Neustart-Option laufender Sendungen, gleichzeitige Aufnahme beliebig vieler Programme in der Cloud, praktische App-Funktionen per Smartphone: Mit Diveo ist eine neue TV-Plattform an den Start gegangen. Wir haben das Angebot auf Herz und Nieren getestet.
„Für Alle Nie-Mehr-Was-Verpassen-Woller“ lautet der Werbe-Slogan, der demonstrativ in weißen Lettern auf dem Karton des Diveo-Receivers prangt. Und Oliver Rockstein, Executive Vice President Germany der zuständigen M7-Gruppe, kündigt bei der Vorstellung der neuen TV-Plattform in Köln vollmundig an: „Wir bringen zwei Welten zusammen.“ So ganz neu ist dieses Versprechen nicht. Aber tatsächlich schafft es Diveo, den TV-Empfang in einigen Bereichen neu zu definieren und auf die veränderten Sehgewohnheiten vieler TV-Zuschauer zu reagieren. Pünktlich um Viertel nach Acht den Spielfilm schauen, diese jahrzehntelange Tradition wird porös. Vielmehr legen immer mehr Zuschauer Wert darauf, flexibel ihr Programm zu konsumieren. Die zunehmende Beliebtheit der Mediatheken ist der beste Beleg dafür.
Ein mitgelieferter Infrarot-Empfänger ermöglicht es, den Receiver versteckt im Regal oder TV-Sideboard zu platzieren, die Steuerung gelingt dann auch ohne direkte Sichtverbindung. Zwar besitzt die Box zwei rückseitige USB-Buchsen, allerdings dienen diese nicht dazu, um Multimedia-Dateien wie Fotos oder Videos abzuspielen. Ihre einzige Aufgabe besteht bisher im Einspielen neuer Software. An der Front kann man die Lautstärke verändern und die Sender wechseln. Dass der Receiver nur einen LNB-Eingang hat, ist kein Nachteil: Trotzdem lassen sich gleichzeitig beliebig viele Aufnahmen realisieren, bei der Senderwahl gibt es keine Einschränkungen.
Mehr als 50 HD-Sender
Diveo, abgeleitet als Wortneuschöpfung von „Video“, wird als hybride TV-Plattform bezeichnet. Im heimischen Wohnzimmer pflückt sie per Satellitenschüssel unter anderem mehr als 50 Fernsehsender in HD-Auflösung vom Himmel. Voraussetzung ist also eine entsprechende Sat-Anlage. Im Zusammenspiel mit der Cloud und einer ausgeklügelten und direkt zum Marktstart bereits erstaunlich zuverlässig funktionierenden App werden jedoch zahlreiche praktische Zusatzdienste möglich. Aber der Reihe nach.
Zunächst einmal ist Diveo als Pendant zur Satelliten-Plattform „HD+“ zu verstehen, über die sich neben 30 frei empfangbaren auch 23 private HD- und zwei UHD-Sender zum Preis von 70 Euro pro Jahr oder monatlich 5,75 Euro empfangen lassen. Voraussetzung zum Empfang ist ein geeigneter Receiver mit Smartcard oder ein „HD+“-Modul für den Fernseher. Diveo ist mit drei unterschiedlichen Programmpaketen ab 7,90 Euro im Monat erhältlich – nähere Details liefert der Infokasten „Preise & Sender“ auf Seite 47. Der Empfang gelingt entweder über die Diveo-Box für einmalig 79 Euro oder das Diveo-Modul für 49 Euro. Eine Kombination mit Sky-Sendern über die Diveo-Plattform ist momentan nicht möglich. Zudem ist der Receiver nicht UHD-fähig. Die M7-Gruppe als Betreiber sieht das Thema Ultra-HD, so ergab unsere Nachfrage, aktuell nicht als relevant an.
Praktisch: Eine Satelliten-Zuleitung reicht für den Diveo-Receiver aus, um trotzdem mehrere Aufnahmen parallel durchführen zu können. Entsprechend sitzt an der Geräte-Rückseite auch nur ein LNB. Die Inbetriebnahme ist simpel und schnell abgeschlossen. Nachdem die Sprache ausgewählt wurde, checkt die Box die Internet-Geschwindigkeit und zeigt an, wenn diese passt und alle Online-Funktionen nutzbar sind. Der Receiver lässt sich ausschließlich über ein Ethernetkabel ins Netzwerk einbinden, WLAN wird nicht unterstützt. Diveo empfiehlt eine Bandbreite von mindestens 10 Mbit/s. Die Satelliten-Konfiguration haben wir in unserem Test dem Receiver überlassen, die erforderliche Satelliten-Position Astra 19,2 Grad Ost wurde automatisch gefunden.
Alles auf Anfang, bitte
Der vollständige Suchlauf war nach weniger als zwei Minuten abgeschlossen, auch Radiosender werden per Satellit eingespeist. Über eine Jugendschutz-PIN lassen sich Inhalte vor Kinderaugen verbergen. Zudem kann eine Einkaufs-PIN definiert werden, um die Erlaubnis zum Erwerb kostenpflichtiger Filme zu erteilen. Zunächst ist jetzt alles wie bei einem herkömmlichen Receiver: Die Senderliste ist sinnvoll angelegt, die Umschaltzeiten sind nicht rasend schnell, aber akzeptabel. Nach dem Programmwechsel zeigt ein Fenster Senderlogo, Titel und Dauer der Sendung, Uhrzeit und eine kurze Programminfo an.
Eine Besonderheit ist der grüne Punkt mit der Bezeichnung „Neustart“, der hier auftaucht. Egal, ob Krimi, Nachrichten oder Spielfilm: Ist man zu spät nach Hause gekommen und hat den Anfang der Sendung verpasst, so genügt ein Druck auf die grüne Taste der Fernbedienung, und die Wiedergabe von vorne ist möglich. Einzige Voraussetzung: Die Ausstrahlung darf noch nicht beendet sein, wenige Sekunden bis zum Abspann genügen jedoch, um den Restart zu aktivieren. Das ist äußerst praktisch, zumal Diveo auch das Vor- und Zurückspulen erlaubt. Zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.
Leider sorgen die Restriktionen der großen Privatsendergruppen dafür, dass der Spaß ein wenig auf der Strecke bleibt. So wird bei HD-Ablegern wie RTL, ProSieben, Sat.1 und Vox zwar der Neustart gestattet, das Vorspulen jedoch unterbunden. Das ist generell nervig, in diesem Fall aber umso ärgerlicher, weil man sich mitunter den Rest der vorherigen Sendung anschauen muss, der dem Neustart vorgeschaltet ist, um auf keinen Fall den Anfang abzuschneiden. Bei Toggo HD und Kabel1 funktionierte der Neustart punktuell nicht. Ihr Spulverbot ziehen die führenden Privatsender ebenfalls in Aufnahmen durch, phasenweise ließen sich Sendungen von RTL und Kabel1 aufgrund rechtlicher Vorgaben überhaupt nicht aufzeichnen.
Das Mitschneiden von Sendungen unterscheidet sich bei Diveo grundsätzlich von einem klassischen Receiver mit Festplatte. Drückt man auf den Aufnahme-Button, so wird man allenfalls gefragt, ob nur diese eine oder künftig alle Episoden einer Serie aufgezeichnet werden sollen. Ansonsten wird immer die aktuelle Sendung aufgenommen – einen Nachlauf zu programmieren ist nicht möglich, Diveo nimmt automatisch immer 5 Minuten länger auf. Ebenfalls klappt es nicht, bereits eine noch laufende Aufnahme wiederzugeben. Aufnahmen stehen zudem erst rund fünf Minuten nach dem Ende der Sendung im Archiv und damit in der Cloud zur Verfügung.
Das große Plus: Auch wenn man eine Sendung mittendrin aufnimmt, liegt diese später komplett zum Abruf bereit. Darüber hinaus ist es egal, ob man zwei, fünf oder 15 Sendungen parallel aufnimmt. Einzige limitierende Größe ist der Cloud-Speicher. Zehn Stunden sind kostenlos, aber schnell verbraucht. 100 Stunden kosten 2 Euro/Monat, für 250 Stunden werden 5, für 500 Stunden 8 Euro fällig. Leider stehen alle Aufnahmen nur 364 Tage zur Verfügung und werden dann automatisch gelöscht. Wünschenswert wäre eine Direktwahltaste, um sofort ins Aufnahme-Archiv zu gelangen. So führt der Weg über das Menü.
5.000 Filme zum Ausleihen
Über ein eigenes Portal ließen sich bei Redaktionsschluss 37 Mediatheken nutzen. Dazu gehörten die Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe und Spartenkanäle wie Heimatkanal, Sport1 HD, BBC World News HD, MTV HD, Bibel TV HD und Kino Welt. Die Mediatheken von ARD und ZDF sowie der RTL-Gruppe folgen bald. Über die Videothek können Filme und Dokus gegen Gebühr angeschaut werden. Eine Ausleihe über den Dienstleister Videociety ist auf 48 Stunden beschränkt, für „Das Pubertier – Der Film“ werden beispielsweise 4,99 Euro fällig.
Die Bedienung der Diveo-Box ist selbsterklärend, die Anzahl der Einstell-Optionen überschaubar. Beim Ton kann man zwischen Stereo und Dolby wählen. Speziell wenn man viele Befehle am Stück ausführt, kommt der Receiver teilweise nicht ganz mit. Man merkt, wenn er auf Dienste aus der Cloud zugreift. Aufnahmen starten nicht so flott wie von einer Festplatte, sondern mit leichter Verzögerung.
App als Aushängeschild
Das absolute Sahnestück der Diveo-Plattform ist die gleichnamige App, die Abonnenten parallel auf bis zu fünf mobilen Android- und iOS-Geräten ohne Zusatzkosten nutzen dürfen. Die gute Nachricht: In unserem Test lief sie bereits kurz nach Markteinführung absolut stabil, das Handling ist intuitiv, die Navigation gelingt flott und ohne Hakler. Nach der Anmeldung über die E-Mail-Adresse und ein Passwort hat man Zugriff auf alle Funktionen, die man vom Receiver her kennt – ganz egal, ob sich das Mobilgerät zu Hause im WLAN befindet oder unterwegs ins mobile Internet eingewählt wurde. Sämtliche gebuchten TV-Sender lassen sich somit überall und an jedem Ort abrufen, über einen Filter auch nach Genre sortiert. Klasse: Auch mobil wird die Neustart-Option unterstützt.
Die Privaten verbieten zwar das Vorspulen, im ersten Schritt kann man den Schieberegler jedoch häppchenweise nach hinten versetzen und sich so gezielt direkt an den Startpunkt herantasten, ohne den möglichen Vorlauf und damit das Ende der vorherigen Sendung sehen zu müssen. Aufnahmen sind entweder direkt aus dem Live-TV-Programm heraus möglich oder über den Programmplaner. Auch für die Mobilversion gilt: Egal, wann die Aufnahme einer laufenden Sendung gestartet wird – diese findet sich später vollständig im Archiv wieder. Zuhause im WLAN kann man eine Aufnahme oder eine Live-Sendung vom Smartphone per Fingertipp direkt auf den Fernseher spiegeln und mit der Fernbedienung des Receivers die Kontrolle übernehmen. Mediatheken und das kostenpflichtige Film-Portal mit rund 5.000 Inhalten sind ebenfalls per App zugänglich.
Fazit
Diveo generell und speziell die App wirken kurz nach dem Marktstart bereits sehr ausgereift. Die Neustart-Option und die Möglichkeit, beliebig viele Programme aufzunehmen, begeistern. Für die nervigen Einschränkungen der Privatsender kann der Plattformbetreiber nichts. Gerade für mobile Zeitgenossen, die viel außer Haus sind und flexibel ihr TV-Programm konsumieren und aufzeichnen möchten, ist die Diveo-App sehr zu empfehlen. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, diese separat gegen eine überschaubare Monatsgebühr anzubieten. Diveo zufolge gibt es derartige Überlegungen aktuell allerdings noch nicht. Jochen Wieloch