Arcam AVR 600 (Test)

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Arcam AVR 600 – AV-Receiver für 4.400 Euro

Test des Arcam AVR 600 - AV-Receiver für 4.400 EuroMit dem AVR 600 bringt die englische HiFi-Schmiede Arcam ihren allerersten AV-Receiver auf den Markt – und legt mit dem 4.400 Euro teuren Boliden eine glanzvolle Premiere hin.

Das beschleunigt selbst den Puls hartgesottener Tester: Zum ersten Mal baut die High-End-Marke Arcam einen Surround-Receiver. Ein kleines Wunder, denn bisher war Mehrkanalton in den heiligen Hallen von Arcam-Kunden weithin verpönt, ebenso die verlustfreien HD-Tonformate. Die Puristen ziehen eben einen hochwertigen Plattenspieler mit Moving-Coil-Tonabnehmer jedem neumodischen CD-Player vor.

Ausstattung und Technik

Wir staunten daher nicht schlecht, denn die Technik des ersten AV-Receivers von Arcam gleicht einer Kehrtwendung. An Bord ist nämlich hochmodernes ‚Teufelszeug‘ wie Dolby Volume (siehe Kasten Seite 42), das teils dramatisch in Dynamikstruktur und Frequenzgänge des Audiosignals eingreift und den Originalklang verändert. Sogar ein Ethernet-Netzwerkanschluss fand Gnade vor den Augen der Entwickler; so gelangen Töne aus aller Welt (Webradio) ins Heimkino. Deren Internet-Adressen lassen sich im Bildschirmmenü des Receivers oder komfortabler über den Internet-Dienst vTuner per PC und Internet-Browser in Gruppen sortieren. Fast noch interessanter fanden wir die DLNA-Kompatibilität (siehe Kasten "Netzwerkfunktionen" oben rechts). Der AVR 600 greift so über einen Musikserver im Heimnetzwerk auf tausende Musikstücke zu, und zwar ohne jeglichen Einstellaufwand. Zudem spielt der Receiver auch via USB-Speicher Musikdateien ab und unterstützt dabei sogar den verlustfrei komprimierten FLAC-Dateityp.
Über all der modernen Technik vergaß Arcam seine eigentlichen Tugenden nicht, nämlich grundsolide Geräte mit hoher Klangqualität und detailversessener Konstruktion zu bauen. So besteht das Gehäuse des AVR 600 aus einem Materialverbund von Aluminium und Sorbothane, das besonders wenig mitschwingt. Schwingungsanfällige Bauteile beruhigt Arcam mit kleinen Pads oder Ringen aus Sorbothane oder anderen Kunststoffen. Gehäusebereiche in direkter Nachbarschaft zu Bauteilen mit starker Störstrahlung statten die Engländer zudem mit "Stealth Mat" aus, einem Material aus der Luftfahrt, das bei Kampfflugzeugen die gegnerischen Radarstrahlen absorbiert. Zudem dämpfen auf einigen ICs aufgeklebte Ferritplatten etwaige Störstrahlungen schon vor Ort.

Test des Arcam AVR 600 - AV-Receiver für 4.400 Euro

Die Metall-Fernbedienung sieht nicht nur hochwertig aus,
sie fasst sich auch gut an und liegt prima in der Hand. 

Bedienung

In Sachen Bedienung hat Arcam seine Hausaufgaben gemacht. Die Metall-Fernbedienung liegt gut in der Hand, ihre Tasten weisen einen fühlbaren Druckpunkt auf, sind übersichtlich angeordnet und gut lesbar beschriftet. Auf der Gerätefront findet man sich ebenfalls schnell zurecht, auch das Bildschirmmenü ist übersichtlich und detailliert; nur eine adäquate Übersetzung der Bedienungsanleitung fehlt.

Test des Arcam AVR 600 - AV-Receiver für 4.400 Euro
Sehr ordentlich präsentiert sich die Rückseite des Arcam: Die verschiedenen
Anschluss-Typen sind – mit Ausnahme der HDMI-Buchsen – in senkrecht
angeordnete Gruppen sortiert.

Dem ungewöhnlich großen und schweren Mikro für die Einmess-Automatik sollten die Engländer aber ein Stativgewinde verpassen, denn dann ließe es sich am Hörplatz problemlos auf Ohrhöhe positionieren und vor allem anwinkeln. So aber nimmt das eigentliche Kondensatormikro, das schräg im voluminösen Gehäuse sitzt, bei der Einmessung nicht optimal auf. Die flotte Einmess-Auto­matik stammt von Analog Devices und produziert bei Entfernungen, Pegeln und Boxen-Typ sinnvolle Ergebnisse. Die ermittelten Equalizer-Einstellungen sind brauchbar, aber wie so oft Geschmackssache.

Damit das Einmess-Mikro richtig liegt, sollte man wissen,
dass das kleine Mikrofon im Innern schräg befestigt ist.

Zusatzinfo: Netzwerkfunktionen

Wie in dieser Klasse üblich, besitzt der AVR 600 eine LAN-Schnittstelle. Das Netzwerksetup geht schnell; wer ein übliches Setup mit einem DSL-Router verwendet, braucht eigentlich nichts weiter zu tun, als Router und Receiver mit einem Netzwerkkabel zu verbinden. Die IP-Adresse bekommt der Receiver in der Regel vom Router per DHCP (Dynamic Host Configuration Protocol) mitgeteilt. Falls nicht, stellt man die Option "Use DHCP" im Setup/Network auf "Nein" und trägt die Adresse selbst ein. Über die Funktionstaste "NET" ("Shift" und "iPod") auf der Fernbedienung gelangt man umgehend zum Network Client und kann dort Internet-Radio oder einen vorhandenen Streaming-Server, etwa TwonkyMedia (www.twonkymedia.com), aufrufen. Die Navigation klappt schnell und das klar strukturierte Menü hilft, den Überblick zu behalten. Aber auch ohne angeschlossenes Display lässt sich der Receiver bedienen, man muss sich dann eben Zeile für Zeile durch das Menü auf dem Frontdisplay hangeln.
Noch schöner wäre es gewesen, die Entwickler hätten dem AVR 600 gleich ein WLAN-Modul eingepflanzt; dann wäre der Zugriff aufs Internet-Radio oder auf Musik im Heimnetz noch etwas komfortabler. Aber auch so sind die Netzwerkfunktionen des Arcam sinnvoll und machen Spaß.

 

 

Das Menü ist gut lesbar und auch ohne angeschlossenes Display läßt sich der Receiver gut bedienen.

 

Internet-Radio und Mediaserver im Heimnetzwerk lassen sich mit dem AVR 600 bequem abrufen.

 

Videoverarbeitung

Dem eigentlichen Thema des AVR 600, also dem Einsatz im Heimkino, widmet sich Arcam eingehend. Fünf HDMI-Eingänge und zwei -Ausgänge sorgen für die Verarbeitung von hochauflösendem Bild und Ton. Die Signale werden von einem Pixelworks-Videoprozessor ordentlich gewandelt und skaliert, wenn auch nicht fehlerfrei: Über YUV eingehenden 576i-Signalen verpasst der Receiver bei der Wandlung in Vollbilder einen störenden Gelb-Grünstich. An der Bildschärfe und der Qualität des De-Interlacings gibt es hingegen nichts auszusetzen. Kritik verdient aus Vollbild-Film abgeleitetes 1080i-Material, wie es zum Beispiel Spielfilm-Sender in HD über Satellit schicken: Dem Arcam gelingt weder über YUV noch über HDMI, ihm die nötige Bildruhe einzuhauchen. Hier stören ständiges Flimmern und Unruhe bei bewegten Bildern.

Gut strukturierte und klar lesbare Menüs sorgen beim AVR 600 für hohen Bedienungskomfort.

Tonqualität Surround

Besondere Aufmerksamkeit widmet Arcam den sieben Endstufen. Sie arbeiten im Bereich bis 20 Watt im Class A-Betrieb besonders linear, darüber wechselt die Betriebsart in den Class G-Modus. Das erhöht den Wirkungsgrad, da die Versorgungsspannung nicht immer gleich hoch ist, sondern bei niedrigen Lautstärken gering bleibt und erst mit zunehmendem Leistungsbedarf stufenweise höher geschaltet wird. Somit produzieren die Verstärker weniger Wärme.
Obwohl es die massive Optik vermuten ließe, ist der AVR 600 kein Leistungsmonster. 5 x 90 Watt an acht und 5 x 133 Watt an vier Ohm lassen sich zwar nicht gerade schwachbrüstig nennen, doch die Konkurrenz in dieser Preisklasse schafft mehr. Lautsprecher mit gutem Wirkungsgrad vorausgesetzt, gibt sich der Arcam aber selbst im größeren Heimkino keine Blöße. Das beweist er im Hörraum von audiovision an unseren Referenz-Boxen von Bowers & Wilkins, wo er temperamentvoll und mit begeisternder Impulsivität aufspielt. In der Eingangsszene von "Iron Man" (Blu-ray mit DTS-HD Master Audio 5.1, zugespielt via HDMI) explodiert die Automine mit einem gewaltigen Krachen, und die Kugeln zischen so realistisch durch den Raum, dass selbst wir geübten Probehörer unweigerlich den Kopf zwischen die Schultern zogen.

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Die Bauweise erinnert fast an modulare Einschubtechnik und vermittelt damit
einen höchst professionellen Eindruck. Um Resonanzen zu vermeiden,
sind die Lamellen des großen Kühlkörpers – wie so häufig – unterschiedlich lang. 

Nicht ganz so martialisch, aber nicht weniger erschütternd geht es zur Sache, wenn in Disneys "Ratatouille" (Blu-ray mit englischem PCM 5.1, zugespielt via HDMI) der Blitz in die Hütte der alten Frau einschlägt – unwillkürlich zuckten wir zusammen. Als sich die alte Dame zur Furie wandelt und den Rattenbrüdern per Schrotflinte donnernd zu Leibe rückt, liefert der AVR 600 genau die richtige Dynamik. Selbst bei extremer Lautstärke behält er die Kontrolle. Der Yamaha RX-V 3900 (um 1.800 Euro, Test auf Seite 70) muss sich da geschlagen geben, obwohl er über mehr Leistung verfügt; er bleibt weniger konturiert und weicht früher auf – Potenz ist eben doch nicht alles. Dass der Yamaha kein echter Gegner ist, belegt auch die Räumlichkeit. Den Einzug von Gandalf ins Auenland aus dem ersten "Herr der Ringe"-Abenteuer malt der Arcam einhüllender und noch entspannter.
Für ein spannenderes Duell deuteten wir Pioneers Flaggschiff aus, den SC-LX 90 Susano (um 7.000 Euro, Test in audiovision 09-08). Geht es bei "Away From The Sun" von Three Doors Down (DVD, Ton in DTS 5.1, Zuspielung via S/P-DIF) um brutale Dynamik und Durchsetzungskraft im Bass, hat der Pioneer leicht die Nase vorn. Er rotzt den von Monster Music so kongenial aufgezeichneten Live-Hardrock noch unmittelbarer und ansatzloser in den Hörraum als der Arcam, dem nun bei höheren Lautstärken früher die Puste ausgeht. Bei etwas beschaulicheren Tönen dagegen, etwa "Givin’It Up" von George Benson und Al Jarreau, schließt der Arcam auf, Sänger und Instrumente stellt er nahezu genauso mühelos und mit klar definierter Räumlichkeit dar wie der Pioneer. Allerdings gilt das nur, wenn der Arcam über S/P-DIF mit Digitalsignalen beschickt wird; über HDMI erklingt er ein wenig rauer und etwas detailärmer. Bei HD-Ton fällt das dagegen kaum auf, denn hier spielt die höhere Auflösung ihre Trümpfe aus: Auch mit dem AVR 600 stellen sich bei "They Can’t Take That Away From Me" von Jane Monheit und John Pizzarelli viel Faszination und tolle Räumlichkeit ein.

Tonqualität Stereo

Wie bei der Herkunft des AVR 600 nicht anders zu erwarten: Mit nur zwei Kanälen macht der Receiver eine außerordentlich gute Figur. Ob nun Friend ’n Fellow ihr "Crystal" zum Besten geben oder bei "Tiden Bara Gar" die Jazzband im alten Schlachthaus zu Höchstform aufläuft – der Arcam präsentiert Musik immer höchst detailliert und mit fein aufgelöster Räumlichkeit, ohne dabei die Emotionen zu vergessen. Selbst wenn Metallica mit brachialer Gewalt zur Sache geht, bleibt er konturiert. Dafür gibt’s von uns die Höchstwertung.  Selbst wer seine Musik im MP3-Format auf einem Streaming-Server (siehe Kasten "Netzwerkfunktionen") liegen hat, kann sich über ausgesprochen sauberen Klang freuen, sofern die Daten nicht zu stark komprimiert vorliegen.

Kantig und schnörkellos präsentiert sich das Design des AVR 600 von Arcam. 

Zusatzinfo: Dolby Volume

Ein Problem ärgert Besitzer von HiFi- und Heimkino-Anlagen schon lange: Durch die nicht genormten Pegel der unterschiedlichen Quellgeräte treten beim Umschalten häufig große Sprünge in der Lautstärke auf.

Dieses Problem will Dolby mit seiner neuen Technologie namens "Volume" lösen. Dabei wird mit Regelschaltungen der Pegel von zu leisen Eingängen erhöht und der von zu lauten verringert, sodass beide dem Hörer gleich laut erscheinen. Die technische Umsetzung ist keineswegs trivial und hat einige Jahre gedauert. Denn die Schaltungen müssen zwischen groben Pegelschwankungen und der Dymamik von normaler Musik/Heimkinoton mit schnellen Lautstärkewechseln unterscheiden; schließlich sollen die Schaltungen nur die Pegelsprünge beim Umschalten eliminieren, aber nicht alles flach und gleichförmig klingen lassen. Zusätzlich integrierte Dolby eine Dynamik-Kompression für geringe Abhörlautstärken und eine Schaltung, die Bässe und Höhen dem eingestellten Pegel anpasst.

Der Arcam AVR 600 ist der erste AV-Receiver auf dem deutschen Markt mit Dolby Volume und war für audiovision die erste Gelegenheit, das Verfahren zu testen. Vorläufiges Resultat: Es funktioniert prächtig.

 

Fazit

High-End goes Hollywood – mit glänzendem Ergebnis. Einfach klasse, wie Arcam in diesem Receiver High-End-HiFi mit der komplexen Heimkinotechnik kombiniert. Wer hohe Klangansprüche stellt und die nötige Finanzkraft hat, sollte den AVR 600 unbedingt mal probehören.             

Arcam AVR 600 - AV-Receiver für 4.400 €

 

Technische Ausstattung und Bewertung 

Arcam AVR 600 - AV-Receiver für 4.400 €

 

 

Der Testbericht Arcam AVR 600 (Gesamtwertung: 94, Preis/UVP: 4400 Euro) ist in audiovision Ausgabe 8-2009 erschienen.

Der entsprechende Testbericht ist in unserem Shop als PDF-Dokument zum Download erhältlich.

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