Grundig 65GOS9798 (Test)

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Trotz Hochglanz-Optik wirkt Grundigs kleine Fernbedienung (links) wenig wertig und bietet keine Besonderheiten wie einen Bewegungssensor. Wir bevorzugen den normalen Signalgeber mit praktischen Direkttasten.

bildschirmfoto-2017-11-28-um-11-46-27Grundigs 65 GOS 9798 Fine Arts OLED ist mit 6.000 Euro alles andere als ein Schnäppchen und zum Teil sogar teurer als die etablierte Konkurrenz. Die TV-Ausstattung fällt dafür aber üppig aus.

Unter Cineasten genießt das einstige deutsche Traditionsunternehmen Grundig nicht den besten Ruf. Schließlich haperte es bei früheren TV-Modellen häufig an der Bildqualität. Die neuen „Fine Arts OLED“-Fernseher geloben Besserung. Ob sie der etablierten Konkurrenz das Wasser reichen können, zeigt der 6.000 Euro teure 65 GOS 9798 in unserem Test.

Ausstattung und Praxis

Bei der TV-Ausstattung geizte Grundig noch nie. In dieser Disziplin war der damalige Top-55-Zöller aus der Vision-9-Familie den restlichen Probanden klar überlegen und kostete dabei sogar weniger (siehe audiovision 12-2016). Auch der brandneue Fine Arts OLED punktet mit einem Doppel-Tuner samt Sat-IP-Client (zum Streamen von Satellitensignalen via Netzwerk), zwei CI+ Slots und einer USB-Recording-Funktion. Bei der Auswahl an UHD-Streaming-Diensten hat er hingegen das Nachsehen. Hier stellt der Grundig einzig die YouTube-App zur Verfügung; von Amazon Video sowie Netflix fehlt im „Smart Inter-@ctive 4.0+“-Portal, das übrigens die Hamburger Firma NetRange entwickelt und betreibt, jede Spur.

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Rausgeflogen: Rund 230 Apps finden sich in Grundigs „Smart Inter@ctive“-Portal, die Streaming-Dienste Amazon Video sowie Netflix sucht man aber vergeblich.

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Voll digital: Grundig verzichtet beim Fine Arts OLED auf analoge AV-Eingänge, spendiert ihm ansonsten aber alle wichtigen Anschlüsse. Das Gehäuse ist solide verarbeitet.

Der interne Mediaplayer hat keine  Probleme mit unseren über USB zugespielten Ultra-HD-Testvideos und unterstützt sogar HDR, obgleich manche MP4-Dateien nicht erkannt werden. Natürlich nehmen die vier HDMI-2.0a-Ports ebenfalls dynamikreiche Signale entgegen. Dolby Vision bleibt, wie beim Panasonic, auf der Strecke. Mit dem Verzicht auf HLG (Hybrid Log Gamma) gibt Grundig allerdings den Außenseiter. 3D-Fans dürften zudem die Polfilterscheibe des Vorgängers GOS 9799 vermissen; dafür leuchtet der neue GOS 9798 heller. Dies lässt vermuten, dass das OLED-Display aus LGs aktueller Produktion stammt.

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Auf den Zahn gefühlt: Der Fine Arts OLED liefert einen soliden Klang, unterstützt aber auch drahtlose Bluetooth-Lautsprecher. Die Kopplung erfolgt über das Audiomenü.

Die Bedienung geht kinderleicht von der Hand, was einerseits der aufgeräumten Benutzeroberfläche und andererseits dem reaktionsschnellen Vier-kern-Prozessor zu verdanken ist. Nur unmittelbar nach dem Einschalten benötigt das Gerät ein paar Sekunden, um alle Anwendungen sowie Menüs zu laden. Sehr gut gefallen uns die flotte Sendersuche und die sinnvolle Sendersortierung.

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Blau gemacht: Die Benutzeroberfläche des Grundig-TVs ist nicht sehr farbenfroh, präsentiert sich aber aufgeräumt und modern. Das Navigieren gelingt durchgehend flüssig.

Auf Wunsch kann der Zuschauer die Programme in eine beliebige Reihenfolge bringen. In diesem Preissegment übliche Spezialfunktionen wie zum Beispiel das TV-Streaming aufs Smartphone oder eine Sprachsteuerung sucht man beim Fine Arts OLED allerdings vergeblich.

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Vorbildlich: Die Programmtabelle sieht zwar etwas trist aus, lässt sich jedoch einfach sortieren. Es gibt auch eine Suchfunktion, die den gewünschten Sender schnell findet.

Dafür macht er klangtechnisch eine ordentliche Figur: Das 60 Watt starke Dreiwege-Stereo-System gibt Stimmen sauber und mit sattem Brustton wieder, Höhen ertönen angenehm spritzig. Im Bassbereich lassen die Lautsprecher jedoch stark nach.

Bildqualität

Dass der Fernseher nach der Installation ein plakatives und überzogenes Bild serviert, ist so weit nicht ungewöhnlich. Stellt man den Grundig vom werksseitigen Preset „Natürlich“ auf „Spielfilm“, erzielt er aber neutrale Farben mit sehr geringen Delta-E-Abweichungen von 2,1 respektive 2,3 in Grautönen. Insofern sind die fehlenden Einstellmöglichkeiten verschmerzbar, obgleich ein Farbmanagement oder wenigstens ein Weißabgleich nicht geschadet hätte.

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Quantensprung: Im Vergleich zu den bisher getesteten Grundig-LCDs erzeugt der OLED-TV akkurate Farben; nur einzelne Haut- und Grautöne tanzen leicht aus der Reihe.

Erfreulicherweise treten aus seitlicher Perspektive bis auf das leicht in Richtung Grün verschobene Gelb keine nennenswerten Drifts auf; das Spektrum (BT.709) wird sogar leicht erweitert. Wer es generell knalliger mag, kann die Intensität über den Regler „Brilliante Farben“ dreistufig steigern. Auf den farblich unausgewogenen HDR-Modus wirkt er sich leider nicht aus.

Grundig schöpft das Potenzial des OLED-Displays leider nicht auf Anhieb aus. In vielen Bereichen macht nämlich eine offensichtlich nicht ganz sauber programmierte Software dem bestmöglichen Bild einen Strich durch die Rechnung. HDR-Quellen und der 65 GOS 9798 finden deshalb kaum zueinander: Der beste Bildmodus „Natürlich“ kappt in Verbindung mit dem HDR-Preset „Mittel“ oder „Auto“ im Test bereits Kontraste oberhalb von 100 Nits. Darüber hinaus stimmen Gammakurven und Farben nicht mit den Standards überein. Im HDR-Modus „Niedrig“ kombiniert der Grundig zu dunkle Kontraste mit starken Verfärbungen sowie bräunlichen Graustufen; in „Referenz“ wirken die Farben ausgewogener, sind allerdings deutlich eingeschränkt und decken nur das HDTV-Spektrum BT.709 ab. Die untersten Graustufen fehlen immer.

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Natürliche Kontraste: Das Gesicht überstrahlt nicht, wenn man den Schwarzwert „Hoch“ aktiviert. Dadurch verbessern sich auch Farben und die Durchzeichnung.

Korrekte Presets für Helligkeit, Kontrast und Sättigung sucht man vergeblich. Zudem ändern sich sowohl die Farben (Farborte, Farbsättigung) als auch die Bildwerte (Helligkeit, Kontrast, Farbtemperatur) massiv, wenn wir beim Samsung-UHD-Player UBD-K 8500 den HDMI-Farbmodus von YCbCr auf RGB wechseln oder am Fernseher die fünf HDR-Modi („Auto“, „Niedrig“, „Mittel“, „Hoch“, „Referenz“) umschalten. Dabei blitzen zwischendurch ganz kurz die gekappten untersten Graustufen auf. Ob ein Firmware-Update diese (und etliche weitere) Fehler beheben kann, wird die Zukunft zeigen.

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Wechselbad: Bis auf das leicht eingeschränkte Grün wird der DCI-P3-Farbraum gut abgedeckt. Allerdings weichen Farborte, -sättigung und -temperatur stark ab.

Generell beherrscht das aus dem Hause LG stammende OLED-Panel den für High Dynamic Range benötigten DCI-P3-Farbraum und kann bei einer professionellen Video­verarbeitung mit akkuraten Farben sowie einwandfreiem HDR-Tone-Mapping auftrumpfen.

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Gekappt: Ganz dunkle Kontraste verschluckt Grundigs OLED-TV. Auch die Funktion „Microdimming“ hilft nur beschränkt, da sie sichtbares Rauschen hinzufügt.

Lob verdient der tiefe Schwarzwert: Mit 0,0008 Candela emittieren die organischen Leuchtdioden in völlig dunklen Bildbereichen praktisch kein Licht mehr. Dadurch wirken vor allem Nachtaufnahmen wie die aus dem Grusel-Thriller „Krabat“ oder die Rettungsaktion von „Captain Phillips“ ausgesprochen plastisch. Dank der OLED-typisch hellen Spitzlichter wird der Effekt sogar noch verstärkt. Das unterstreicht der extrem satte (ANSI-)Kontrast von rund 2.800:1; eventuelle Aufhellungen der schwarzen Felder entstehen nicht etwa auf dem Display, sondern im menschlichen Auge. Trotz der mageren SDR-Leuchtdichte von 310 Candela kommt auch im sonnendurchfluteten Wohnzimmer ein klares Bild zustande, solange das Gerät nicht direkt neben dem Fenster steht.

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Säubern im Standby: Störende Einbrenneffekte leistet sich der OLED zwar nicht, notfalls beseitigt die Funktion „Bildoptimierung“ laut Grundig aber eventuelle Spuren.

SDTV-Sender erscheinen leider übermäßig weich, was der Fine Arts OLED mit einer starken Schärfeanhebung (selbst auf Stufe null des Reglers) zu kompensieren versucht. In der Praxis führt das zu einer harten und unnatürlichen Zeichnung. Darüber hinaus treten an feinen Konturen gelegentlich De-Interlacing-Artefakte auf. HD-Inhalte schmecken ihm sichtlich besser.  Zur Vermeidung von 3:2-Pulldown-Ruckeln in Kinofilmen empfehlen wir, Grundigs Bewegungsglättung „MEMC“ auf „Niedrig“ einzustellen.

einstellungen

bewertung

Der Testbericht Grundig 65GOS9798 (Gesamtwertung: 76, Preis/UVP: 6000 Euro) ist in audiovision Ausgabe 10-2017 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

76 gut

Ohne Zweifel ist der 65 GOS 9798 Fine Arts OLED der beste Grundig-TV aller Zeiten: Er besticht durch satten Kontrast, einen breiten Betrachtungswinkel und tiefstes Schwarz. Nichtsdestotrotz kommen vor allem bei HDR-Wiedergabe einige unschöne Schwächen zum Vorschein. Wir hoffen auf problemlösende Firmware-Updates.

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