Egal ob "Heat", "Collateral" oder "Miami Vice" – Gesetzeshüter und Gesetzesbrecher stehen oft im Zentrum von Michael Manns Schaffen. Was liegt da näher, als das Leben von einem der bekanntesten Gangster der USA zu verfilmen: John Dillinger (Johnny Depp). Dabei konzentriert sich "Public Enemies" auf die letzten 13 Monate von Dillingers Leben, in denen er mit spektakulären Banküberfallen zur nationalen Berühmtheit und zum Staatsfeind Nr. 1 wird – und die Aufmerksamkeit des FBI (u.a. Christian Bale) auf sich zieht. Trotz packender Story und hochkarätigen Darstellern will der cineastische Funke nicht ganz überspringen. "Public Enemies" ist ein sehr guter Film, aber in der Michael-Mann-Qualitätsskala muss er sich hinter "Heat", "Collateral" und "Der letzte Mohikaner" einreihen.
Ein ungewöhnlicher Look
Einmal mehr drehte Mann mit digitalen HD-Videokameras (Sony CineAltea F23). Die rar gesäten Tageslichtaußenaufnahmen (9:03, 72:35) bieten eine enorme Tiefenschärfe und Plastizität, sie sehen einfach fantastisch aus (ähnlich wie in "Crank"). Obwohl die Innenaufnahmen aus inszenatorischen Gründen von diffusen Lichtquellen, warmen Farbtönen und Gegenlicht geprägt sind, verfügen sie ebenfalls über einen ungewöhnlich hohen Schärfe- und Plastizitätsgrad (58:53), allerdings nur solange nichts passiert. Denn bei Kameraschwenks oder schnellen Bewegungen der Darsteller treten dem digitalen Videodreh geschuldete Bewegungsunschärfen auf. Damit nicht genug, ferner sieht die Bewegungsdarstellung in schlecht ausgeleuchteten Szenen (Mehrzahl der Innenaufnahmen, alle Nachtaufnahmen) nicht nach Film aus, eher so als hätte man bei einem modernen LCD-TV die Zwischenbildberechnung aktiviert. Zudem flimmert es in feinen Strukturen wie einem Kühlergrill (65:22), einem Jacket (65:25) oder einem Hut (71:54) regelmäßig.
Während dieses objektive Manko nicht wegzudiskutieren ist, kann man über die ästhetischen Vor- und Nachteile eines digitalen HD-Videodrehs im Reality-Doku-Look vortrefflich streiten. Doch für die meisten Zuschauer dürfte er bei einem Film, der in den 1930er-Jahren spielt, störend wirken.
Hatte den Ruf, ein moderner Robin Hood zu sein:
Bankräuber John Dillinger (Johnny Depp).
Die Extras
Leider wird im umfangreichen Bonusmaterial nicht auf die videotechnische Seite des Drehs eingegangen. So wirken die Ausführungen von Regisseur Michael Mann im Audiokommentar eher wie die eines Geschichtslehrers. Wer sich diesbezüglich weiterbilden will, sollte mal reinhören. Auch lohnt es sich, die beiden Bild-in-Bild-Spuren aufzurufen (siehe unten). Spur 1 ist ein "Historischer interaktiver Zeitstrahl". Hierbei handelt es sich wider Erwarten nicht um schnöde Texttafeln, sondern um eine Ansammlung von Videobeiträgen über die geschichtlichen Hintergründe der im Film gezeigten Ereignisse, kombiniert mit Interviews von Historikern und den Schauspielern bzw. der Crew. Spur 2 ist eine klassische Mischung aus Interviews, Szenen vom Set und kurzen Production-Featurettes.
Ebenfalls empfehlen können wir den mit neun Minuten leider zu kurzen Beitrag "Der Letzte der legendären Verbrecher", der Dillingers Geächteten-Status und seine für einen Verbrecher ungewöhnlichen Moralvorstellungen thematisiert. "Die echten Drehorte" (9:48) beleuchtet den Aufwand, den Michael Mann betrieb, um an exakt (und mit exakt meinen wir bis auf den letzten Meter) den Schauplätzen zu filmen, an denen sich die Ereignisse vor gut 70 Jahren zutrugen. In "Die Technologie der Verbrecher" (9:39) erfährt man alles über die Methoden, die Dillinger und das FBI nutzten, um ihre Ziele zu erreichen: von der modernsten Maschinenpistole bis hin zum PS-stärksten Auto.
Einen Wermutstropfen wollen wir zum Schluss nicht verschweigen: Ein interaktives Gangster-Quiz, das sich auf der britischen und amerikanischen Blu-ray-Scheibe befindet, enthält Universal seiner deutschen Kundschaft vor.
Die beiden Bild-in-Bild-Spuren versorgen den Zuschauer mit Informationen zum Dreh …
… und geschichtlichen Hintergründen.
Bild: Helle Außenaufnahmen sehen fantastisch aus, Nacht- und Innenaufnahmen leiden hingegen unter Bewegungsunschärfen. Auch rauscht es in dunklen Szenen mal mehr, mal weniger, und in feinen Strukturen flimmert es. Mehr zum mit HD-Videokameras gedrehten Bild finden Sie im Textabschnitt "Ein ungewöhnlicher Look".
Ton: Manche Schießereien klingen dynamisch und räumlich, andere frontlastig und schwachbrüstig. Auch der Einsatz der Surroundkanäle scheint etwas unausgewogen. Wenn großkalibrige Wummen sprechen (89:12), bekommt der Subwoofer ordentlich zu tun. Wie bei "Miami Vice" sind im englischen Original Dialoge zum Teil schwer zu verstehen, da Michael Mann fast ausschließlich den On–Set-Ton verwendet und nicht im Studio nachsynchronisieren lässt.
Extras: Audiokommentar mit Regisseur Michael Mann, zwei Bild-in-Bild-Spuren, "Legendär: Feinde" (10:19), "Michael Mann: Die Entstehung von Public Enemies" (20:32), "Der Letzte der legendären Verbrecher" (8:44), "Auf den Spuren Dillingers: Die echten Drehorte" (9:48), "Die Technologie der Verbrecher" (9:39).
Fazit: Michael Manns Biopic über einen legendären Gangster der 30er-Jahre und seine Flucht vor dem FBI fasziniert durch ein hohes Maß an Authentizität. Vom Aufeinandertreffen der Schauspiel-Schwergewichte Christian Bale und Johnny Depp hatten wir uns aber mehr versprochen.
Die Wertung | |
Film | 5 von 6 Punkten |
Bildqualität | 4 von 6 Punkten |
Tonqualität | 4 von 6 Punkten |
Bonusmaterial | 5 von 6 Punkten |
Die technischen Daten | |
Anbieter | Universal |
Originaltitel | Public Enemies |
Laufzeit | 140 Minuten |
FSK | ab 12 Jahren |
Bildformat | 2,35:1 (1080p/24Hz) |
Ton Deutsch | DTS 5.1 |
Ton Englisch | DTS-HD Master Audio 5.1 |
BD-Live | ja |