Bowers & Wilkins 600-Set (Test)

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Kaum ein Hersteller transferiert so konsequent die Technologie seiner High-End-Serien in bezahlbare Preisklassen wie Bowers & Wilkins. Dem Kenner fällt dabei als erstes der sickenlose Mitteltöner der Front- und Centerboxen ins Auge, der direkt aus der 800er-Serie stammt und seit Jahren für seine präzise und feine Wiedergabe berühmt ist. Dass der dann nicht in England, sondern – wie die komplette Boxenserie – in China gefertigt wird, kann dem Anwender herzlich egal sein. Denn die Qualität sinkt dadurch aller Erfahrung nach nicht, nur der Preis. So kostet das von uns getestete Set gerade mal 3.800 Euro – das ist zwar kein Schnäppchen, aber für vergleichbaren Sound musste man früher ein Vielfaches ausgeben. Zudem geben die Briten auf die 600er-Serie eine Garantie von zehn Jahren, die auch auf Zweit- und Drittbesitzer übergeht. Ein Grund, warum die Gebrauchtpreise für B&W-Boxen so stabil sind. 

Technik

B&W_600-Set_PCDer schon erwähnte Mitteltöner, dessen Membran aus gewobenem Kevlar besteht, wird in seiner ursprünglichen Größe, also mit 16 Zentimetern Druchmesser, in den Frontlautsprechern 683 S2 eingesetzt und in einer 10-Zentimeter-Variante im Center HTM61 S2. Bei diesem Chassistyp baut der Hersteller am Rand nicht wie üblich eine Sicke aus Gummi oder Schaumstoff ein, sondern kantet den Rand zur Stabilisierung ab, was Membranresonanzen effektiv dämpft. Dieser Rand wird mit einem Schaumstoffstreifen weichelastisch am Korb befestigt. Das Schwingverhalten der Membran stimmten die Entwickler so ab, dass einerseits im Einsatzbereich zwischen 400 Hertz und 4 Kilohertz keinerlei störende Resonanzen auftreten, sich zu höheren Frequenzen die effektiv abstrahlende Fläche der Membran aber immer mehr auf das Zentrum konzentriert. Die noch auftretenden Restschwingungen der äußeren Bereiche löschen sich gegenseitig aus. Dadurch wird einerseits die schwingende Masse herabgesetzt, was der Impulswiedergabe hilft, andererseits verbessert sich auch das Rundstrahlverhalten im oberen Mitteltonbereich.

Auch der Hochtöner konnte vom Technologietransfer profitieren. Diamant als Membranmaterial kam zwar aus Preisgründen nicht in Frage, dafür konnte aber die Aluminium-Kalotte mit 25 Millimetern per Aufdoppelung des Rand-bereiches auf ihrer Innenseite optimiert werden (Details im Kasten „Aufgebohrte Hochtöner“). Den Tieftonbereich beackern bei Front und Center je zwei 16er-Bässe aus Aluminium-Membranen, deren Resonanz mit einem ähnlichen Trick nach oben aus dem Arbeitsbereich verschoben wurde wie beim Hochtöner: Die Membran verstärkte man an ihrem Rand durch eine zweite Aluminium-Lage. Bei den Surroundboxen 686 S2 kommt aber beim Tiefttöner Kevlar zum Einsatz, da der auch den Mitteltonbereich mit wiedergeben muss.

Potenter Subwoofer

Der Subwoofer ASW 610 XP fällt für seine Chassis-größe von 25 Zentimetern angenehm kompakt aus. Dank seiner 500-Watt-Endstufe kann der bei so kleinen Gehäusen auftretende Bassabfall problemlos elektronisch entzerrt werden.

Dies ist dem Hersteller definitiv gelungen, die untere Grenzfrequenz von 26 Hertz ist ein Wort. Dass der Subwoofer dabei bis zu 101 Dezibel Schalldruck erzeugt, ist aller Ehren wert. Die Impedanzmessungen offenbarte bei Front und Center allerdings zu niedrige Minimalwerte von 2,9 Ohm respektive 2,8 Ohm. Diese treten zudem im erweiterten Bassbereich auf, wo viel Strom fließt und die angeschlossenen Verstärker am meisten gefordert sind. Preiswerte Heimkino-Receiver, wie wir sie in dieser Ausgabe testen, sind also definitiv nicht die erste Wahl als Antrieb für das Set von B & W. Oberhalb von 1.000 Hertz verlaufen die Frequenzgänge von Front, Center und Surround etwas unruhig, da der Hersteller für den Hochtöner eine Frequenzweiche erster Ordnung mit 6 Dezibel Flankensteilheit einsetzt. Dadurch entsteht ein Überlappungsbereich zwischen Mittel- und Hochtöner.

Der Hochtöner der 600er-Serie ist ein technisches Highlight. Einerseits kann er von der Entwicklungsarbeit für höherpreisige Serien profitieren, wie der speziellen Dämpfung des Schalls von der Kalotten-Rückseite. Dieser sollte vollständig eliminiert werden und darf nicht von hinter der Membran befindlichen Flächen zurückreflektiert werden. Deshalb durchbohrte man den Magneten mit großem Durchmesser und setzt an diese Bohrung hinten ein konisch zulaufendes Rohr an, das mit Dämmmaterial gefüllt ist. In diesem Rohr wird die von der Kalotte nach hinten abgestrahlte Energie nahezu vollständig absorbiert und kann sich nicht mehr klangschädigend bemerkbar machen.

Neu entwickelt wurde die Aluminium-Kalotte des Hochtöners. Einfaches Aluminium wurde hier mit einem Trick derart versteift, dass die erste Resonanz der Kalotte bei unhörbaren 36 KHz liegt. Dies erreichten die englischen Entwickler, indem sie auf die eigentliche Membran an der Außenkante einen Ring aus gleichem Material aufklebten. Diese Maßnahme erhöht zudem das Gewicht der Kalotte kaum, der übliche Nachteil bisher üblicher Resonanzdämpfungsmaßnahmen.

Die konisch verlaufende Röhre am hinteren Ende des Hochtöners (hier eine Explosions­zeichnung) sorgt für die Eliminierung der rückwärtigen Schallanteile der Hochton-Kalotte.

Die konisch verlaufende Röhre am hinteren Ende des Hochtöners (hier eine Explosions­zeichnung) sorgt für die Eliminierung der rückwärtigen Schallanteile der Hochton-Kalotte.

Tonqualität Surround

Hört man dem Set dann aber zu, sind diese kleinen Unregelmäßigkeiten schnell vergessen. Die 600er-Kombi spielt sich mit ungemeiner Lockerheit und trotzdem penibler Präzision sofort in die Herzen der Zuhörer. Es zaubert beim Einzug von Gandalf ins Auenland im ersten „Herr der Ringe-“Teil eine derart tiefenentspannte Atmosphäre, dass man alles um sich herum vergisst. Nur um bei der berüchtigten Abschleppwagenszene aus „Terminator – Die Erlösung“ die härtesten Bassattacken locker in den Raum zu wuchten. Auch bei hohen Pegeln hat man – entsprechenden Antrieb in Form eines potenten Verstärkers vorausgesetzt – nie das Gefühl, dass dem Set die Puste ausgeht. Selbst der Subwoofer spielt dann noch derart trocken und dabei schubkräftig, dass man sich fast die Augen reibt.

Am Subwoofer gibt es getrennte Pegelregler für die Cinch- und Lautsprecherpegel-Eingänge. Die Tiefpass-Weiche lässt sich abschalten und mittels Zusatz-Filter kann man den Sub an die Raumakustik anpassen.

Am Subwoofer gibt es getrennte Pegelregler für die Cinch- und Lautsprecherpegel-Eingänge. Die Tiefpass-Weiche lässt sich abschalten und mittels Zusatz-Filter kann man den Sub an die Raumakustik anpassen.

Ganz in seinem Element ist das Set auch bei den Rockern von 3 Doors Down, deren DVD „Away From the Sun“ es mit einer Selbstverständlichkeit und einem Druck wiedergibt, der nicht nur für diese Preisklasse keineswegs selbstverständlich ist. Nur damit kein falscher Eindruck aufkommt: Die analytischen Fähigkeiten des Sets sind ebenfalls erste Sahne, was bei „Listen Up! (DTS-HD Master Audio) von Omar Hakim deutlich wird. Ungemein sauber und durchhörbar stellt es die Ins-trumentalarbeit der Studio-Mitspieler von Hakim in den Raum, ohne aggressiv zu wirken. Bei dieser grandiosen Vorstellung über etwaige Verfärbungen zu achten, ist fast müßig, mit einer kleinen Ausnahme: Stimmen kommen über den Center für unseren Geschmack immer einen Tick zu voluminös rüber. Dies tut aber der Sprachverständlichkeit keinen Abbruch – was sicher auch seinem hervorragenden Rundstrahlverhalten geschuldet ist.

Tonqualität Stereo

Ihren faszinierend offenen und detaillierten Charakter behalten die 683 S2 auch im Stereo-Betrieb ohne Subwoofer-Unterstützung bei. „Jazz At The Pawnshop“ beispielsweise ertönt mit ausgesprochen glaubwürdiger Atmosphäre und schön räumlich. Im Bass lassen es die Standboxen solo ebenfalls krachen, die Bassdrum bei „Let it Go“ von Clair Marlo beispielsweise kommt mit Nachdruck und präzise. mino

Schön schlank formte B&W die Frontboxen des 600er-Sets. Auch der Subwoofer geriet schön kompakt. Da steht auch dem Einsatz in designorientieren Wohnzimmern nichts im Wege, zumal die Lautsprecher erstklassig verarbeitet sind.

Schön schlank formte B&W die Frontboxen des 600er-Sets. Auch der Subwoofer geriet schön kompakt. Da steht auch dem Einsatz in designorientieren Wohnzimmern nichts im Wege, zumal die Lautsprecher erstklassig verarbeitet sind.

B&W_600-Set_Wertung

AuVi_AWARD-Highlight

Der Testbericht B & W 600-SET (Gesamtwertung: 91, Preis/UVP: 3800 Euro) ist in audiovision Ausgabe 5-2014 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

AV-Fazit

91 sehr gut

Das B&W-Set zieht den Zuschauer mit einem faszinierenden Klang in seinen Bann – und setzt sich in der Preisklasse bis 5.000 Euro an die Spitze unseres Testspiegels – dafür gibt es natürlich ein Highlight. Die nicht perfekten Messwerte verzeiht man da gerne.

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