Bowers & Wilkins 700-S3-Serie (Test)

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Auch wenn es nur die zweitgrößte Lautsprecherserie von Bowers & Wilkins ist: In die Modellreihe 700 S3 integrierte der englische Boxenbauer jede Menge aufwändige Technik von den Topmodellen. Und das mit beachtlichem Erfolg.

Auch wer kein unbegrenztes Budget für seine Hifi- oder Heimkino-Anlage zur Verfügung hat, darf sich jedes Mal freuen, wenn der englische Hersteller Bowers & Wilkins eine überarbeitete und verbesserte Version seiner Top-Serie 800 Diamond herausbringt. Denn mit nur ein klein wenig Geduld kann er die dafür neu entwickelte
Technologie auch bei den erschwinglicheren Serien genießen. Als Erste dran ist dabei jeweils die 700er-Baureihe, deren dritte Generation sich noch mehr von der Top-Technik unter den Nagel reißen konnte als ihre Vorgänger.

Technik
So tragen beispielsweise rundum alle Lautsprecher unseres Testsets, das aus den Front-Standboxen 702 S3, dem Center HTM71 S3 und den Surrounds 705 S3 besteht, ihre Hochtöner in einem kleinen Extra-Gehäuse auf ihrer Oberseite – ein schon aus den Gründertagen von Bowers & Wilkins bekanntes Markenzeichen. Die aus massivem Aluminium gedrehte Hochtöner-Behausung weist ein Gewicht von über einem Kilogramm auf und wurde direkt von der 800er-Serie abgeleitet. Es verjüngt sich nach hinten hin deutlich, ist mit Dämmmaterial gefüllt und nach hinten offen, um der Hochtonkalotte eine möglichst niedrige Resonanz- und damit Einsatzfrequenz zu ermöglichen. Als weiteres Schmankerl ist der Aluminium-Tropfen nicht starr mit dem Gehäusedeckel verbunden, sondern wurde mit speziellen Gummidämpfern entkoppelt, damit sich keinerlei Vibrationen vom Tief-Mitteltonteil auf die Arbeit der Hochton-Kalotte negativ auswirken. Diese auch aus edlem und teurem Diamant zu fertigen wie bei den Spitzenmodellen, dazu konnten sich die Engländer dann aber doch nicht durchringen, sie verwenden hier eine mit Kohlenstoff vakuumbedampfte und auf der Innenseite mit einem Carbonring verstärkte Aluminumkalotte, die laut Hersteller ebenfalls höchst resonanzarm arbeitet, aber um ein Vielfaches preiswerter herzustellen ist. Diese Einsparmaßnahme wirkt sich natürlich positiv auf den Preis aus. So ist unser 5.1-Testset mit 15.500 Euro zwar alles andere als ein Schnäppchen, aber um einiges günstiger als eine entsprechende Konstellation mit der 800er-Serie. Für ein separates Mitteltöner-Gehäuse war im Budget der 700er-Serie ebenfalls kein Platz mehr, dafür aber sehr wohl für die Treiber-Technik der großen Baureihe.

Die Chassis – bei den Standboxen mit 16,5 Zentimetern, beim Center mit 13 Zentimetern Durchmesser – kommen mit einer Schwingeinheit aus dem so genanntem Continuum-Material. Woraus das genau besteht, will der Hersteller nicht verraten, mehr als ein allgemeines „aus Polymerfasern gewebt“ ist aus den Engländern nicht herauszubekommen.

Da ist die neue Mitteltöner-Zentrierung schon etwas anschaulicher: Durch Reduktion auf das Nötigste mithilfe der so genannten biomimetischen Aufhängung (siehe Kasten) hat der Hersteller die unerwünschten Nebengeräusche des Treibers erheblich reduzieren können. Und auch bei der Montage der Mitteltöner ließ man sich etwas Besonderes einfallen: Der Hersteller verschraubt die Mitteltöner nämlich nicht direkt mit den in die gewölbte Front eingelassenen Alu-Montageringen, sondern entkoppelt sie über vier elastische Auflagepunkte aufwändig davon. Zudem wird die Rückseite des Treibers im Gehäuse fixiert, und zwar ebenfalls akustisch entkoppelt, diesmal über einen Federmechanismus. Damit auch der Aluminium-Korb der Treiber nicht durch Eigenschwingungen die Klangqualität beeinträchtigt, dämpft B&W auch dessen Streben noch über so genannte „Tuned Mass Damper“.

Bowers & Wilkins offeriert die 700-S3-Baureihe in Hochglanz Schwarz, Seidenmatt Weiß und Mocha-Furnier.

Ganz schön viel Aufwand für einen Hochtöner: Sein massives Alu-Gehäuse beherbergt ein komplexes Stück Technik.

Wie bei vielen anderen Lautsprecherdetails verlässt Bowers & Wilkins auch bei der Zentrierung der Mitteltöner-Schwingeinheit ausgetretene Pfade, und zwar ziemlich weit: So gut wie alle Tief- und Mitteltonchassis auf dem Markt verwenden zur Zentrierung der Schwing spule im Luftspalt eine so genannte Zentrierspinne aus konzentrisch gefaltetem Gewebe. Das Ziel dabei: möglichst wenig seitliche Bewegung der Spule selbst bei großen Membranhüben. Das an der Schwingspule befestigte Ende bewegt sich dabei natürlich bei jeder Schwingung mit der Membran mit und erzeugt dadurch auch Schall. Der trägt zu einem gewissen Anteil auch zur Gesamtabstrahlung des Treibers bei, was eher nicht gewünscht ist, hat man doch die Eigenschaften der Membran möglichst penibel auf saubere, gleichmäßige Schallerzeugung über einen möglichst großen Frequenzbereich optimiert. Die eher unkontrollierten Nebengeräusche der Zentrierspinne sind da völlig unerwünscht, vor allem im delikaten Mitteltonbereich.

Um das bestmöglich zu verhindern, setzt eine Konstruktion ein, die Schwingspulen-Hals und Schwingspulen-Korb nur mit sechs dünnen, gegen Querkräfte sehr stabilen Streifen verbindet. „Biomimetisch“, also der Biologie nachempfunden, nennen die Entwickler diese Erfindung, wobei sie im Unklaren lassen, welche Naturerscheinung hier nachgeahmt wird. Hier können nur noch diese schmalen Streifen Schall abstrahlen, was die Nebengeräusche je nach Frequenz um bis zu 80 Dezibel reduziert, also um das bis zu Zehntausendfache.

Die biomimetische Zentrierung des Mitteltöners von B&W reduziert Aufhängungs-Nebengeräusche um bis zu 80 Dezibel.

Dank ihrer erheblich geringeren Fläche strahlt die biomimetische Zentrierung des B & W-Mitteltöners (rechts) erheblich weniger Störschall ab als eine herkömmliche Textilspinne (links).

Apropos gewölbte Schallwand: Die ist nicht nur optisch gefälliger, sondern bringt auch akustische Vorteile. Zum Einen reduziert sie Diffraktionseffekte, vor allem dadurch, dass der Abstand der eingelassenen Treiber-Montageringe zur gewölbten Schallwand sich kontinuierlich ändert. So verteilen sich eventuelle Beugungs-Frequenzen immer über einen ganzen Bereich und können nie stören. Zum Anderen ist eine gewölbte Schallwand mechanisch stabiler als eine gerade, was sich in einem messbar geringeren Mitschwingen der Holzflächen äußert.

Auch bei den Tieftönern der 700 S3-Serie lassen die englischen Entwickler nicht locker: Sie verpassten den Treibern ebenfalls eine Aerofoil-Membran, ähnlich wie bei ihren großen Schwestern. Hier gibt´s aber keine Carbonfaser-Außen- und Innenlage, sondern eine aus schlichter Pappe. Eine Ausnahme bilden hier die Surrounds 705 S3, deren Basschassis auch den Mitteltonbereich übernehmen müssen und deshalb über eine Continuum-Schwingeinheit mit dreizehn Zentimeter Durchmesser abstrahlen. Sämtliche Basstreiber sind ebenfalls in Montageringen untergebracht, die jeweils per präziser Fräsung in die gewölbte Front eingelassen sind.

Die beiden Subwoofer DB4S bringen ebenfalls einen Aerofoil-Treiber mit, hier allerdings mit Carbon-Außen- und -Innenschicht. Das 25-Zentimeter-Chassis des DB4S ist auf der Front montiert und wird über einen 1000 Watt starken Schaltverstärker angetrieben. Außer einem Ein-Aus-Schalter zeigt die Rückseite der Subs keinerlei Bedienelemente, sämtliche Einstellungen muss der Anwender über die Smartphone App DB-Subwoofers vornehmen. Sie ist für iOS und Android verfügbar und so sinnvoll strukturiert, dass auch Anwender mit geringen Kenntnissen damit zurechtkommen.

Für die meisten hauseigenen Lautsprecher hat B&W zudem die empfehlenswerte Grundkonfiguration in der App hinterlegt, so dass sich die Justage auf die Wahl der richtigen Box sowie die Einstellung des Pegels beschränkt. Bei Boxen anderer Hersteller lässt die App auch die freie Wahl von Filter-Flankensteilheit, Trennfrequenz und Phase zu. Über den Menüpunkt „Room EQ“ lässt sich darüber hinaus auch noch eine automatische Einmessung anstoßen, die das im Smartphone eingebaute Mikrofon nutzt.

Tonqualität Surround
Mit 20 Hertz unterer Grenzfrequenz reichen die Subs für ihre Größe erstaunlich weit in den Basskeller und beeindrucken ebenfalls mit ihrem – gemeinsamen – Maximalpegel von 108 Dezibel. Die Frequenzgänge von Front- und Centerboxen verlaufen ausgewogen, aber kleinteilig vergleichsweise unruhig. Anders die Surrounds, bei denen wenig Unregelmäßigkeiten zu erkennen sind, dafür aber ein Anstieg um fünf Dezibel zum Hochtonbereich.

Die Tieftöner-Membranen der 700 S3-Serie von Bowers & Wilkins sehen zwar normal aus, sind aber ein komplexes Stück Technik. Als Basis dafür setzen die Engländer einen so genannten syntaktischen Schaum ein, einem Schaum-Verbundwerkstoff, in dem winzige Hohlkugeln beispielsweise aus Glas oder auch Keramik eingebettet sind. Syntaktischer Schaum wird – da besonders leicht und steif – häufig in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt, weshalb die Engländer den Membranen die Bezeichnung „Aerofoil“ verpassten. Dieser Begriff steht eigentlich für einen Auftrieb erzeugenden Körper in der Aerodynamik, zum Beispiel die Flügel eines Flugzeugs, aber das sei den Entwicklern verziehen.

Eine Membran aus syntaktischem Schaum muss nicht über ihren gesamten Durchmesser die gleiche Dicke aufweisen, was sich der Hersteller zunutze macht, um die Resonanzeigenschaften der Membranen zu optimieren. Zur weiteren Stabilisierung der Membran bringt Bowers & Wilkins auf ihrer Vorder- und auf ihrer Rückseite noch je eine Lage eines weiteren Materials auf. Im Falle der 700 S3-Serie ist das einfaches Papier, wie es für herkömmliche Tieftöner-Membranen eingesetzt wird.

Beim Subwoofer – wie im Übrigen auch bei der 800 D4-Baureihe – kommt statt dessen noch stabileres Kohlefaser-Gewebe zum Einsatz.

Der syntaktische Schaum der Tieftöner-Membranen ist in der Mitte erheblich dicker als am Rand, was die Resonanzeigenschaften optimiert. Auf Vorder- und Rückseite kommt je noch eine Lage dunkles Papier.

Überragend ist das Rundstrahlverhalten des Centers: Auch dank seiner Dreiweg-Bauweise zeigt er selbst bei großen Winkeln keine nennenswerten Einbrüche im Mitteltonbereich. Mit ihm ist gleicher Klang auf allen Hörplätzen garantiert. Nicht so schön sind die Minimalimpedanzen der Frontboxen (2,8 Ohm) und des Centers (2,3 Ohm). Leistungskräftige Verstärker, die viel Strom liefern können, sind hier Pflicht.

Ähnlich wie bei den Vorgängern 700 S2 (Test in 11-2020) erwies es sich im Hörtest als schlau, Fronts und Center des S3-Set so aufzustellen, dass die Mitteltöner recht genau auf den Hörplatz ausgerichtet sind. Vor allem beim Center ist dafür ein Kippen nach hinten notwendig, da er ja in aller Regel unterhalb des Fernseh-Bildschirms, also unter Ohrhöhe des Publikums, seinen Platz fi ndet.

So optimiert kann das Heimkino-Set aus England auf Anhieb überzeugen. Mehr noch, es spielt dann sogar höchst emotional und gar nicht sachlich – zieht die Zuhörer richtiggehend in ihren Bann. Ein schönes Beispiel dafür ist die Gershwin-Nummer „They Can´t Take That Away From Me“: Jane Monheit und John Pizarelli, Monheit singt hier entspannt, aber auf den Punkt und Pizarelli scatted, dass dem Jazz-Fan das Herz aufgeht. Das Ganze rahmt das Boxenset zudem noch schön natürlich in Schlagzeug, Bass und E-Gitarre ein – so macht Musikhören in Mehrkanal Spaß.

Diese Freude setzt die 700er-Kombi nahtlos fort, wenn „Appalachian Spring“ von der Boston Symphony erklingt, die Instrumente sortieren sich ganz selbstverständlich im Raum ein und die Emotionen kommen ungebremst rüber. Und erst recht gibt es keine Bremse, wenn 3 Doors Down ihr „Away From The Sun“ zum Besten geben, die Dynamik dieser Band geht ins Herz und in den Magen, jeden Tritt auf die Kickdrum quittieren die englischen Boxen mit einem knackigen, unmittelbaren Bassimpuls. Die „Soundwall“, die die Truppe um Frontmann Brad Arnold in die Halle in Houston knallt, zieht die Hörer sofort in die Live-Atmosphäre. Große Klasse!

Auch vor einer effektreichen Mehrkanalabmischung haben die 700er keine Angst, ganz im Gegenteil: Wenn Ratte Remy samt Kumpel in „Ratatouille“ per Blitz vom Dach gefegt wird, schlägt es buchstäblich dreizehn, so unmittelbar und mächtig knallen die Subs diesen Tiefbass-Impuls raus. Aber auch und gerade, wenn es um Feinauflösung geht, beispielsweise, als Remy durch die Pariser Kanalisation schwimmt, liefert die B&W-Kombo das volle Klangpaket: Das Rauschen des Wasserfalls kommt genauso glaubwürdig wie das Glucksen und Spritzen im Abwasserrohr, wenn Remy auf dem Buch weiterpaddelt.

Tonqualität Stereo
Dank ihrer je drei Tieftöner kommen die Frontboxen 702 S3 im Stereo-Betrieb problemlos ohne Subwoofer-Unterstützung aus. Aber das ist nicht das Entscheidende bei ihrer Zweikanal-Performance. Da spielt eher ihre mit echter Tiefe versehene räumliche Abbildung die entscheidende Rolle, beispielsweise bei „Compromize“ von Marcia Ramirez, eine tadellose Aufnahme aus dem Jahr 2001. Ihre Stimme stellen die 114 Zentimeter hohen Standboxen einen Schritt weit hinter sich auf und lassen sie mühelos und präzise orten. Dabei faszinieren die Engländer ein- ums andere Mal mit ihrer Musikalität und ihrem feinfühligen Umgang mit den Emotionen und Details in der Musik. Dass sie dabei in Sachen Klangfarben hin und wieder ihre etwas eigene Interpretation des Materials präsentieren, fällt dagegen kaum ins Gewicht und lässt sich ohne Einschränkung als „Charakter“ bewerten.

Der Testbericht Bowers & Wilkins 700-S3-Serie (Gesamtwertung: 92, Preis/UVP: 15.500 Euro) ist in audiovision Ausgabe 11-2023 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

92 Sehr gut

Wie schon der Vorgänger erobert das 700 S3-Set von Bowers & Wilkins dank seiner hervorragenden Vorstellung beim Hörtest die Referenzklasse. Da lässt sich über Kleinigkeiten wie die nicht perfekten Messwerte und hohe Ansprüche an die anzuschließenden Verstärker locker hinwegsehen.

Michael Nothnagel

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