit ist das jedoch eine Fleißaufgabe.

Live-TV: Der Grundig-OLED empfängt Fernsehen per Kabel, Satellit und DVB-T2. Über eine waagerechte Senderliste sieht man auch andere Programme.

Der Fire TV ist das perfekte Gerät für alle, die gerne Streaming-Dienste nutzen und linearem Fernsehen nicht mehr die oberste Bedeutung beimessen. Die zuletzt gesehenen Programme findet man in der Rubrik „Live“. Aus dem TV-Betrieb kann man die Senderliste aufrufen, leider sind die Umschaltzeiten desaströs: Bei bis zu sechs Sekunden überlegt man sich zweimal, ob man den Sender wechselt.

Lange Reise: Unser Testgerät kam aus der Türkei. Schließlich erfolgt die Produktion der Grundig-Fernseher seit vielen Jahren in Istanbul beim Eigentümer Arçelik.

Eher zufällig haben wir eine nicht gerade unwichtige Funktion entdeckt: Ein längerer Druck auf die „Home“-Taste bringt ein Menü mit Parametern wie Senderliste, Eingängen sowie Bild- und Toneinstellungen ans Licht. Letztere stehen auch bei Streaming-Diensten bereit. Jedoch kann man die Auswirkungen von Bildveränderungen nicht so einfach feststellen, weil Netflix-Streifen zum Beispiel pausieren und sich alles hinter der Titeleinblendung verdunkelt.

Hinter Fire TV verbergen sich neben der Film- und Serien­welt von Amazon Prime Video auch zahlreiche andere Streaming-Anbieter wie Netflix, YouTube, der Eurosport Player, Zattoo, Netzkino oder DAZN. Rakuten TV oder Maxdome fehlen hingegen. Da der Grundig-OLED keine Aufnahme-Funktion besitzt, ist es ganz praktisch, dass die YouTV-App unterstützt wird (mehr hierzu ab Seite 50). So lassen sich Aufnahmen per Cloud-Recorder realisieren. In der Rubrik „Meine Videos“ findet man Filme und Serien, auf die man als Abonnent von Prime Video Zugriff oder die man in der Vergangenheit möglicherweise bereits erworben hat. Insgesamt arbeitet Fire TV auf dem 55-Zöller recht flott, phasenweise hakelt es jedoch noch an Performance und Feinabstimmung.

Gemischtwarenladen: Im „Live“-Menü stellt Fire TV sowohl TV-Sender als auch Streaming-Apps und Mediatheken in einer Ansicht bereit.

Eine der großen Stärken des 55 GOB 9099 ist die ausgereifte Sprachsteuerung. Das Schöne: Befehle kann man einfach so jederzeit geben, ohne die Fernbedienung in der Hand zu halten und die Mikrofon-Taste drücken zu müssen. Der Grundig setzt dank eigener Mikrofone im Gehäuse die breite Palette an Befehlen prompt um. Dazu gehören nicht nur Anfragen zum Wetter, zu Sportergebnissen, zur Börse, zu Allgemeinwissen oder zur Unterhaltung – Alexa erzählt gerne auch mal einen Witz oder bestellt eine Pizza. Praktisch ist es beispielsweise, per Zuruf einen bestimmten TV-Sender aufzurufen oder sich Streaming-Angebote mit dem Lieblingsschauspieler anzeigen zu lassen. Das gelingt sehr zuverlässig und problemlos. Das Aktivierungswort kann im TV-Menü angepasst werden, neben „Alexa“ funktionieren auch „Computer“ und „Echo“. Das App-Angebot auf dem 55-Zöller ist nahezu identisch zum Fire TV Stick und zum Fire TV Cube. Hier steht aktuell jedoch schon die Apple TV App zur Verfügung. Diese soll auf dem Fernseher noch nachgereicht werden.

Witzbold: Der Aufruf „Alexa, erzähle einen Witz“ genügt, und schon sorgt der Assistent in Werbepausen für kurzweilige Abwechslung.

Bei der Fernbedienung handelt es sich um einen waschechten Streaming-Steuerstab mit Steuer-ring und Direktwahltasten für Amazon Prime Video, Netflix, DAZN und TV Now. Von USB-Sticks verarbeitet der Grundig Fotos, Musik und Videos. Über die Fernbedienung kann man von Bild zu Bild springen, bei Diashows Stil und Geschwindigkeit ändern. Für die Wiedergabe einzelner Fotos benötigt der Media-Player mitunter sehr lange – im Test kam es vor, dass dieselben Bilder mal geladen und dann wiederum nicht geladen wurden.

Wichtiger Kniff: Ein langer Druck auf die „Home“-Taste öffnet dieses praktische Menü – so kann man sofort am Bild und am Ton Veränderungen vornehmen.

Der 55-Zöller beherrscht zwar Bluetooth, allerdings lassen sich damit nur Peripheriegeräte wie Tastaturen, Mäuse oder Fernbedienungen hinzufügen, unser Samsung-Smartphone beispielsweise wurde nicht gefunden. Auch die Option „Display duplizieren“ ließ sich im Test nicht nutzen, Anwendungen wie „AirScreen“, „Smart View“ oder „Miracast“ konnten den Grundig-TV im selben Netzwerk nicht finden. Dafür gelang die Kommunikation mit der Gratis-Smartphone-App „Fire TV“: So kann man auf dem OLED bequem Apps wie Netflix oder Media-theken starten, Sprachbefehle geben oder durch das Menü navigieren.

Bild- und Tonqualität

Die Bildqualität kann, wie bei einem OLED zu erwarten war, voll überzeugen. Das Schwarz ist schön satt, die Blickwinkelstabilität ist gut, und auch Schärfe und Plastizität können sich sehen lassen. Weder langsame noch schnelle Bewegungen bereiten dem Grundig Probleme, Kanten sind sauber umrandet, unschöne Nachzieheffekte sucht man vergeblich. Der beste Bildmodus ist „Film“. Allerdings übertreibt es der 55-Zöller ein wenig bei der Farbdarstellung – während die Grundfarben über das Ziel hinausschießen, hinken die Mischfarben zum Teil hinterher. Reduziert man die Farbintensität auf einen Wert um die 40, entsprechen zumindest die Grundfarben eher der Zielvorgabe. Mit 6.170 Kelvin ist die Farbtemperatur „Warm“ am besten voreingestellt, „Normal“ (8.588 Kelvin) und „Kühl“ (9.797 Kelvin) sind keine Alternativen.

Bis der Grundig unsere HDR-Testbilder als HDR-Material erkannte, waren mehrere Versuche nötig. Im „Dynamisch“-Modus kommt der OLED auf maximal 500 Candela, der deutlich bessere „Film“-Modus schafft lediglich 415 Candela in Spitzlichtern. Bei 50-prozentigem Weißanteil rauscht die Helligkeit OLED-typisch auf 260, bei bildschirmfüllenden Weißdarstellungen auf 140 Candela. Die Farben sind dafür präzise, hier mussten wir nur minimal korrigieren.

Um Welten besser: Im DCI-P3-Spektrum liefert der Grundig ein sehr gutes Messergebnis. Lediglich bei Magenta und Cyan mussten wir minimal nachregeln.

Der Flachmann unterstützt neben HLG auch HDR10 und Dolby Vision, aber kein HDR10+. In der Netflix-Serie „The Crown“ gefällt der OLED durch ein fein durchzeichnetes Bild selbst in dunklen Passagen. Die Detailfreudigkeit ist in „Dolby Vision Hell“ etwas größer als in „Dolby Vision Dunkel“. Empfehlenswert ist es, mit der Einstellung „Micro Dimming“ zu experimentieren. Die vier Abstufungen haben erheblichen Einfluss auf die Helligkeit und die Tiefe des Bildes. Der ANSI-Kontrast von 910:1 ist nicht überragend, aber überdurchschnittlich.

Für ein OLED-Panel dürftig: Bei der SDR-Messung sind speziell die Mischfarben sehr unpräzise. Defizite sind hier in allen Farbbereichen zu erkennen.

Beim Ton fällt sofort auf, dass der Grundig äußerst souverän auftritt. Die Akustik hat Fundament, ist kräftig und dynamisch. Mit einer Soundleistung von 90 Watt ist der Flachmann vielen Mitbewerbern überlegen, die mit lediglich zwei mal zehn Watt auskommen müssen. Das Drei-Wege-Stereo-Soundsystem verleiht Stimmen ein feines Timbre, so macht es Spaß, Moderatoren, Talkgästen oder Schauspielern zu folgen. Auch Actionstreifen klingen voluminös mit angenehm breiter Bühne, Effekte sind nicht furchteinflößend, aber zumindest bei Dolby-Atmos-Inhalten präzise räumlich zu orten. Musiktitel über YouTube bereiten auf dem 55-Zöller viel Spaß. Höhen sind glasklar, Klavieranschläge angenehm präsent, und unterschiedliche Instrumente eines Orchesters differenziert der Grundig messerscharf. Auch das Bassvolumen kann sich absolut hören lassen.

Der Testbericht Grundig 55GOB9099 (Gesamtwertung: 77, Preis/UVP: 2500 Euro) ist in audiovision Ausgabe 3-2020 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

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